Elke Durak: IWF und Weltbank haben vor wachsendem Hunger und sozialen Unruhen infolge der extremen Teuerungsrate bei Nahrungsmitteln und zunehmender Knappheit von Grundnahrungsmitteln gewarnt. Südostasien leidet unter den drastisch gestiegenen Preisen für Reis zum Beispiel, aber auch andere Nahrungsmittel. Die Philippinen sind besonders betroffen und die Regierung dort hat zu einem ASEAN-Gipfel aufgerufen - möglichst noch in diesem Monat, spätestens aber im Mai. Für Haiti ist es fast zu spät, was jedenfalls die politischen Folgen betrifft. Die sozialen Unruhen haben die Regierung aus dem Amt getrieben.
Soziale Unruhen vermeiden oder stoppen, Hunger und Unterernährung aufhalten oder beseitigen. Welches auch immer dabei Priorität hat bei IWF und Weltbank, beide großen Organisationen sahen sich veranlasst, deutlich zu warnen und zugleich Maßnahmen vorzuschlagen - zum Beispiel IWF-Direktor Strauss-Kahn.
Am Telefon ist der OECD-Direktor für Landwirtschaft Stefan Tangermann. Guten Tag Herr Tangermann!
Tangermann: Guten Tag Frau Durak!
Durak: Geld kann man nicht essen, aber wie eingesetzt könnte es helfen, der Nahrungsmittelknappheit zu begegnen?
Stefan Tangermann: Es kann kurzfristig zunächst mal helfen, wenn den Menschen, die jetzt nicht mehr in der Lage sind, sich Nahrungsmittel zu kaufen, weil die Preise einfach davongelaufen sind, Geld gegeben wird, damit sie diese hohen Preise finanzieren können. Also unmittelbare Kurzfristhilfe, Geld, damit Nahrung gekauft werden kann.
Geld kann aber auch eingesetzt werden, um längerfristig das Problem zu lösen, nämlich die Landwirtschaft zu fördern und die landwirtschaftliche Forschung in Schwung zu bringen.
Durak: Was ist denn bisher falsch gemacht worden in den Landwirtschaften dieser Welt und auch in der Forschung?
Tangermann: Es ist eigentlich nicht so sehr viel falsch gemacht worden. Wir haben eine unglückliche Zusammenkunft von unterschiedlichen Faktoren, die jetzt zu dieser Preisexplosion geführt haben. Einige davon haben zu tun mit natürlichen Entwicklungen, vor allen Dingen mit einer Reihe von Jahren mit schlechten Erträgen. Die waren wetterbedingt und nichts hätte daran geändert werden können, denn Regierungen können bisher Wetter noch nicht machen.
Es ist aber auch hinzu gekommen - und davon ist ja schon in den vergangenen Beiträgen dieser Sendung die Rede gewesen -, dass Regierungen in vielen Industrieländern angefangen haben, die Produktion von Biotreibstoffen zu fördern. Das hat dazu beigetragen, dass die Preise explodiert sind, und das ist Politik, die vielleicht noch einmal überprüft werden sollte.
Durak: Das mit den Biokraftstoffen ist aber eine kurzfristige Entscheidung gewesen. Ist das andere Problem nicht viel längerfristiger präsent?
Tangermann: Es sind kurzfristige und längerfristige Entwicklungen, die zusammen gekommen sind. Die Biotreibstoffe sind ja eine Zeit lang schon angelaufen und Regierungen haben über mehrere Jahre hin angefangen, sich dort neue Ziele zu setzen und tüchtig zu subventionieren. Über längere Zeit hin ist allerdings tatsächlich die Entwicklung der Landwirtschaft vor allen Dingen in vielen Entwicklungsländern vernachlässigt worden und das ist etwas, was sowohl die Politik in den Entwicklungsländern selber betrifft, die mehr Aufmerksamkeit auf ihre Landwirtschaft hätten richten sollen, als auch die Entwicklungshilfeorganisationen, die Entwicklungshilfe aus den reichen Ländern, die vielleicht nicht hinreichend darauf geachtet haben, dass der Landwirtschaft Priorität zukommt - sowohl als eine Quelle von zukünftigen Einkommen in den Entwicklungsländern als auch als Produzent von Lebensmitteln, die jetzt dringend notwendig sind.
