Mittwoch, 24. April 2024

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Nitratbelastung des Grundwassers
"Landwirte werden gezwungen, bedarfsgerecht zu düngen"

Durch Überdüngung in der Landwirtschaft wird das Grundwasser mit Nitrat belastet. Das Bundesumweltamt warnt, dass die Reinigung zu einem deutlichen Anstieg der Wasserpreise führen könnte. Die neue Düngeverordnung bringe tendenziell eine Verbesserung der Grundwassersituation, sagte Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband im Dlf.

Bernhard Krüsken im Gespräch mit Jasper Brenberg | 13.06.2017
    Auf einem Feld in Brandenburg wird Gülle verrieselt.
    Die Landwirtschaft wird vor allem für die steigende Nitratbelastung des Grundwassers verantwortlich gemacht. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Jasper Barenberg: Eigentlich ist Gülle ein nützlicher Dünger, es sei denn es landet viel zu viel davon auf den Feldern und Böden. Denn Landwirte in Deutschland halten und mästen immer mehr Tiere auf immer weniger Höfen, und das ist Gift am Ende fürs Trinkwasser. Versorger müssen schon jetzt immer öfter mit teuren Verfahren dafür sorgen, dass das Trinkwasser sauber bleibt. In einer Studie warnt das Bundesumweltamt jetzt davor, dass der Wasserpreis deshalb um bis zu 45 Prozent steigen könnte, wenn nichts geschieht. Zum Jahresbeginn hatte der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft gar einen Anstieg der Preise für Trinkwasser von bis zu 60 Prozent errechnet. Als Hauptgrund gilt in jedem Fall die Überdüngung in der Landwirtschaft. Am Telefon ist jetzt Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Einen schönen guten Morgen!
    Bernhard Krüsken: Schönen guten Morgen!
    Barenberg: Herr Krüsken, warum sollen wir Verbraucher bald möglicherweise viel Geld für Schäden bezahlen, die Landwirte mit der vielen Gülle anrichten?
    Krüsken: Ich glaube, ich kann das ein bisschen entschärfen. Es gibt aus meiner Sicht zwei mögliche Erklärungen für diese Portionierung, die das UBA gemacht hat. Der erste Grund ist der, die waren die letzten sechs Monate offline und haben nicht hingehört, was sich im politischen Prozess und im Nitratbericht der Bundesregierung so darstellt, und die zweite Möglichkeit ist, man will jetzt einfach noch mal ein bisschen nachlegen. Also Sie merken, wir haben wenig Verständnis dafür, und ich will das auch erklären: Nitratbericht 2016 der Bundesregierung sagt eigentlich relativ klar, dass wir natürlich an einigen Stellen Probleme mit Nitrat im Grundwasser haben, dass wir aber auf keinen Fall hier eine Tendenz haben, dass alles immer schlimmer und alles immer schlechter wird. An relativ vielen Stellen hat sich die Nitratsituation im Grundwasser sogar verbessert, sodass wir davon ausgehen, dass ein Wasserversorger, der es bisher hinbekommen hat, die Nitratgehalte im Trinkwasser auf dem Niveau zu halten, wo sie jetzt sind, dass er keine zusätzlichen Investitionen machen muss.
    Zweiter Punkt, und das ist der eigentlich wichtige: Wir haben seit wenigen Tagen ein neues Düngerecht, um das wir wirklich lange gerungen haben – Landwirte, Wasserversorger, Politik –, und dieses neue Düngerecht in Form der neuen Düngeverordnung wird doch schon dramatische Veränderungen mit sich bringen für die Landwirte, für die Düngung, und sie wird – und das ist der wichtigste Punkt – einen signifikanten Beitrag dazu leisten, dass sich die Probleme, die man mit Nitrat im Grundwasser hat, weiter reduzieren.
    Barenberg: Herr Krüsken, lassen Sie uns gleich noch über das neue Düngerecht sprechen und bleiben wir einen Moment noch bei der Ausgangslage, bei der Situation jetzt. Ich nehme mal als Beispiel Schleswig-Holstein. Da hat auch der Bauernverband dort einräumen müssen, dass die Analyse stimmt, wonach es seit zehn Jahren keine Verbesserung gegeben hat, keine Verringerung der Nitratbelastung im Grundwasser, im Oberflächenwasser, und dass die Situation insgesamt als absolut besorgniserregend einzuschätzen ist. Zweifeln Sie an der Analyse Ihrer eigenen Vertretung in Schleswig-Holstein?
