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Obamania in Germany

Es war, als ob vor der Siegessäule ein politischer Heilsbringer vom Himmel herabgestiegen sei. Nicht nur die amerikanischen Fernsehsender, sondern auch ZDF und ARD übertrugen die Wahlkampfrede des designierten Präsidentschaftskandidaten Barack Obama live: ein Mediales Großereignis mitten im Sommerloch.

Von Klaus Deuse |
    Mit der Wahl dieses Veranstaltungsortes konnte der US-Präsidentschaftskandidat der demokratischen Partei wirklich zufrieden sein. Schließlich macht eine Siegessäule symbolisch global etwas her. An so einem Ort reden nämlich nur Sieger. Obama bekam jedenfalls prima Bilder für die US-Fernsehanstalten. Und auch das deutsche Fernsehen war aus dem Schneider. Mit Hilfe eines einzigen Mannes gelang es, das Sommerloch zu stopfen, wie Ulrich Deppendorf in der ARD irgendwie ungewollt preisgab:

    "Die Berliner strömen. Sie strömen in Massen. Das sind, ich sage auch, die Bilder, die - glaub ich - auch, die amerikanischen Kollegen haben wollen. Wir allerdings auch, muss ich sagen."

    Um es einmal salopp zu formulieren: Im Fernsehen war Obama los. Von heute auf morgen hatten diverse Sender ihr Programm umgekrempelt, so als ob vor der Siegessäule ein politischer Heilsbringer vom Himmel herabgestiegen sei. Selbst Klaus Kleber vom ZDF mochte seine Erwartungen kaum bremsen.

    "Guten Abend an einem herrlichen Abend unter dem strahlenden Himmel von Berlin, unter der Siegessäule am Großen Stern, da wo ein unwahrscheinlicher Hoffnungsträger, ein junger, noch sehr unerfahrener Senator aus Illinois gleich Berlin, Deutschland und der Welt seine Visionen von der Zukunft verkünden will."

    Die Rede Obamas ließ Deutschland für ein paar Stunden zum medialen Nabel der Welt mutieren. Das brachte offenbar selbst einen alten Fernseh-Hasen wie Ulli Deppendorf im Umfeld der Siegessäule aus der Fassung.

    "Sie erinnert und soll erinnern an die Siege der Preußen über die Deutschen, über die Dänen und Franzosen. Heute sind beide unsere Freunde. Deswegen erwarten auch viele hier eine große Rede von Barack Obama zur deutsch-franzö... amerikanischen Freundschaft."

    Und er verriet dem atemlos gebannten Fernsehzuschauer auch, was der große Freund der Deutschen und aller anderen Völker auf der Welt vor seiner Rede hinter der Siegessäule noch erledigen wollte.

    "Barack Obama wird dann hinter der Siegessäule sich kurz wahrscheinlich noch frisch machen."

    Und dann sprach Obama tatsächlich in die Mikrofone

    "Thank you to the citizens of Berlin."

    Knüpfte rhetorisch nicht ungeschickt an die Luftbrücke nach dem Zweiten Weltkrieg an:

    "Diese Stadt kennt besser als jede andere den Traum der Freiheit ... und blickte von Berlin aus in die globale Zukunft, um die wir alle kämpfen müssen. Menschen der Welt, richtet eure Augen auf Berlin."

    Er hat es nicht leicht gehabt, denn den Sturz der Mauer wie einst Reagan konnte er nicht einfordern. Vielleicht hätte Obama sagen sollen: "I am a little part of Germany" - oder so ähnlich. Denn mütterlicherseits stammt, wie Ahnenforscher festgestellt haben und deutsche Zeitungen in großen Lettern kolportieren, sein Ururururururur-Großvater aus Deutschland. Und damit steht mit 4,6875 Prozent sein deutscher Blutsanteil an dritter Stelle hinter dem kenianischen Volk der Luo und englischen Vorfahren.

    Mit dem Bekenntnis hätte er gleich ein Ticket für sämtliche deutschen Talkshows lösen können. Aber für Talkrunden bei Kerner, Lanz, Will oder Illner interessiert sich in den USA kein Aas.