Donnerstag, 18. April 2024

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Neuregelung ab 2025
Drohender Flickenteppich bei der Grundsteuerreform

2018 hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat deshalb ein neues Gesetz erarbeitet. Es erlaubt Sonderwege der künftigen Besteuerung von Grundstücken. In den Kommunen stößt das auf Kritik.

Von Katharina Thoms und Michael Watzke | 10.05.2021
Die Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern mit Garten werden bei der anstehende Grundsteuerreform wohl mit höheren Abgaben zu rechnen haben.
Ein- und Zweifamilienhäuser werden bei der anstehenden Grundsteuerreform ab 2025 wohl deutlich höher besteuert als bisher - die 16 Bundesländer legen allerdings sehr unterschiedliche Kriterien an. Beobachter rechnen mit zahlreichen Klagen. (dpa)
Der Arm eines Baukrans schwebt über einer großen Baugrube. Ein neues Mehrfamilienhaus entsteht. Knapp 127.000 Menschen wohnen in Ulm. Die Stadt wächst kontinuierlich. Hier im Nordosten ist in den vergangenen Jahren ein komplett neues Viertel gebaut worden:
"Oben im Lettenwald heißt es. Da stehen sehr unterschiedliche Typen, sehr durchmischt nebeneinander und durcheinander", sagt Gerrit Bernstein, Vermessungsingenieur bei der Stadt Ulm. Diese Durchmischung von Eigentums- und Mietwohnungen, Ein- und Mehrfamilienhäusern ist für Bernstein eine Herausforderung. Als Chef des städtischen Gutachterausschusses muss er daraus den so genannten Bodenrichtwert neu festlegen. Dieser Wert ist die Basis für die neue Grundsteuer in Baden-Württemberg, die der Landtag im November 2020 beschlossen hat. Und im Lettenwald in Ulm ist das besonders knifflig:
"Genau, weil natürlich: Wenn sie acht Geschosse oder zehn Geschosse auf ein Grundstück bauen können, ist Ihre Investition, die Sie dort machen, deutlich wertvoller, als wenn Sie dort auf die gleiche Fläche nur ein Geschoss bauen dürfen. Und nur ein Einfamilienhaus drauf. Und das muss sich natürlich im Bodenwert widerspiegeln."
19.12.2020, Grossbeeren in Brandenburg. Neue Einfamilienhaeuser stehen an einer gruenen Wiese in Feldrandlage bei Grossbeeren. Foto: Wolfram Steinberg/dpa
Neubauten "auf der grünen Wiese" - wer ein großes Grundstück hat, muss wohl deutlich mehr Grundsteuer zahlen (picture alliance / Wolfram Steinberg | Wolfram Steinberg)

Bodenrichtwert und Grundstücksgröße

Was also ist der Grund und Boden wert, auf dem mein Haus steht? Im Lettenwald liegen die Bodenrichtwerte aktuell zwischen 250 und 630 Euro pro Quadratmeter, Tendenz steigend. Für die neue Grundsteuer, die ab 2025 gelten soll, ist zusätzlich noch die Größe des Grundstücks entscheidend. Was darauf steht – eine Villa, ein Hochhaus oder gar nichts – wird in Baden-Württemberg in Zukunft für die Berechnung egal sein. Doch das ist nicht in jedem Bundesland so. Knapp fünf Kilometer weiter, in Neu-Ulm, sieht das anders aus.
Das Oberzentrum mit 62.000 Einwohnern grenzt zwar direkt an Ulm, liegt aber auf der anderen Seite der Donau – und damit in Bayern. Das Land wird sich voraussichtlich für ein ganz anderes Grundsteuermodell entscheiden. Für die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger von der CSU ist die Grundsteuer eine verlässliche Einnahmequelle. Mehr Einwohner gleich mehr Wohnraum gleich mehr Grundsteuer: für Neu-Ulms Gemeindefinanzen ein Segen. 2020, in Albsteigers erstem Amtsjahr, kassierte Neu-Ulm rund zehn Millionen Euro von seinen Haus- und Grundbesitzern. Ein wichtiger Ausgleich, denn das Corona-Jahr hat in Neu-Ulm tiefe Spuren hinterlassen.
"Wir haben momentan einen Wandel im wirtschaftlichen Bereich. Und der drückt sich auch durch sinkende Steuereinnahmen aus. Wir haben beispielsweise im Vergleich zu 2017 bis 2020 fast die Hälfte unserer Gewerbesteuer-Einnahmen verloren."
Von 57 Millionen Euro auf 29 Millionen. Das tut weh. Umso wichtiger ist die andere Säule der Gemeindefinanzen – die Grundsteuer. Oberbürgermeisterin Albsteiger: "Die Grundsteuer ist eine durchaus sehr akzeptierte Steuer bei den Grundbesitzern. Und damit natürlich auch einigermaßen angenehme Steuer, die auch höhenmäßig in der Regel nicht infrage gestellt wird."

