Draußen herrscht dichter Nebel, das Schneetreiben in Nürnberg ist so arg, dass Peer Steinbrück ein paar Minuten zu spät landet.
Drinnen im Ofenwerk, einer Veranstaltungshalle mit viel Industriecharme warten 700 Menschen auf den Mann, der Bundeskanzler werden will. Sie warten - und sie erwarten etwas von dem Abend:
Ruth Lang:
"Dass er genauso Tacheles red wie im Fernsehen - weil ich ihn einfach gut finde."
Ruth Lang ist Handwerksmeisterin, seit vielen Jahren in der SPD und wie fast alle hier wünscht sie sich einen politischen Wechsel im Bund und in Bayern. Damit das etwas wird, hatte das Wahlkampfteam von Peer Steinbrück die Idee, den Spitzenkandidaten auf Länderreise zu schicken. Bis Mitte Mai will er alle 16 Bundesländer besuchen. Für die Reihe "Klartext" lädt der jeweilige SPD-Landesverband ein paar hundert Leute ein. Die dürfen fragen, und Steinbrück antwortet. Ohne große Rede vorweg.
Im Nürnberger Ofenwerk geraten die Kamerateams in Bewegung - der Spitzenkandidat ist da. Kurze Begrüßung, und dann geht's auch schon los mit den Fragen:
Ein Fragesteller:
"Wie will die SPD die Wahl gewinnen, wenn alle SPD-affinen Themen von CSU, CDU und FDP belegt werden?"
Peer Steinbrück:
"Da sag ich mal ganz frech die kommen auf unser Spielfeld. Halbes Jahr vor Toresschluss merken die, dass die SPD vielleicht mit bestimmten gesellschaftspolitischen Themen richtig liegt. Und man kann auch sagen: Am Abend werden die Faulen fleißig."
Die erste Steilvorlage für Steinbrück: Bankenregulierung und Lohnuntergrenzen - im Kreise der Genossen geißelt er den Themenklau der Regierungsparteien. Denn die SPD hat Bammel, dass sie im Spätsommer gleich zweimal untergeht: Erst in Bayern und dann im Bund.
Peer Steinbrück:
"Die SPD wird sehr deutlich machen müssen in einem konfrontativen, deshalb nicht unhöflichen oder randalierenden Wahlkampf, dass wir das Original sind."
In der knapp zweistündigen Fragerunde springen die Themen von der Lebensleistungsrente zum Verfassungsschutz, vom Mindestlohn zu Strafzöllen für chinesische Hersteller von Fotovoltaikmodulen. Hier und da ist Platz für ein bisschen Regierungsschelte einerseits und Selbstkritik andererseits, Stichwort Agenda 2010:
Peer Steinbrück:
"Dass es eine Fehlentwicklung gegeben hat, will ich nicht in Abrede stellen. Mit Blick auf die Entwicklung der atypischen Beschäftigung: Also Werkverträge, Leiharbeit, Minijobs, Zeitarbeit, Dumpinglöhne haben wir dort offenbar die Tür zu weit geöffnet."
Klartext reden - eine angenehme Aufgabe für Steinbrück im Nürnberger Ofenwerk. Im Publikum sitzen etwa Betriebsräte, Mitglieder des Nürnberger Integrationsrates oder der Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Autobahnraststätte Steigerwald.
Fragestellerin:
"Guten Morgen, äh, guten Abend. Meine Frage ist: Wird es unter Ihnen jemals eine bessere Zusammenarbeit mit der Linken geben?"
Peer Steinbrück:
"Die etwas brüske, aber hoffentlich nicht unhöfliche Antwort lautet: Nein."
Apropos Zusammenarbeit: Zwischen der SPD im Bund und der in Bayern soll die natürlich ganz eng sein, vor allem werde es um soziale Gerechtigkeit gehen, das betonen Christian Ude und Steinbrück einen Tag später vor Medienvertretern in München:
Peer Steinbrück:
"Ich werde alles tun, um auch Christian Ude für die Landtagswahl zu unterstützen. Weil natürlich der Ausgang einer Landtagswahl in Bayern am 15. September von einer erheblichen Bedeutung ist für die letzten sieben Tage und die Wegstrecke zur Bundestagswahl."
