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Steinbrück verspricht Hilfe in Nahrungsmittelkrise

Weltbank und Internationaler Währungsfonds wollen angesichts der Preisexplosion bei Nahrungsmitteln fast 320 Millionen Euro für ein Hilfsprogramm gegen den weltweiten Hunger zur Verfügung zu stellen. "Deutschland wird sich einem solchen Krisenmanagement nicht entziehen", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Einen möglichen Betrag zur Beteiligung nannte er nicht.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Keine Entwarnung für die Finanzmärkte: Weltbank, Internationaler Währungsfonds und die Finanzminister der sieben wichtigsten Industrienationen haben am Wochenende in Washington betont: Die Krise ist noch lange nicht vorbei. Kurzfristig sei nicht mit einer Besserung zu rechnen. Und sie warnen vor einer Nahrungsmittelkatastrophe und vor Hungerrevolten angesichts explodierender Grundnahrungspreise. Besonders nachdringlich warnt der Chef des IWF.

    Zurück aus Washington und nun im Deutschlandfunk am Telefon der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Guten Morgen, Herr Steinbrück!

    Peer Steinbrück: Schönen guten Morgen!

    Spengler: Was die Finanzmärkte angeht, haben die G7-Staaten, die IWF, die Weltbank keine Entwarnung geben wollen, sondern die Banken aufgefordert, die Transparenz des Finanzsektors endlich zu verbessern und das Risikomanagement zu stärken. Ist das so hilflos, wie es klingt?

    Steinbrück: Nein, das ist nicht hilflos, und ich teile Ihre Einschätzung auch nicht. Das eine ist die Analyse; das andere ist die Tatsache, dass das sogenannte Financial Stability Forum einen sehr konkreten Bericht mit sehr konkreten Maßnahmen vorgelegt hat, die sich erstrecken auf eine Stärkung des Kapitals, Liquidität des Risikomanagements, auf die erhöhte Transparenz.

    Spengler: Was ist das genau, erhöhte Transparenz? Was meint das?

    Steinbrück: Na ja, dass mehr Informationen bereitgestellt werden, dass die Marktteilnehmer ihr Risikoprofil erstellen können. Wir haben es mit sehr komplexen Fragen zu tun. Nehmen wir ein Beispiel: Zunehmend sind verschiedene Schulden verbrieft worden in sehr strukturierten und sehr komplizierten Produkten. Das ist quasi wie eine Schultüte, in der sehr viele angenehme Dinge drin sind, aber es sind auch Knallfrösche drin, die einem um die Ohren fliegen können.

    Spengler: Faule Kredite zum Beispiel?

    Steinbrück: Faule Kredite, faule Hypothekenkredite, faule Konsumentenkredite. Keiner weiß genau, wo die drinstecken, und plötzlich springen die einen an wie das Ungeheuer von Loch Ness, weil man einfach nicht weiß, dass die da drin sind. Da geht es also um Offenlegung dessen, was ist in diesen Verbriefungen eigentlich drin?

    Spengler: Aber solche Transparenz, Herr Steinbrück, würde nicht gegen Zocker in privaten und öffentlich-rechtlichen Banken helfen oder?

    Steinbrück: Nein. Aber das ist das Zweite, dass zum Beispiel solche Engagements mit mehr Eigenkapital der Kreditinstitute unterlegt werden müssen. Das hätte einen sehr disziplinierenden Charakter, dass bestimmte Bankmanager eben nicht sehr leichtfüßig in risikobehaftete Produkte oder Engagements hineingehen, ohne dass deshalb Eigenkapital bereitgestellt werden muss. Also worauf ich hinaus will ist, dass dieses Financial Stability Forum dann einstimmig unterstützt von dem Kreis der G7-Finanzminister, wie ich finde, einen bemerkenswerten Schritt unternommen haben in Washington.

    Spengler: Das heißt, Sie können die Finanzkrise eindämmen?

    Steinbrück: Es geht darum, etwas jedenfalls zukünftig zu vermeiden, was wir jetzt im Augenblick erleben über das Krisenmanagement der derzeitigen Bankenkrise hinaus.

    Spengler: Nun kommt zu dieser Finanzmarktkrise die Nahrungsmittelkrise hinzu mit den explodierenden Preisen für Mais oder Weizen oder Reis und den weltweiten Unruhen. Sie haben gesagt ein Monster. Die Weltbank will das Monster mit Geld bekämpfen und verlangt 320 Millionen Euro Soforthilfe. Können Sie etwas dazu beisteuern? Haben Sie Geld übrig?