Neues Grundsteuer-Gesetz gilt ab 2025

Wie auch? Grundsteuer wird auf Häuser, Wohnungen und Grundstücke erhoben – also auf Immobilien. Und die sind: nicht mobil. Man kann Grundsteuer also nicht vermeiden. Man kann höchstens gegen sie klagen.
Und genau das hat 2018 zu einer grundlegenden Veränderung geführt: Damals hat das Bundesverfassungsgericht die bisher geltende Grundsteuerregelung für verfassungswidrig erklärt. Weil sie auf völlig veralteten Werten beruhte; und weil es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, legte daraufhin, nach langem Hin und Her, einen Reformvorschlag vor. Die alte Grundsteuer-Regelung kann so bis Ende 2024 übergangsweise weiterlaufen. Ab Januar 2025 gilt dann das neue Grundsteuer-Gesetz.
Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding spricht im Bundestag während der Haushaltsdebatte
Binding (SPD) zu Grundsteuerreform - "Es wird gerechter"
Der SPD-Politiker Lothar Binding hat die Einigung zur Grundsteuerreform begrüßt. "Durch die wertabhängige Ermittlung der Einheitswerte wird es gerechter", sagte Binding im Dlf.

Öffnungsklausel ermöglicht verschiedene Modelle

Schon jetzt zeichnet sich ab: Es wird in Zukunft einen großen Steuer-Flickenteppich in Deutschland geben, denn die 16 Bundesländer wollen unterschiedliche Grundsteuer-Modelle einführen. Möglich macht das eine Öffnungsklausel, für die sich Bayern im Bundesrat eingesetzt hatte. Heißt: Jedes Bundesland kann entscheiden, ob es dem Scholz’schen Bundesmodell folgt oder ein eigenes Gesetz ausarbeitet.
Bayern hat sich, wie etwa Hamburg und Niedersachen, für den Sonderweg entschieden. Finanzminister Albert Füracker von der CSU bringt in diesen Tagen seine Grundsteuer-Reform erneut ins Kabinett – danach entscheidet der bayerische Landtag über den Entwurf. Füracker ist zuversichtlich:
"Ich finde, dass das bayerische Grundsteuer-Modell auch der Beweis dafür ist, dass wir in den Zeiten, wo jeder über Entbürokratisierung spricht, wir tatsächlich auch im Steuerrecht erstmals ein Modell haben, wo man unbürokratischer Steuergesetzgebung gestalten kann."
Grundsteuer mit Öffnungsklausel - "Kompromiss, mit dem alle leben können"
Die Forderung der Bundesländer nach solch einer Ausnahmeregelung bei der Grundsteuerreform sei verständlich, sagte Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund Deutschland, im Dlf.