Die schwächelnde Bayern-SPD braucht ein passables Ergebnis, um der Gesamtpartei die Bundestagswahl nicht zu vermasseln. Bei der vergangenen Landtagswahl war sie auf 18,6 Prozent abgestürzt, ein Jahr später gab es das miserable Bundesergebnis von nur 23 Prozent für die SPD. Christian Ude will diesmal deutlich mehr holen, aber seine Prognose klingt etwas verquast:
Christian Ude:
"Ich wünsche mir, und das mache ich fast zu einem Versprechen, dass die rote Säule - wenn am Wahlabend des 15. September die Veränderungen der Parteien aufgezeigt werden, nach oben wächst und weiter wächst und noch ein bisschen wächst - und ich hoffe, dass es erst bei fünf Prozent endet. Das wäre dann schon eine schöne Vorlage für die Woche danach."
Im Klartext á la Steinbrück hätte das geheißen: fünf Prozent mehr als zuletzt, also 23 bis 24 Prozent. Ob das dann für einen Regierungswechsel in Bayern reicht, ist mehr als fraglich: Dessen ungeachtet verspricht Nordlicht Steinbrück, in der heißen Wahlkampfphase öfter im Süden Station zu machen. Christian Ude revanchiert sich postwendend: als Münchner, OB und Städtetagspräsident wisse, er den Kanzlerkandidaten bei der Gewerbesteuer, bei Städtebauförderung und Mieterschutz auf seiner Seite - das sei nicht selbstverständlich.
Christian Ude:
"Ich darf vielleicht ganz kurz begründen, warum ich ein Faible für den Finanzminister Steinbrück hatte und aus diesem Grund auch über seine Nominierung sehr erleichtert war. "
Sie reden sich gegenseitig stark. Peer Steinbrück und Christian Ude - sie brauchen sich. Aber, dass sie sich am jeweils anderen festklammern und womöglich gegenseitig in den Abgrund ziehen, den Eindruck wollen die beiden SPD-Spitzenkandidaten vermeiden:
Peer Steinbrück:
"Wir sind gesund genug beide selbstständig zu laufen und uns dabei auf die Schulter zu klopfen."
Drinnen im Ofenwerk, einer Veranstaltungshalle mit viel Industriecharme warten 700 Menschen auf den Mann, der Bundeskanzler werden will. Sie warten - und sie erwarten etwas von dem Abend:
Ruth Lang:
"Dass er genauso Tacheles red wie im Fernsehen - weil ich ihn einfach gut finde."
Ruth Lang ist Handwerksmeisterin, seit vielen Jahren in der SPD und wie fast alle hier wünscht sie sich einen politischen Wechsel im Bund und in Bayern. Damit das etwas wird, hatte das Wahlkampfteam von Peer Steinbrück die Idee, den Spitzenkandidaten auf Länderreise zu schicken. Bis Mitte Mai will er alle 16 Bundesländer besuchen. Für die Reihe "Klartext" lädt der jeweilige SPD-Landesverband ein paar hundert Leute ein. Die dürfen fragen, und Steinbrück antwortet. Ohne große Rede vorweg.
Im Nürnberger Ofenwerk geraten die Kamerateams in Bewegung - der Spitzenkandidat ist da. Kurze Begrüßung, und dann geht's auch schon los mit den Fragen:
Ein Fragesteller:
"Wie will die SPD die Wahl gewinnen, wenn alle SPD-affinen Themen von CSU, CDU und FDP belegt werden?"
Peer Steinbrück:
"Da sag ich mal ganz frech die kommen auf unser Spielfeld. Halbes Jahr vor Toresschluss merken die, dass die SPD vielleicht mit bestimmten gesellschaftspolitischen Themen richtig liegt. Und man kann auch sagen: Am Abend werden die Faulen fleißig."
Die erste Steilvorlage für Steinbrück: Bankenregulierung und Lohnuntergrenzen - im Kreise der Genossen geißelt er den Themenklau der Regierungsparteien. Denn die SPD hat Bammel, dass sie im Spätsommer gleich zweimal untergeht: Erst in Bayern und dann im Bund.