Durak: Herr Tangermann, ziehen IWF und Weltbank jetzt so etwas wie eine politische Notbremse, wenn sie den ärmsten Ländern die drei Dinge anbieten: wirtschaftspolitische Beratung, technische Hilfe und eben auch Geld?
Tangermann: Das ist nicht nur eine Notbremse, sondern das ist etwas, was auch längerfristig notwendig sein wird. Die Preise, die jetzt so explodiert sind, lehren uns, dass dort tatsächlich eine Not ist. Insofern ist diese Marktentwicklung etwas, was vielleicht gerade noch zur rechten Zeit uns darauf aufmerksam macht, dass tatsächlich Umdenken erforderlich ist. Aber ich würde das, was Weltbank und IWF jetzt vorschlagen, nicht nur als eine kurzfristige Notbremsreaktion beschreiben, sondern tatsächlich als den Einstieg in Politiken, die auch längerfristig daran ausgerichtet sein sollten, den Agrarsektor stärker zu fördern.
Durak: Als Laie hat man so den Eindruck, das kommt ziemlich spät von diesen beiden großen und auch mächtigen Organisationen, von denen man ja zuvor auch immer gehört hat, dass sie doch recht restriktiv mit Entwicklungsländern umgehen.
Tangermann: Man kann der Weltbank glaube ich jetzt nicht den Vorwurf machen, dass sie nicht schon ein bisschen früher angefangen hätte, über ihre Politik in dieser Hinsicht nachzudenken. Sie hat im Herbst des vergangenen Jahres einen großen Bericht herausgebracht, in dem sie tatsächlich selber zu dem Schluss gekommen ist, wir müssen der Landwirtschaft eine neue Priorität in der Entwicklungspolitik geben. Und das war zu einer Zeit, als die Preise noch nicht angefangen hatten, in dem extremen Ausmaß zu explodieren, wie das jetzt der Fall ist. Also die Weltbank ist eigentlich gerade noch rechtzeitig selber darauf gekommen, dass offensichtlich für die Landwirtschaft mehr getan werden muss.
Durak: Können wir es uns leisten, auf Gentechnik zu verzichten, wenn so viele Menschen hungern und noch weiter hungern werden, denn so schnell lässt sich das Problem ja nicht beseitigen?
Tangermann: Ich denke auch in dieser Hinsicht müssen Positionen neu überdacht werden - insbesondere auch in Europa, wo die Vorsicht vielleicht ein bisschen zu stark ausgeprägt ist vor solchen modernen Entwicklungen der Biotechnologie, die durchaus dazu beitragen können, das Produktionspotenzial der Weltlandwirtschaft stärker zu nutzen und vor allem auch so zu produzieren, dass Witterungsschwankungen nicht in gleicher Weise auch zu Ertragsschwankungen führen. Beispielsweise kann moderne Biotechnologie eben auch mit genveränderten Produkten in stärkerem Maße dazu beitragen, gegen Dürren etwa resistente Pflanzen zu produzieren, die uns dann nicht noch mal wieder so vom Wetter abhängig machen, wie das jetzt in den letzten Jahren mit den Welternten der Fall gewesen ist.
Durak: Sollte da die Bundesregierung nachziehen?
Tangermann: Es wäre glaube ich sehr hilfreich, wenn die Politik einen Beitrag dazu leisten könnte, dass Menschen sich etwas gelassener mit dieser Thematik befassen. Wir in Europa allgemein, aber auch in Deutschland sind wohl geneigt, ein bisschen zu sehr vorsichtig zu sein in dieser Hinsicht. Das ist ein Luxus, den wir uns vielleicht leisten können, aber den die Welt insgesamt sich in dieser Situation nicht mehr leisten sollte.
Durak: Brot, Bier und Brötchen werden teurer (auch in Deutschland), wird schon gemeldet, weil die Weizenpreise ja steigen. Das wird den Discountern helfen.
Tangermann: Das ist etwas, was quer durch den gesamten Lebensmitteleinzelhandelssektor Wirkung haben wird. Aber in Deutschland, wo ohnehin ja eine starke Neigung geherrscht hat und weiterhin herrscht, deutlich auf die Preise zu achten, werden natürlich diejenigen, die zu besonders günstigen Preisen anbieten können, in Zukunft ganz besonders Aufmerksamkeit bei den Kunden finden.