Bodenwert-unabhängiges Flächenmodell

Die neue bayerische Grundsteuer ist ein so genanntes "bodenwert-unabhängiges Flächenmodell". Also ein Berechnungs-System, so Füracker, "das ausschließlich die Flächengrößen der Gebäude und der Grundstücke berücksichtigt. Und die bleiben ja gleich. Beim Bundes-Modell werden die Werte alle sieben Jahre neu festgestellt. Und erwartbar steigen die Werte alle sieben Jahre an, weil die Flächen und Gebäude teurer werden. Und beim Bundesmodell droht eine Steuererhöhung durch die Hintertür. Das haben wir nicht."
Füracker lehnt das Bundesmodell ab. Genau wie seine Kollegin aus Baden-Württemberg. Aber die scheidende Finanzministerin der Grünen, Edith Sitzmann, kritisiert das Bundesmodell aus ganz anderen Gründen: "Die komplizierten Berechnungen des Bundes bezüglich des Gebäudebestandes, die einfach auch echt störanfällig und recht unsicher und zu pauschal sind. Darauf wollten wir verzichten."

Modifiziertes Bodenwertmodell

Der Weg zum "modifizierten Bodenwertmodell" in Baden-Württemberg war allerdings auch nicht einfach. Die CDU als Koalitionspartner hatte sich lange gesträubt. Und hätte sich viel eher mit dem bayrischen Flächenmodell anfreunden können. Aber die Grünen in Baden-Württemberg haben sich durchgesetzt. Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland sein Landesgrundsteuergesetz im vergangenen Herbst verabschiedet:
"Dass wir diesen Wertbezug haben, das war uns wichtig, weil es gibt ja schon relevante Unterschiede. Habe ich jetzt eine Fläche irgendwie am Autobahnzubringer oder auf Halbhöhenlage am Waldrand? Dann ist deswegen aus Gerechtigkeitsgründen, finde ich, ein Wertbezug auch wichtig."

Bodenwertsteuer könnte zum verdichteten Bauen führen

Gerechter und vor allem einfacher soll die Berechnung der Steuer künftig in Baden-Württemberg sein, weil sie das Gebäude außer Acht lässt. Für die Ermittlung gilt: Bodenrichtwert mal die Größe des Grundstücks als Basis. Auf bebaute und bewohnte Flächen soll es generell einen Abschlag von 30 Prozent bei der Bodenwertsteuer geben. Auch der Mieterbund hatte sich in der Debatte um die Neuregelung für ein Bodenwertmodell stark gemacht, denn auch Mieterinnen und Mieter müssen in den meisten Fällen die Grundsteuer anteilig mitbezahlen.
"Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass derjenige, der viel Platz für sich benötigt, auf einem Grundstück mit einer höheren Steuer belastet wird wie derjenige, der mit wenig Platz auskommt. Und wir sehen noch einen nachhaltigen Gesichtspunkt: Auch diese Bodenwertsteuer wird zum verdichteten Bauen führen. Weil je dichter auf einem Grundstück gebaut wird, desto mehr verteilt sich die Grundsteuer auf viele Bewohner in diesem Gelände", sagt Rolf Gaßmann, Vorsitzender des baden-württembergischen Mieterbundes.
Philipp Heuer (NABU) - Boden besteuern statt Spekulation fördern
Unbebaute und bebaute Grundstücke sollten steuerlich gleich behandelt werden, sagte NABU-Steuerfachmann Philipp Heuer im Dlf. Sonst fehle der Anreiz, brach liegende Flächen in den Städten statt in der Natur zu bebauen.

Der Bodenwert ist streitanfällig

Der CSU-Politiker Füracker allerdings prophezeit, dass Bayerns Nachbarland Baden-Württemberg vor einer Klagewelle steht, weil der Bodenwert eines Grundstückes streitanfällig sei: "Baden-Württemberg bezieht darüber hinaus die Gebäudeflächen nicht mit ein. Das ist natürlich auch ein Problem."
So sieht es auch der Bund der Steuerzahler. In Baden-Württemberg hat er gegen das Grundsteuergesetz vor dem Verfassungsgerichtshof geklagt. Doch Anfang der Woche wurde die Klage abgewiesen. Erst wenn die ersten Steuerbescheide ergehen, sei eine Klage zulässig, so das Gericht. Trotzdem: Zenon Bilaniuk, Vorsitzender des Steuerzahlerbunds in Baden-Württemberg, bleibt skeptisch. Gerade weil Häuser außen vor bleiben bei der Berechnung, könnten Schieflagen entstehen, argumentiert Bilaniuk:
"Jetzt haben Sie drei Grundstücke nebeneinander. Auf dem einen steht ein kleines altes Häuschen, auf dem anderen gleich groß ein mehrstöckiges Mehrfamilienhaus, und auf dem dritten, ebenfalls gleich großen Grundstück, eine teure Villa. Alle drei Immobilien werden die gleiche Grundsteuer bezahlen, obwohl es unterschiedliche Objekte sind. Und das ist aus unserer Sicht ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz."