Peer Steinbrück:
"Die SPD wird sehr deutlich machen müssen in einem konfrontativen, deshalb nicht unhöflichen oder randalierenden Wahlkampf, dass wir das Original sind."
In der knapp zweistündigen Fragerunde springen die Themen von der Lebensleistungsrente zum Verfassungsschutz, vom Mindestlohn zu Strafzöllen für chinesische Hersteller von Fotovoltaikmodulen. Hier und da ist Platz für ein bisschen Regierungsschelte einerseits und Selbstkritik andererseits, Stichwort Agenda 2010:
Peer Steinbrück:
"Dass es eine Fehlentwicklung gegeben hat, will ich nicht in Abrede stellen. Mit Blick auf die Entwicklung der atypischen Beschäftigung: Also Werkverträge, Leiharbeit, Minijobs, Zeitarbeit, Dumpinglöhne haben wir dort offenbar die Tür zu weit geöffnet."
Klartext reden - eine angenehme Aufgabe für Steinbrück im Nürnberger Ofenwerk. Im Publikum sitzen etwa Betriebsräte, Mitglieder des Nürnberger Integrationsrates oder der Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Autobahnraststätte Steigerwald.
Fragestellerin:
"Guten Morgen, äh, guten Abend. Meine Frage ist: Wird es unter Ihnen jemals eine bessere Zusammenarbeit mit der Linken geben?"
Peer Steinbrück:
"Die etwas brüske, aber hoffentlich nicht unhöfliche Antwort lautet: Nein."
Apropos Zusammenarbeit: Zwischen der SPD im Bund und der in Bayern soll die natürlich ganz eng sein, vor allem werde es um soziale Gerechtigkeit gehen, das betonen Christian Ude und Steinbrück einen Tag später vor Medienvertretern in München:
Peer Steinbrück:
"Ich werde alles tun, um auch Christian Ude für die Landtagswahl zu unterstützen. Weil natürlich der Ausgang einer Landtagswahl in Bayern am 15. September von einer erheblichen Bedeutung ist für die letzten sieben Tage und die Wegstrecke zur Bundestagswahl."
Die schwächelnde Bayern-SPD braucht ein passables Ergebnis, um der Gesamtpartei die Bundestagswahl nicht zu vermasseln. Bei der vergangenen Landtagswahl war sie auf 18,6 Prozent abgestürzt, ein Jahr später gab es das miserable Bundesergebnis von nur 23 Prozent für die SPD. Christian Ude will diesmal deutlich mehr holen, aber seine Prognose klingt etwas verquast:
Christian Ude:
"Ich wünsche mir, und das mache ich fast zu einem Versprechen, dass die rote Säule - wenn am Wahlabend des 15. September die Veränderungen der Parteien aufgezeigt werden, nach oben wächst und weiter wächst und noch ein bisschen wächst - und ich hoffe, dass es erst bei fünf Prozent endet. Das wäre dann schon eine schöne Vorlage für die Woche danach."
Im Klartext á la Steinbrück hätte das geheißen: fünf Prozent mehr als zuletzt, also 23 bis 24 Prozent. Ob das dann für einen Regierungswechsel in Bayern reicht, ist mehr als fraglich: Dessen ungeachtet verspricht Nordlicht Steinbrück, in der heißen Wahlkampfphase öfter im Süden Station zu machen. Christian Ude revanchiert sich postwendend: als Münchner, OB und Städtetagspräsident wisse, er den Kanzlerkandidaten bei der Gewerbesteuer, bei Städtebauförderung und Mieterschutz auf seiner Seite - das sei nicht selbstverständlich.
Christian Ude:
"Ich darf vielleicht ganz kurz begründen, warum ich ein Faible für den Finanzminister Steinbrück hatte und aus diesem Grund auch über seine Nominierung sehr erleichtert war. "
Sie reden sich gegenseitig stark. Peer Steinbrück und Christian Ude - sie brauchen sich. Aber, dass sie sich am jeweils anderen festklammern und womöglich gegenseitig in den Abgrund ziehen, den Eindruck wollen die beiden SPD-Spitzenkandidaten vermeiden:
Peer Steinbrück:
"Wir sind gesund genug beide selbstständig zu laufen und uns dabei auf die Schulter zu klopfen."