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Neues BND-Gesetz
"Steilvorlage für eine Verfassungsbeschwerde"

Der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf für ein neues BND-Gesetz stößt auf heftige Kritik. In der großen Koalition fehle der Wille, eine demokratische Kontrolle für den Geheimdienst zu schaffen, moniert Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte im Dlf - mit Folgen für die Pressefreiheit.

Von Annika Schneider/Ulf Buermeyer im Gespräch mit Brigitte Baetz |
Die Ausstellung des neuen Besucherzentrums des Bundesnachrichtendienstes. Hier werden Asservate des Geheimdienstes ausgestellt, die bisher noch nie für die Öffentlichkeit zugänglich waren.
In seinem Besucherzentrum gibt sich der Bundesnachrichtendienst transparent - aber wer kontrolliert seine Arbeit im Ausland? (picture alliance/dpa/Kay Nietfeld)
Wen dürfen Geheimdienste wie überwachen? Seit die meisten Menschen Messenger-Dienste und Online-Telefonie nutzen, reichen alte Regelungen, die das Abhören von Telefonen oder das Abfangen von Post einschränken, nicht mehr aus. Aber wie genau digitale Kommunikation überwacht werden darf, das sorgt seit Langem für Diskussionen.
Journalisten besorgt um Quellenschutz
Journalisten- und Menschenrechtsverbände sorgen sich dabei auch um die Pressefreiheit: Wenn die Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten nicht geschützt ist, lassen sich ihre Quellen ermitteln. In vielen Fällen, vor allem bei investigativen Recherchen, kommen Redaktionen aber nur dann an brisante Informationen, wenn sie ihren Gesprächspartnern absolute Anonymität zusichern. Wenn die Geheimdienste mitlesen, ist das nicht mehr gewährt.
Für den Inlandsgeheimdienst, den Verfassungsschutz, hatte die Bundesregierung schon im Oktober einen viel diskutierten Gesetzesentwurf beschlossen. Darin geregelt ist die so genannte Quellen-TKÜ, die festlegt, in welchen Fällen der Verfassungsschutz verschlüsselte digitale Kommunikation auswerten darf. Es sei nicht damit zu rechnen, dass das Instrument oft angewendet werde, meinte Dlf-Rechtsexpertin Gudula Geuther im August im Deutschlandfunk. Zu befürchten sei aber, dass mögliche Quellen, also Informantinnen oder Whistleblower, das Vertrauen zu Journalisten verlieren.
Während im Hintergrund eine Frau telefoniert, wird an einem Telefon der Deutschen Telekom der Schriftzug "Aufzeichnung läuft - Mithören?" angezeigt, aufgenommen am Samstag (31.05.2008) in Hamburg (gestellte Aufnahme - Illustration zum Thema Telefonüberwachung). Foto: Bodo Marks dpa/lno +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Umstrittene Reform des Verfassungsschutzgesetzes
Damit Skandale ans Licht kommen, ist es wichtig, dass Informantinnen und Informanten von Journalisten anonym bleiben können. Genau das aber könnte ein neues Verfassungsschutzgesetz erschweren.
Ähnliche Bedenken begleiten nun auch den Gesetzentwurf, der die Befugnisse des deutschen Auslandsgeheimdienstes, des Bundesnachrichtendienstes (BND), definieren soll. Es geht es um die Frage, wann Ausländer im Ausland ausgespäht werden dürfen und wer die Arbeit des BND kontrolliert. Das Kabinett hat nun den Text verabschiedet, die Zustimmung des Bundestags steht noch aus.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Mai das bisherige BND-Gesetz gekippt und der Politik eine Neuregelung auferlegt hatte – wegen Verstößen gegen das Telekommunikationsgeheimnis und die Pressefreiheit.
