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Nouripour (Grüne) zum Handel mit dem Iran
"Es geht darum, das Atomabkommen zu erhalten"

Omid Nouripour, Außenpolitiker der Grünen, hält die Gründung des Schutzschirms INSTEX zum Erhalt der Geschäfte mit dem Iran und der Umgehung der US-Sanktionen für gut und richtig. Ohne diese Geschäfte würden die Hardliner im Iran das Atomabkommen in Frage stellen, sagte Nouripour im Dlf.

Omid Nouripour im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 01.02.2019
    Der Grünen-Politiker Omid Nouripour
    Der Grünen-Politiker Omid Nouripour (imago stock&people / Janine Schmitz)
    Tobias Armbrüster: Omid Nouripour ist außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, er ist gebürtiger Iraner und im Deutschen Bundestag einer der besten Kenner der iranischen Politik. Schönen guten Abend, Herr Nouripour!
    Omid Nouripour: Guten Abend!
    Armbrüster: Herr Nouripour, kann diese Gesellschaft das Atomabkommen mit dem Iran retten?
    Nouripour: Es ist sicherlich nicht ausreichend, nur diese Gesellschaft zu gründen, aber ohne dass es Geldtransfer gibt mit dem Iran, ist es sicher nicht denkbar. Die Iraner haben dieses Abkommen auch deswegen abgeschlossen, weil es immensen Druck gibt im Land, dass die soziale Frage geregelt wird, und es gibt massenweise Probleme auf dem Arbeitsmarkt, und wenn gar keine Geschäfte mehr gemacht werden können, dann werden die Hardliner immer wieder die Frage stellen, was haben wir denn überhaupt von dem Abkommen. Dann wäre das Abkommen weg. Deshalb ist es gut, dass es diese Gesellschaft gibt, auch wenn es ein bisschen spät kommt.
    Am wichtigsten sind jetzt die humanitären Geschäfte
    Armbrüster: Ist das denn jetzt wirklich eine Hilfe für die deutsche Wirtschaft, für deutsche Unternehmen, die Geschäfte machen wollen mit dem Iran?
    Nouripour: Es ist schon so, dass es viel einfacher wird, jetzt die Geschäfte zu machen, auch für die deutsche Wirtschaft. Allerdings war ja das meiste bisher unter den Tisch gefallen an Geschäften, weil die deutsche Wirtschaft auch in den Bereichen, die gar nicht sanktioniert sind, sich gar nicht getraut hat, Geschäfte zu machen. Es gibt eine sehr rationale Überlegung in allen Firmen, die mit dem Iran Geschäfte machen wollen, was ist denn eigentlich schwerwiegender, was ist denn größer, welcher Kuchen ist größer – das Geschäft mit dem Iran oder das Geschäft mit den USA. In fast allen Fällen ist es dann der zweite Kuchen, nämlich der amerikanische. Wenn man dann Angst haben muss, dass man den verliert, weil die Amerikaner scharf auf hiesige Geschäfte mit dem Iran reagieren, dann sieht man sich von selbst zurück. Dieses Problem wird von dieser Gesellschaft nicht zwingend aufgehoben, aber wenn das mal ein bisschen läuft, ist das absolut notwendig und gut, dass Firmen sehen, dass es auch geht, dass man mit dem Iran Geschäfte macht und dass das nicht alles zwingend von den Amerikanern sanktioniert werden kann. Aber das Wichtigste jetzt kurzfristig ist, dass jetzt endlich auch humanitäre Geschäfte, Verkäufe von Lebensmitteln, Verkäufe von Medikamenten und medizinischen Gütern, dass das jetzt einen geregelten Weg hat der Finanzierung, das ist gut und wichtig.
    Armbrüster: Wir hören jetzt nur spärliche Reaktionen, bis jetzt zumindest, aus dem Iran zur Gründung dieser Gesellschaft. Was würden Sie denn sagen, ist das genau das, was sich der Iran gewünscht hat?
    Nouripour: Na ja, die Iraner hatten die Illusion, dass wir komplett auffangen können, was die Amerikaner dort gerade tun. Das werden wir nicht können, und wie gesagt, bei den Reaktionen der europäischen Firmen, die ich vorhin beschrieben habe und die ich auch nachvollziehen kann, ist es wirklich nicht möglich, das zu machen. Vor allem haben die Europäer versprochen gehabt, dass diese Zweckgesellschaft kommt von Beginn quasi der harten Sanktion der Amerikaner, also vor Anfang November 2018, und wir sind jetzt ein bisschen später hinterher. Ich glaube, dass auf der iranischen Seite ein Stückchen der Glaube fehlt, dass diese Gesellschaft größere Auswirkungen haben kann, aber ich kann auch in Richtung Teheran appellieren, auch schon mal draufzuschauen, was das mit dem humanitären Geschäft macht. Es ist auch dort so gewesen, dass viele Pharmaunternehmen jetzt sich nicht getraut haben, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Es ist gut möglich, dass diese Zweckgesellschaft das ändert.
    Es geht nicht darum, Trotz zu zeigen
    Armbrüster: Herr Nouripour, diese Gründung dieser Gesellschaft soll ja auch eine Botschaft sein an die USA, speziell an Donald Trump, so ein bisschen nach dem Motto, wir Europäer, oder zumindest wir Deutsche, Briten und Franzosen, forcieren das, auch wenn ihr, die USA, den Iran mit diesen Sanktionen belegt. Funktioniert dieses Signal oder ist das nur ein kleiner Nadelstich für die USA?
