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Nordzypern vor Parlamentswahl
Debatte über Korruption und Wiedervereinigung

Im türkischen Norden der geteilten Insel Zypern wird am 7. Januar ein neues Parlament gewählt. Nicht nur die gescheiterten Wiedervereinigungs-Verhandlungen werden eine Rolle spielen - auch Korruptionsvorwürfe und eine Diskussionen über den wachsenden Einfluss der Türkei könnten die Wahl beeinflussen.

Von Christian Buttkereit | 27.12.2017
    Eine türkische Flagge und eine Flagge der selbsterklärten Türkischen Republik von Nordzypern vor einer Moschee in Nicosia
    Am 7. Januar wird in Nordzypern ein neues Parlament gewählt (dpa / epa / Katia Christodoulou)
    Die Wintersonne strahlt auf den Schulhof des Kurtulus Lisesi - des Gymnasiums der Befreiung - in Güzelyurt ganz im Westen Nordzyperns. Wären die Zypern-Gespräche im vergangenen Sommer erfolgreich gewesen, Güzelyurt würde an die griechischen Zyprer zurückgegeben und wieder Morphu heißen. Stattdessen haben sich die Gymnasiasten vor Fahnenmast und Atatürk-Büste versammelt und singen den Marsch der türkischen Widerstandskämpfer.
    Es sind gerade Märtyrer-Gedenktage im Norden Zypern. Erinnert wird an die erste Vertreibungswelle von türkischen Zyprern aus dem Inselsüden 1963. Ehrengast im Kurtulus-Gymnasium ist heute der Journalist Hasan Hastürer. Auf dem Schulhof berichtet der 66-Jährige, wie er als Jugendlicher aus dem Süden fliehen musste. Dass er in der Eile seine beste Hose vergessen hatte mitzunehmen, amüsiert die Schüler für einen Augenblick.
    Trotz Verhandlungen noch keine Lösung
    Doch die Erinnerung an das Leid wachzuhalten sei nicht das eigentlich Wichtige, meint Hastürer.
    "Die Auseinandersetzung mit der Zypernfrage ist für die jungen Menschen hier eigentlich wichtiger. Doch die Tatsache, dass es trotz all der Verhandlungen immer noch keine Lösung gibt, nimmt den Menschen die Hoffnung. Und je geringer die Hoffnung, desto geringer das Interesse."
    Dabei ist hier fast jeder von der Teilung der Insel persönlich betroffen. In der anschließenden Diskussion mit den Schülern fragt Hastürer, wer die Grenze zum Inselsüden überquren dürfe. Viele Schüler heben die Hand, denn die türkischen Zyprer dürfen in den Süden, nicht aber die zugewanderten Festlandstürken. Eine Abiturientin beklagt, dass sie nicht in den Insel süden dürfe, weil ihr Vater Türkei sei. Die 17-Jährige Ayla darf über die Grenze und nutzt das auch.
    "Mein Leben würde europäischer werden"
    "Ich habe viele griechisch-zyprische Freunde, aber die meisten von ihnen habe ich während meines Aufenthalts in Großbritannien kennen gelernt. Die wenigsten Freunde kenne ich von Zypern."
    Eine Wiedervereinigung der Insel fänden hier die meisten gut. Die 18-jährige Gülhan meint: "Eine Nehmen wir an, es würde zu einer Lösung der Zypernfrage kommen: Mein ganzes Leben würde europäischer werden und ich könnte eine hochwertigere Bildung genießen."
    Der Regierung wird Korruption vorgeworfen
    Ein Kleinbus mit Werbung für die Nationale Einheitspartei fährt durch die Strassen. Sie stellt gemeinsam mit der konservativem Demokrat Parti und den Unabhängigen die Regierung. Stärkste Partei wurde bei den vergangenen Wahlen die sozialdemokratische Partei Cumhuriteci Türk Partisi. Armagan Candan vertritt für sie den Wahlkreis Güzelyurt im Parlament des Inselnordens und hofft, dass seine Partei am 7. Januar wieder an die Regierung kommt.
    "Die derzeitige Regierung ist sehr korrupt, wir müssen sie bei diesen Wahlen ablösen, zum, Wohle der Bevölkerung."
    Korruption habe es z.B. bei der Ausschreibung zum Bau des neuen Flughafenterminals in Lefkosa. Der Inselhauptstadt des Nordens gegeben. So spielen im Wahlkampf auch eher lokale Themen die Hauptrolle - neben Korruption die Wirtschaftsschwäche in Folge der Abhängigkeit von der türkischen Lira und die Arbeitslosigkeit. Die Überwindung der Teilung sei eher Sache des Präsidenten, meint Candan.
    "Trotzdem ist es wichtig, dass ihn die Regierung unterstützt. Im Moment regieren zwei rechte Parteien, die mit der Teilung zufrieden sind. Wir sind es aber nicht. Wir möchten mehr Stabilität, Wachstum und Wohlstand und denken, dass wir eine Lösung vorantreiben müssen."
    Türkei das einzige Fenster zur Außenwelt
    Candan ist Sohn von Flüchtlingen aus dem Inselsüden. Er studierte Politik und internationale Beziehungen in Istanbul und London, arbeitete anschließend für die EU-Kommission und vertritt im EU-Parlament die Interessen der türkischen Zyprer. Der 42-Jährige ist überzeugt, dass die meisten türkischen Zyprer für eine Vereinigung mit dem Inselsüden sind. Gescheitert sei die letzte Verhandlungsrunde an den Griechen. Die Türken seien kompromissbereit gewesen, ist Candan überzeugt.
    Dass wegen des internationalen Embargos die Türkei das einzige Fenster zur Außenwelt ist, sieht Candan mit Sorge, ebenso die vielen Moschee-Neubauten, die Ankara in Nordzypern finanziert.
    "Das ist eine delikate Angelegenheit. Auf der einen Seite erwarten die Nordzyprer, dass die Türkei sie schützt. Auf der anderen Seite wollen die Zyperntürken ihre eigene Kultur und ihren säkularen Lebensstil bewahren."
    Die Sicht der griechischen Zyprer
    Das wird auch auf der anderen Seite der Pufferzone beobachtet, die immer noch die Inselhauptstadt trennt. Dort hat Takis Hadjigiorgou sein Büro. Der ehemalige Journalist und heute Europa- Abgeordnete für die linksgerichteten AKEL sieht den türkischen Einfluss mit Sorge.
    "Natürlich beobachten wir die Parlamentswahlen im Norden. Allerdings nicht mit dem gleichen Interesse, wie wir die Präsidentschaftswahlen 2019 in der Türkei verfolgen werden. Denn die Mehrheit der griechischen Zyprer ist überzeugt, dass die Politik für die besetzte Zone in Ankara gemacht wird."
    Je länger eine Lösung auf sich warten lässt, desto größer wird der Einfluss der Türkei. Daran werden die Parlamentswahlen am 7. Januar kaum etwas ändern, egal wer gewinnt.