Durak: Kleiner Schlenker zum Schluss nach Deutschland war das. Stefan Tangermann, OECD-Direktor für Landwirtschaft. Herr Tangermann, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Tangermann: Danke schön, Frau Durak!
Soziale Unruhen vermeiden oder stoppen, Hunger und Unterernährung aufhalten oder beseitigen. Welches auch immer dabei Priorität hat bei IWF und Weltbank, beide großen Organisationen sahen sich veranlasst, deutlich zu warnen und zugleich Maßnahmen vorzuschlagen - zum Beispiel IWF-Direktor Strauss-Kahn.
Am Telefon ist der OECD-Direktor für Landwirtschaft Stefan Tangermann. Guten Tag Herr Tangermann!
Tangermann: Guten Tag Frau Durak!
Durak: Geld kann man nicht essen, aber wie eingesetzt könnte es helfen, der Nahrungsmittelknappheit zu begegnen?
Stefan Tangermann: Es kann kurzfristig zunächst mal helfen, wenn den Menschen, die jetzt nicht mehr in der Lage sind, sich Nahrungsmittel zu kaufen, weil die Preise einfach davongelaufen sind, Geld gegeben wird, damit sie diese hohen Preise finanzieren können. Also unmittelbare Kurzfristhilfe, Geld, damit Nahrung gekauft werden kann.
Geld kann aber auch eingesetzt werden, um längerfristig das Problem zu lösen, nämlich die Landwirtschaft zu fördern und die landwirtschaftliche Forschung in Schwung zu bringen.
Durak: Was ist denn bisher falsch gemacht worden in den Landwirtschaften dieser Welt und auch in der Forschung?
Tangermann: Es ist eigentlich nicht so sehr viel falsch gemacht worden. Wir haben eine unglückliche Zusammenkunft von unterschiedlichen Faktoren, die jetzt zu dieser Preisexplosion geführt haben. Einige davon haben zu tun mit natürlichen Entwicklungen, vor allen Dingen mit einer Reihe von Jahren mit schlechten Erträgen. Die waren wetterbedingt und nichts hätte daran geändert werden können, denn Regierungen können bisher Wetter noch nicht machen.
Es ist aber auch hinzu gekommen - und davon ist ja schon in den vergangenen Beiträgen dieser Sendung die Rede gewesen -, dass Regierungen in vielen Industrieländern angefangen haben, die Produktion von Biotreibstoffen zu fördern. Das hat dazu beigetragen, dass die Preise explodiert sind, und das ist Politik, die vielleicht noch einmal überprüft werden sollte.
Durak: Das mit den Biokraftstoffen ist aber eine kurzfristige Entscheidung gewesen. Ist das andere Problem nicht viel längerfristiger präsent?
Tangermann: Es sind kurzfristige und längerfristige Entwicklungen, die zusammen gekommen sind. Die Biotreibstoffe sind ja eine Zeit lang schon angelaufen und Regierungen haben über mehrere Jahre hin angefangen, sich dort neue Ziele zu setzen und tüchtig zu subventionieren. Über längere Zeit hin ist allerdings tatsächlich die Entwicklung der Landwirtschaft vor allen Dingen in vielen Entwicklungsländern vernachlässigt worden und das ist etwas, was sowohl die Politik in den Entwicklungsländern selber betrifft, die mehr Aufmerksamkeit auf ihre Landwirtschaft hätten richten sollen, als auch die Entwicklungshilfeorganisationen, die Entwicklungshilfe aus den reichen Ländern, die vielleicht nicht hinreichend darauf geachtet haben, dass der Landwirtschaft Priorität zukommt - sowohl als eine Quelle von zukünftigen Einkommen in den Entwicklungsländern als auch als Produzent von Lebensmitteln, die jetzt dringend notwendig sind.
Durak: Herr Tangermann, ziehen IWF und Weltbank jetzt so etwas wie eine politische Notbremse, wenn sie den ärmsten Ländern die drei Dinge anbieten: wirtschaftspolitische Beratung, technische Hilfe und eben auch Geld?