"... sofern die Kommune nicht den Hebesatz anhebt"

"Und deswegen finde ich, dass das Einbeziehen der Gebäude schon fairer ist, wie wir das bei uns machen. Und wegen der Wohnungs- und Betriebsfläche, die wir hier haben, sorgen wir dann letztlich auch für eine dauerhaft niedrigere Steuer, sofern die Kommune nicht den Hebesatz anhebt", pflichtet Bayerns Finanzminister Füracker bei.
"Sofern die Kommune nicht den Hebesatz anhebt" – dieser Nachsatz hat es in sich. Denn in den von Corona gebeutelten bayerischen Städten und Landkreisen ist man nicht begeistert, dass Füracker seinen Entwurf quasi als Steuersenkungs-Modell der Landesregierung verkauft. Der Freistaat schiebe den Kommunen den schwarzen Peter der Steuererhöhung zu, klagt Katrin Albsteiger, die Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm, und wünscht sich, "dass wir gern eine weitere Anhebung der Äquivalenz-Zahlen hätten, zur Vermeidung von erheblichen Hebesatz-Anpassungen."
Grundsteuer-Kompromiss - "Eine Steuer, die gerecht ist"
Die Einigung zur Reform der Grundsteuer sei klug, weil sie die verschiedenen Interessenlagen zusammenbringe, sagte Helmut Dedy vom Deutschen Städtetags im Dlf.

Äquivalenz-Zahl als Grundbaustein der Grundsteuer

Was das genau bedeutet, erklärt Albsteigers Mitarbeiter Reinhard Wysokowski. Der Leiter der Abteilung Steuern und Abgaben in Neu-Ulm beschreibt die so genannte Äquivalenz-Zahl als den Grundbaustein der Grundsteuer. Von dieser Zahl leite sich die gesamte Berechnung ab. Und die Äquivalenz-Zahlen, die der Freistaat Bayern mit seinem neuen Modell vorgibt, sorgen bei Wysokowski für Stirnrunzeln.
"Die Äquivalenz–Zahlen sind sehr gering. Wenn Sie mal sehen: für eine Grundfläche nehme ich 0;04 Euro pro Quadratmeter, oder wird berechnet. Und für die Wohnfläche sind es 0,50 Euro pro Quadratmeter. Die wird dann noch multipliziert, einmal mit 100 Prozent bei der Grundfläche und einmal mit 70 Prozent noch für die Wohnfläche. Das heißt: In Neu-Ulm ist es so, die Mehrheit aller Grundstücke, aller Eigentumswohnungen, aller Besitzer wird in der Grundsteuer sogar geringer. Das heißt, es wird billiger für den Großteil der Leute. Mit der Folge, dass wir als Stadt die Einnahmen, die wir jetzt haben, knapp über 10 Millionen, nicht mehr werden generieren können. Mit der Folge, dass wir an den Hebesätzen was tun müssen, um die Grundsteuer wieder so reinzubekommen, wie wir sie bisher haben."

