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"NSU-2.0"-Hassmails
Konkreter Verdacht gegen einen Polizisten in Frankfurt

In der Affäre um Hassmails mit der Unterschrift "NSU 2.0" hat die Polizei nun einen konkreten Verdacht. Ein aktiver Polizeibeamter soll Daten der späteren Mailempfänger an Polizeicomputern in Frankfurt/Main abgerufen haben. In den Ermittlungen gibt es auch eine konkrete Spur nach Russland.

Von Ludger Fittkau | 08.08.2020
1. Polizeirevier Frankfurt (Innenstadt) Die Polizeiwache steht im Zusammenhang mit Drohmails, die an zahlreiche Personen, darunter auch Politiker, verschicht wurden. Die Mails wurden mit "NSU 2.0" unterschrieben, die Personenbesogenen Daten der Empfänger wurden von Computern der Frankfurter Polizei angefragt. | Verwendung weltweit
Den Ermittlern zufolge wurden Daten der Mailempfänger von Frankfurter Polizeicomputern abgefragt (picture alliance / dpa / Daniel Kubirski)
Hassbotschaften und Todesdrohungen, überwiegend an Frauen, unterschrieben mit "NSU 2.0" – mehr als 80 solcher Drohmails sind bis dato an Personen des öffentlichen Lebens verschickt worden. Von wem, wird noch ermittelt. Daten der Betroffenen sind offenbar nicht nur von Polizeicomputern in Wiesbaden abgerufen worden, sondern auch aus Frankfurt. Dort haben die Ermittler jetzt einen aktiven Polizeibeamten im Verdacht.
Die in Frage kommenden Beamten in Wiesbaden werden bislang als Zeugen betrachtet, nicht als Verdächtige, berichtet Dlf-Korrespondent Ludger Fittkau. "Das Problem bei den Polizeicomputern hier in Hessen: Wenn man sich einmal eingeloggt hat, können auch Kolleginnen und Kollegen auf den Polizeistationen zugreifen. Das soll geändert werden. Aber das ist eben schwierig, dem einzelnen Polizisten etwas nachzuweisen."
Rechtsextreme in der Polizei - Vom Einzelfall zum Tatendrang
Rechtsextremismus in den eigenen Reihen? Deutschlands Polizeibehörden haben bei dem Thema lange abgewiegelt, doch inzwischen herrscht Tatendrang. Die Extremismus-Vorbeugung beginnt bereits bei den Polizeischülern – die auch lernen, wann sie eine Anweisung verweigern dürfen.
Hessen als Hotspot rechter Polizei-Umtriebe
Hessen steht laut einer Umfrage des "Spiegel" bei Bund und Ländern besonders schlecht da bei Verdachtsfällen rechter Umtriebe oder von Reichsbürger-Gedankengut in Polizeibehörden. Allein 70 der 400 erhobenen Fälle haben mit Hessen zu tun. "Das passt also zu auch dem Eindruck, dass hier in Hessen offenbar Polizeistrukturen sind, die anfällig sind für rechtes Gedankengut und auch entsprechend rechte Umtriebe", sagt der Hessen-Korrespondent Ludger Fittkau.
Die "NSU-2.0"-Mails beschäftigen auch den Außenminister Heiko Maas (SPD). Schon vergangenes Jahr waren Rechtshilfeersuchen an die USA und Russland gestellt werden, um die verschlüsselten Mails besser zurückverfolgen zu können.
Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende Die Linke im Bundestag
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Die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hat sich für eine schärfere Untersuchung rechter Strukturen in Sicherheitsbehörden ausgesprochen. Im Falle der Drohschreiben des sogenannten "NSU 2.0" seien Ermittlungen der Bundesanwaltschaft nötig, sagte Mohamed Ali im Dlf.
Bundesregierung soll Druck machen
"Jetzt hat man offenbar eine konkrete Spur nach Russland", berichtet Fittkau. "Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hat die Bundesregierung gebeten, die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), den Außenminister Heiko Maas (SPD) und auch den Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), sich in Moskau jetzt für eine beschleunigte Bearbeitung einzusetzen."
Der Rechtshilfeantrag von vergangenem Jahr versickert offenbar in Moskau, so Fittkau. "Und jetzt soll die Bundesregierung Druck machen, damit man an die Daten herankommen, um diese zu entschlüsseln."