Tangermann: Das ist nicht nur eine Notbremse, sondern das ist etwas, was auch längerfristig notwendig sein wird. Die Preise, die jetzt so explodiert sind, lehren uns, dass dort tatsächlich eine Not ist. Insofern ist diese Marktentwicklung etwas, was vielleicht gerade noch zur rechten Zeit uns darauf aufmerksam macht, dass tatsächlich Umdenken erforderlich ist. Aber ich würde das, was Weltbank und IWF jetzt vorschlagen, nicht nur als eine kurzfristige Notbremsreaktion beschreiben, sondern tatsächlich als den Einstieg in Politiken, die auch längerfristig daran ausgerichtet sein sollten, den Agrarsektor stärker zu fördern.
Durak: Als Laie hat man so den Eindruck, das kommt ziemlich spät von diesen beiden großen und auch mächtigen Organisationen, von denen man ja zuvor auch immer gehört hat, dass sie doch recht restriktiv mit Entwicklungsländern umgehen.
Tangermann: Man kann der Weltbank glaube ich jetzt nicht den Vorwurf machen, dass sie nicht schon ein bisschen früher angefangen hätte, über ihre Politik in dieser Hinsicht nachzudenken. Sie hat im Herbst des vergangenen Jahres einen großen Bericht herausgebracht, in dem sie tatsächlich selber zu dem Schluss gekommen ist, wir müssen der Landwirtschaft eine neue Priorität in der Entwicklungspolitik geben. Und das war zu einer Zeit, als die Preise noch nicht angefangen hatten, in dem extremen Ausmaß zu explodieren, wie das jetzt der Fall ist. Also die Weltbank ist eigentlich gerade noch rechtzeitig selber darauf gekommen, dass offensichtlich für die Landwirtschaft mehr getan werden muss.
Durak: Können wir es uns leisten, auf Gentechnik zu verzichten, wenn so viele Menschen hungern und noch weiter hungern werden, denn so schnell lässt sich das Problem ja nicht beseitigen?
Tangermann: Ich denke auch in dieser Hinsicht müssen Positionen neu überdacht werden - insbesondere auch in Europa, wo die Vorsicht vielleicht ein bisschen zu stark ausgeprägt ist vor solchen modernen Entwicklungen der Biotechnologie, die durchaus dazu beitragen können, das Produktionspotenzial der Weltlandwirtschaft stärker zu nutzen und vor allem auch so zu produzieren, dass Witterungsschwankungen nicht in gleicher Weise auch zu Ertragsschwankungen führen. Beispielsweise kann moderne Biotechnologie eben auch mit genveränderten Produkten in stärkerem Maße dazu beitragen, gegen Dürren etwa resistente Pflanzen zu produzieren, die uns dann nicht noch mal wieder so vom Wetter abhängig machen, wie das jetzt in den letzten Jahren mit den Welternten der Fall gewesen ist.
Durak: Sollte da die Bundesregierung nachziehen?
Tangermann: Es wäre glaube ich sehr hilfreich, wenn die Politik einen Beitrag dazu leisten könnte, dass Menschen sich etwas gelassener mit dieser Thematik befassen. Wir in Europa allgemein, aber auch in Deutschland sind wohl geneigt, ein bisschen zu sehr vorsichtig zu sein in dieser Hinsicht. Das ist ein Luxus, den wir uns vielleicht leisten können, aber den die Welt insgesamt sich in dieser Situation nicht mehr leisten sollte.
Durak: Brot, Bier und Brötchen werden teurer (auch in Deutschland), wird schon gemeldet, weil die Weizenpreise ja steigen. Das wird den Discountern helfen.
Tangermann: Das ist etwas, was quer durch den gesamten Lebensmitteleinzelhandelssektor Wirkung haben wird. Aber in Deutschland, wo ohnehin ja eine starke Neigung geherrscht hat und weiterhin herrscht, deutlich auf die Preise zu achten, werden natürlich diejenigen, die zu besonders günstigen Preisen anbieten können, in Zukunft ganz besonders Aufmerksamkeit bei den Kunden finden.
Durak: Kleiner Schlenker zum Schluss nach Deutschland war das. Stefan Tangermann, OECD-Direktor für Landwirtschaft. Herr Tangermann, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Tangermann: Danke schön, Frau Durak!