Anhebung der Hebesätze durch die Gemeinden befürchtet

Auch jenseits der Donau in Baden-Württemberg ist die Diskussion um die Hebesätze längst entbrannt. Jede Gemeinde kann den Hebesatz individuell festlegen und so bestimmen, was am Ende im Steuerbescheid steht. Kritiker wie der Steuerzahlerbund befürchten, dass Gemeinden das Instrument nutzen, um ihre Steuerkassen aufzubessern. Die baden-württembergische Landesregierung und die Kommunen widersprechen: Man wolle nichts an der neuen Grundsteuer verdienen, sagen sie. Die Stadt Ulm nimmt aktuell rund 27 Millionen Euro Grundsteuern im Jahr ein. Das solle auch in etwa so bleiben. Ulms Erster Bürgermeister Martin Bendel:
"Da stehen wir auch im Wort den Bürgern gegenüber, dass wir die Grundsteuerreform jetzt nicht dazu benutzen wollen, um den Haushalt aufzubessern. Aber klar, es wird Belastungsverschiebungen geben zwischen den Steuerzahlenden. Das war ja der Grund dieser Reform, oder der Grund auch im Verfassungsgerichtssurteil. Insofern sind die Belastungsverschiebungen systemimmanent, die lassen sich nicht vermeiden."

Höhere Steuern für Ein- oder Zweifamilienhäuser

Aus einer ersten groben Aufstellung bei der Stadt Ulm geht hervor: Höher besteuert werden vor allem ältere Grundstücke, mit Ein- oder Zweifamilienhäusern. Grundsteuern sparen werden voraussichtlich Mieterinnen und Mieter in Mehrfamilienhäusern oder Grundstücke mit Reihenhäusern, die noch nicht besonders alt sind. Davon ist Bendels Kollege auf der anderen Seite der Donau nicht erfreut. Denn Reinhard Wysokowski, der Steuerabteilungs-Leiter von Neu-Ulm, lebt in Ulm. Dort wird die Grundsteuer seines Hauses nach dem baden-württembergischen Bodenwert-Modell berechnet. Leider, sagt Wysokowski.
"Also ich bin froh, dass wir in Bayern dieses Modell nicht haben, weil das bestimmt zu viel Unmut bei den Bürgern führt. Wie gesagt, es werden Gebäudegrößen überhaupt nicht berücksichtigt in Baden-Württemberg, es wird rein nur der Boden berücksichtigt. Wer viel Grundstück und Boden hat – egal, ob er ein Haus mit 60 Quadratemter drauf hat, der zahlt. Das finde ich schade."

Grüne wollen baureifes Land stärker besteuern

Genau aus dem Grund befürworten die baden-württembergischen Grünen, Umweltverbände und eben auch der Mieterbund das Bodenwertmodell aber: Leere Flächen kosten genauso viel wie bebaute. Noch lieber wäre den Grünen eine extra Steuer für unbebaute Flächen gewesen. Eine so genannte Grundsteuer C – die baureifes Land stärker besteuert, wenn es nicht zeitnah bebaut wird. Um Bodenspekulationen einzudämmen. In der zurückliegenden Legislaturperiode hat die CDU das in Baden-Württemberg nicht mitgemacht. Nach den jetzt zu Ende gegangenen Koalitionsverhandlungen steht die Grundsteuer C aber als Vorhaben im Koalitionsvertrag. Als Option für die Städte und Gemeinden. Finanzministerin Edith Sitzmann:
"Dann hätten die Kommunen die Möglichkeiten, wenn sie das wollen, auf solche innerstädtischen brachliegenden Flächen einen anderen Hebesatz anzuwenden."