    Nouripour: Ich glaube, dass es wichtig ist, jetzt auch noch mal den amerikanischen Freunden, die in diesen Fragen nicht immer unsere Freunde waren in den letzten Monaten, noch mal zu erklären, worum es geht. Es geht nicht darum, Trotz zu zeigen, es geht nicht darum, den Amerikanern jetzt mal eine lange Nase zu ziehen und zu sagen, ätsch, wir können auch. Es geht darum, das Atomabkommen zu erhalten, ein Abkommen, das Inspektionen ermöglicht, sodass es quasi sowas gibt wie ein Hindernis, dass der Iran, der in der Region viele schlimme Dinge tut und auch im eigenen Land eine katastrophale Menschenrechtsbilanz hat, dass dieses Land keine Atombombe bekommt.
    Armbrüster: Ja, aber das Ganze, Herr Nouripour, entschuldigen Sie, wenn ich Sie da unterbreche, das Ganze ist ja eine Reaktion auf das, was Donald Trump gemacht hat.
    Nouripour: Ja, natürlich. Wir haben ja, ich meine auch zwischen uns Parlamentariern, nicht nur auf Regierungsebene, ganz, ganz viel mit den Amerikanern geredet. Wir haben denen gesagt, Leute, ja, der Iran ist schwierig, aber der Iran mit Atombombe ist weit schwieriger in unserer Nachbarschaft, und deshalb ist es unser nationales und kontinentales Interesse, am Atomabkommen festzuhalten. Die Amerikaner haben immer mit den Schultern gezuckt, und dass jetzt wir nach acht Monaten Gesprächen mit den Amerikanern etwas tun müssen, um diese Interessen zu bewahren – es geht um Sicherheitsinteressen von uns und nicht der Amerikaner –, das müssen die Amerikaner verstehen. Aber noch mal, es geht nicht um Trotz, es geht nicht darum, dass wir den Amerikanern sagen, ätsch, wir gehen nicht mit, um Unabhängigkeit zu zeigen, es geht darum, dass es handfeste Gründe gibt, dieses Abkommen zu retten, und das ist gut, dass da jetzt diese Versuche existieren.
    Sehr, sehr rabiate Methode des Umgangs
    Armbrüster: Was sollte denn passieren, wenn die USA jetzt auch gegen diesen Schutzschirm Sanktionen verhängen oder wenn sie zum Beispiel gegen Mitarbeiter vorgehen, zum Beispiel wenn sie den Geschäftsführer dieser Zweckgesellschaft mit einer Einreisesperre belegen, wie sollten die Europäer dann reagieren?
    Nouripour: Na ja, wir haben ja Ähnliches schon auf eine dramatische Art und Weise bei SWIFT. SWIFT ist ja eine Gesellschaft, die den Zahlungsscheck ja mit Europa und in Europa mehr oder minder regelt. SWIFT unterliegt belgischem Recht, und das belgische Recht sagt eigentlich, nach Abstimmung auch mit den Europäern, mit den anderen europäischen Staaten, dass diese Firma nicht einfach so die Geschäfte mit dem Iran kappen kann. Wir hatten in der Vergangenheit tatsächlich, wie Sie beschrieben haben, die Situation, dass Manager von SWIFT in den USA dann auch plötzlich festgehalten wurden. Das ist wirklich eine sehr, sehr rabiate Methode des Umgangs, und das ist dann auch der Bereich, wo ich sagen würde, da sind wir keine Freunde mehr. Es ist denkbar, dass diese Gesellschaft tatsächlich auch so behandelt würde.
    Es ist denkbar, dass der Geschäftsführer nie wieder in die USA kann, aber ich glaube, dass gerade weil wir als drei Staaten diese Gesellschaft gegründet haben – es ist ja nicht per se eine Privatfirma –, dass wir dann auch klarmachen müssen, dass die Amerikaner da massiv reinschneiden in unsere Souveränität, und da werden wir miteinander auch dann reden müssen innerhalb Europas, wie wir dann tatsächlich mit einer solch unfreundlichen Aktion der Amerikaner umzugehen haben, die es zurzeit ja noch nicht gibt. Die Amerikaner drohen zurzeit viel, aber ich bin sehr gespannt, wie genau die reagieren werden. Auch die Amerikaner müssen wissen, dass sie die drei größten Staaten der Europäischen Union nicht einfach so brüskieren können, dass sie nämlich eine quasistaatliche Zweckgesellschaft plötzlich behandeln, als wäre es Huawei.
    Armbrüster: Sie haben es gesagt, Herr Nouripour, es sind drei Staaten, nur drei Staaten könnte man sagen, Deutschland, Frankreich, Großbritannien. Wenn wir uns die Europäische Union ansehen, ist das nicht ein bisschen wenig?
    Nouripour: Ich glaube, dass es klug ist, dass es diese drei Staaten sind. Erstens, weil das die drei Signatarstaaten sind des Atomabkommens, und zweitens, weil der Name Europäische Union in den USA eher noch mehr Reflexe schlechter Art ausruft. Ich habe selbst vorigen Sommer in den USA Gespräche geführt, auch im Weißen Haus mit Leuten, die mit dem Irandossier betraut waren, die haben den Namen Europäische Union nicht aussprechen können, ohne dass sie irgendwelche negativen Emotionen zeigen konnten. Ich glaube, dass diese Administration, die amerikanische Administration, die EU schlicht nicht versteht, und dieses Thema ist wichtig, und deshalb ist ein Thema, bei dem die Amerikaner extrem reflexartig und allergisch reagieren, vielleicht in Händen von drei Staaten, die aber das alles abgesprochen haben mit allen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, tatsächlich gar nicht so falsch.
    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk heute Abend, Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Vielen Dank für das Interview!
    Nouripour: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.