Auch deutsche Redaktionen indirekt betroffen
Zwar sind deutsche Journalistinnen und Journalisten von der Überwachung des BND nicht direkt betroffen. Zum einen könnten aber ausländische Reporterinnen und Reporter gefährdet werden, wenn der BND seine Erkenntnisse an Regierungen weiterreicht, die gegen kritische Medien vorgehen. Zum anderen arbeiten deutsche Redaktionen immer häufiger in internationalen Rechercheverbünden mit Teams aus anderen Ländern zusammen. In diesen Fällen könnte indirekt auch die Arbeit von deutschen Investigativjournalisten ins Visier des Geheimdienstes geraten. Auch der Quellenschutz ist – wie schon beim Verfassungsschutzgesetz – ein Thema.
Der Erste Senats des Bundesverfassungsgerichts, Karlsruhe
Urteil zu BND-Überwachung: "Es gibt viele andere Akteure, die mitlauschen"
Investigativjournalist Holger Stark sieht das BND-Urteil des Bundesverfassungsgerichts als "strahlenden Sieg für die Pressefreiheit". Allerdings ändere der Richterspruch im Redaktionsalltag wenig.
Kritikern geht der vom Kabinett gebilligte Entwurf in dieser Hinsicht nicht weit genug. "Die Politik hat versagt", bilanzierte Ulf Buermeyer, Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte, im Deutschlandfunk. Entscheidende Probleme würden nicht behoben und Journalistinnen und Journalisten könnten weiter vom BND abgehört werden.
Neues Gremium soll BND kontrollieren
Die Reform sieht unter anderem einen unabhängigen Kontrollrat vor, der die Arbeit des BND überwachen soll. Dem Gremium fehle die nötige Distanz, kritisierte Buermeyer. Das Bundesverfassungsgericht hatte vorgeschlagen, dem Bundesdatenschutzbeauftragten entsprechende Kontrollaufgaben zu geben, das wolle die Regierung vermeiden, so der Jurist.
"Es ist eine zentrale Voraussetzung für Rechtsstaatlichkeit, das jede Behörde neutral durch eine andere Stelle kontrolliert werden kann", sagte Buermeyer im Medienmagazin @mediasres. In der großen Koalition fehle aber bisher offensichtlich der Wille, wirklich einen Geheimdienst zu schaffen, der sich der demokratischen Kontrolle stelle.
Buermeyer: Entwurf sei "Provokation des Bundesverfassungsgerichts"
"Im Grunde versucht die Bundesregierung das, was Edward Snowden vor einigen Jahren aufgedeckt hat, was zu großer öffentlicher Empörung geführt hat, jetzt zu legalisieren." Er erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht auch das neue Gesetz in dieser Form kippen würde: "Deswegen ist das aus meiner Sicht auch eine Provokation des Bundesverfassungsgerichts." Der Entwurf sei aus Sicht der Gesellschaft für Freiheitsrechte eine Steilvorlage, wieder Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Edward Snowden im Dlf-Interview
2013 veröffentlichte Edward Snowden geheime Dokumente, die eine massenhafte Überwachung durch US-amerikanische Geheimdienste enthüllten. Im Dlf kritisierte er, dass es für Quellen investigativer Recherche immer schwieriger werde.
Kritik äußerte auch die Organisation "Reporter ohne Grenzen": Laut Entwurf dürfe der BND weitgehend allein entscheiden, wer als Journalistin oder Journalist gelte – und somit auch, wessen Kommunikation besonders geschützt werde. Die Grundlage für diese Entscheidung solle in einer geheimen Dienstvorschrift geregelt werden, also ohne öffentliche Kontrolle.
Außerdem forderte die Organisation, Verkehrs- und Metadaten besser zu schützen. Darunter fallen zum Beispiel Betreffzeilen von E-Mails oder andere Informationen über Kommunikationsverbindungen. Sie ließen Rückschlüsse drauf zu, mit wem Redaktionen in Kontakt stehen, heißt es in einer Stellungnahme der Organisation.