Wunsch nach stadtnaher Grundstücksentwicklung

So eine Regelung hätte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gern in sein Grundsteuer-Gesetz geschrieben, das der Landtag in einigen Wochen verabschieden soll. Doch die Freien Wähler, der kleine Koalitionspartner der CSU, haben das verhindert. Hubert Aiwanger, der Freie-Wähler-Chef und bayerische Wirtschaftsminister, hat sich erfolgreich quergestellt. Aiwanger weiß die bayerische Wirtschaft hinter sich und auch Verbände wie den Eigentümer-Verein "Haus und Grund Bayern". Die Kommunen dagegen sind sauer. Markus Pannermayr, Vorsitzender des bayerischen Städtetages, warnt davor, dass die Kommunen in Bayern an den ehrgeizigen Flächennutzungs- und Einsparzielen der Staatsregierung scheitern.
"Wir haben überall vor Ort in den Kommunen die Situation, dass uns – wenn wir auf unseren Flächennutzungs-Plan schauen – Flächen auffallen, die flächensparend entwickelt werden könnten, weil sie zentral liegen, weil sie eine gute ÖPNV-Anbindung haben, weil sie für eine fahrrad-freundliche Stadt mit kurzen Wegen gut geeignet sind. Wie schaffen wir es, dass wir ein Instrument in die Hand bekommen, mit dem wir solche Grundstücke dann auch mit höherer Wahrscheinlichkeit entwickeln können? Dass nicht die Spekulation die Oberhand gewinnt, sondern dass ein Eigentümer dann motiviert werden kann, diese Flächen, dieses Grundstück zu entwickeln?"
SPD-Politiker Daldrup - "Für uns steht die Grundsteuerreform an der ersten Stelle"
Durch die Grundsteuerreform sollen weder für Mieter noch für Eigentümer Mehrkosten entstehen, sagte SPD-Politiker Bernhard Daldrup im Dlf.

Die Angst vor Klagen bei "Hebesatz-Zonen"

Für Markus Pannermayr wäre die Grundsteuer C ein solches Instrument. Stattdessen haben die Kommunen die Möglichkeit, so genannte "Hebesatz-Zonen" zu bilden, erklärt Bayerns Finanzminister Albert Füracker:
"Das heißt: wenn Sie zum Beispiel eine Stadt haben, die viele Dörfer drum herum hat, dann können Sie in der Stadt einen anderen Hebesatz machen als in den Dörfern. Das ist, glaube ich, eine sehr sachgerechte Lösung, weil halt dort auch der Charakter ein ganz anderer ist. Der städtebauliche Charakter ist in der Stadt anders als auf dem Dorf. Deswegen kann man das bei uns optional wählen."
Doch die Begeisterung der Kommunen über diese Option hält sich in Grenzen. Katrin Albsteiger, die Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm, hält verschiedene Grundsteuer-Hebesätze innerhalb einer Kommune für nicht machbar.
"Ich persönlich kann mir sehr schwerlich vorstellen, dieses Instrument überhaupt anzuwenden. Denn ich könnte wahrscheinlich den Bürgerinnen und Bürgern in dem einen Stadtteil nicht erklären, warum sie einen größeren Hebesatz zahlen müssen als vielleicht im Stadtteil nebendran. Wir rechnen ehrlicherweise in so einem Fall durchaus mit der ein- oder anderen Klage. Was natürlich nicht in unserem Interesse ist. Und ich glaube auch nicht, dass der Verwaltungsaufwand dadurch reduziert werden würde, sondern eher das Gegenteil der Fall wäre."

Scholz' Bundesmodell verfassungswidrig?

Auch in Ulm rechnet man damit, dass es Klagen geben wird, wenn die neu berechneten Steuerbescheide in vier Jahren in den Briefkästen landen: Weil der Vergleich zum direkten Nachbarn als ungerecht empfunden wird. Oder der zum Ländernachbarn Bayern, auf der anderen Seite der Donau. Insgesamt müssen 5,6 Millionen Einheiten in ganz Baden-Württemberg in den kommenden Jahren neu berechnet werden. Eine riesige Herausforderung auch für die Finanzverwaltung. Schon im kommenden Jahr dürften die ersten Menschen Post bekommen, weil das Finanzamt sie um eine Steuererklärung bittet – als Grundlage für die Neuberechnung. Die scheidende baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann rät ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin schon mal zur Gelassenheit:
"Ich gehe davon aus, dass es gegen alle Modelle Klagen geben wird, denn in allen Modellen wird es Verschiebungen geben, dass die einen nämlich mehr zahlen müssen als jetzt, die anderen wenigen."
Und auch um das Bundesmodell von Olaf Scholz für die Grundsteuer, das unter anderem Berlin und Rheinland-Pfalz umsetzen wollen, könnte es noch Ärger geben. Denn manche Experten halten es für verfassungswidrig.