    Krüsken: Da muss man schon ein bisschen differenzierter hinschauen. Gerade Schleswig-Holstein hat natürlich auch eine Situation, wo es tatsächlich so ist, dass es seit zehn Jahren konstant ist, aber da ist kein flächendeckendes Nitratproblem im Grundwasser vorhanden. Da gibt es punktuell Probleme, die sind durchaus da, die müssen gelöst werden, da gibt es einen Handlungsbedarf. Insofern volle Übereinstimmung, aber das ist so mit dem halb vollen und dem halb leeren Glas. Viele Akteure in der Diskussion zeichnen das Bild, dass es nun immer schlimmer und immer dramatischer wird.
    "Bei einem Drittel der Messstellen eine Verbesserung der Nitratwerte"
    Barenberg: Aber wo wird es denn besser, Herr Krüsken? Wo ist es denn besser geworden in den vergangenen Jahren, denn die Probleme gibt es ja schon seit einer ganzen Weile?
    Krüsken: Wenn Sie in den Nitratbericht reinschauen, dann haben wir ungefähr bei einem Drittel der Messstellen eine Verbesserung der Nitratwerte, eine Senkung, und bei etwas mehr als einem Viertel haben wir eine Verschlechterung. Ich bestreite ja gar nicht, dass es dieses Problem gibt. Es gibt natürlich akuten Sanierungsbedarf, da, wo ich über die 40 in Richtung 50 Milligramm Nitrat im Grundwasser komme, da muss gehandelt werden, und da muss man vor Ort diese Messstelle, diesen Grundwasserkörper sanieren, und da spielt natürlich auch die Landwirtschaft eine entscheidende Rolle.
    Wasser fließt aus einem Wasserhahn in ein Glas.
    Bundesbürger müssen vielleicht bald viel mehr für Trinkwasser bezahlen. (dpa/picture-alliance/Lukas Schulze)
    Barenberg: Heißt das, wenn wir an dem Punkt gleich bleiben, Herr Krüsken, heißt das für solche Gegenden, dass es dort eine feste Relation, ein festes Verhältnis zwischen Fläche und Viehwirtschaft braucht, denn nur dann ist garantiert, dass eben nicht mehr Stickstoffnitrate in den Boden gelangen als dieser Boden es verträgt?
    Krüsken: Man kann das nicht mit einer eindimensionalen Betrachtung machen. Stickstoff kann natürlich aus organischen Düngern kommen, er kann aus den Klärschlämmen kommen, er kann aus dem mineralischen Dünger kommen, und die Nährstoffbilanz in einer Region, auf einer Fläche, muss natürlich stimmen, und ich kann sie überstrapazieren sowohl mit tierischen Düngemitteln, also mit Gülle, ich kann sie aber auch mit anderen Stickstoffquellen überstrapazieren. Der Punkt ist der: Wir brauchen, oder es ist gute fachliche Praxis, die Dinge, die Nährstoffbilanz ausgeglichen zu haben, und das ist natürlich Aufgabe eines jeden Landwirtes und einer jeden Region.
    Barenberg: Jetzt haben Sie über die neue Düngeverordnung gesprochen, über die neuen Regeln, die seit einigen Tagen gelten und über die Jahre gestritten und verhandelt und beraten wurde. Jetzt heißt es, dass die gar nicht dafür sorgen, dass es weniger Dünger gibt, sondern dass der nur anders verteilt wird. Ist das richtig? Es wird überhaupt nicht weniger Dünger geben und weniger Austrag solcher Nitrate auf die Felder und auf die Böden?
    Krüsken: Ich kann dieser Aussage so nicht folgen, weil …
    Überwachung durch die Behörden
    Barenberg: Na ja, strengere Regeln, da würde man sich zunächst mal vorstellen, dass es weniger am Ende und eine geringere Belastung am Ende gibt, weil weniger auf die Felder kommt. Ist das mit diesen neuen Regeln gewährleistet?
    Krüsken: Lassen Sie mich so anfangen: Solange wir in der Landwirtschaft noch mineralische Düngemittel einsetzen, haben wir noch Verbesserungsbedarf bei organischen Düngemitteln. Es kann ja nicht sein, dass Regionen, in denen starke Viehhaltung stattfindet, Nährstoffüberschüsse haben und dann 100 Kilometer weiter noch Mineraldünger eingekauft wird. Ich glaube, das muss man sehen. Das Prinzip der neuen Düngeverordnung ist, dass jeder Landwirt gezwungen wird, bedarfsgerecht zu düngen und dass er vor allen Dingen diese Kalkulation unter den Augen der Behörde und unter der Überwachung der Behörde machen muss. Ich glaube, das ist der Punkt, und das wird natürlich in den Regionen, in denen eine starke Tierhaltung stattfindet, für erheblichen Druck auf die Fläche sorgen. Es geht ja hier bei dem Thema Düngung nicht darum, irgendwelche überschüssigen Nährstoffe loszuwerden, sondern es geht am Ende des Tages um die Ernährung von Pflanzenbeständen, und deshalb wird es auf Sicht in der Landwirtschaft ohne Düngemittel – und das gilt für den konventionellen und den ökologischen Landbau – nicht gehen.
    Barenberg: Sagt Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Danke für Ihre Zeit heute Morgen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.