    Steinbrück: Das ist eine internationale Aktion, die Robert Zoellick als der Präsident der Weltbank jetzt für richtig hält. Man muss sich darüber unterhalten, wie das funktioniert.

    Spengler: Er hat ja eben gesagt, das haben wir aus dem Bericht entnommen, man soll sich nicht zu lange unterhalten.

    Steinbrück: Ja, richtig. Nur an dieser Weltbank und an den Entscheidungen sind viele Länder beteiligt. Deutschland wird sich einem solchen Krisenmanagement nicht entziehen. Die Frage ist, über welche Summen wir reden.

    Spengler: Über welche Summen reden wir?

    Steinbrück: Das weiß ich nicht. Es geht ja weiter. Sie werden ja nicht erwarten können von mir, dass ich heute in einem solchen Telefongespräch dreistellige oder vierstellige Millionenangebote mache.

    Spengler: Doch, das hatte ich eigentlich erwartet.

    Steinbrück: Ja. Das ist ein bisschen naiv.

    Spengler: Na gut. Wäre es denn als ein Schritt, den wir gehen könnten, um dieser Nahrungsmittelkrise gegenzusteuern, nicht notwendig, diese ganze Biosprit-Idee über den Haufen zu werfen?

    Steinbrück: Ja. Die stellt sich in einem sehr viel anderen Licht dar, als viele Befürworter das in den vergangenen Monaten und Jahren dargestellt haben. Die Ursache für diese Nahrungsmittelkrise ist ziemlich eindeutig: Es sind veränderte Nachfragestrukturen. Es ist auch, was eigentlich eine erfreuliche Entwicklung ist, ein gewisser zugenommener Wohlstand in Ländern der Dritten Welt, was dazu geführt hat, dass man eventuell pro Tag nicht nur eine Mais-Mahlzeit nehmen kann, sondern vielleicht zwei. Und es ist insbesondere auch die Tatsache, dass Flächen umgewandelt worden sind von Nahrungsmittelproduktion in Biofuel-Flächen, was erkennbar dazu führt, dass wir es mit Verknappung zu tun haben.

    Spengler: Nun haben die Umweltminister der Europäischen Union gerade vor wenigen Tagen ihre Position mit dem Biosprit bekräftigt. Das ist ein falsches Signal, oder?

    Steinbrück: Ja. Ich glaube, dass wir da auf Konflikte hinauslaufen. Denn das Zitat, das insbesondere Dominique Strauss-Kahn auch in Ihrer Sendung gebracht hat, ist ein beeindruckendes Zitat des indischen Finanzministers gewesen in einer morgendlichen Sitzung, die wir gehabt haben, wo er wörtlich davon sprach, dass die Umwandlung von Flächen zur Nahrungsmittelproduktion in Flächen, die für Biokraftstoff bereitgestellt werden sollen, ein Verbrechen an der Menschheit ist. Das war von ihm sehr eindrucksvoll vorgetragen.

    Spengler: Die Nahrungsmittelkrise ist eigentlich Rückenwind für Ihre Parteifreundin Wieczorek-Zeul, die Bundesentwicklungshilfeministerin. Der wollen Sie aber Ihren Etat zusammenstreichen. Können Sie das noch aufrecht erhalten?

    Steinbrück: Nein. Es geht darum, dass wir zwei oder drei Zielsetzungen versuchen müssen zur gleichen Zeit zu verbinden. Das ist eine, die Zielsetzung, die ist überwölbend, dass diese Bundesregierung einen generationsgerechten Haushalt vorlegen muss. Das heißt, dass wir nachfolgende Generationen nicht immer mit einer weitergehenden Verschuldung belasten. Und das heißt, wir halten fest an der Zielsetzung, 2011 die Nettokreditaufnahme auf null zu bringen.

    Die zweite Zielsetzung ist, dass es dabei darum geht, auch unseren Gestaltungsanspruch nicht zu verlieren und, sagen wir mal, Impulse zu geben für wichtige Investitionen. Das hat die Bundesregierung in den letzten Jahren, in den letzten zwei bis drei Jahren ganz gut geschafft.

    Und das dritte ist, dass wir auch internationale Verpflichtungen haben. Das müssen wir unter einem Dach zusammenführen. Was nicht geht, dass einzelne Ressorts jenseits dessen, was wir bisher an Linie beschlossen haben, Haushaltsanmeldungen vornehmen. Darüber muss man reden, und das kann konfliktreich sein.

    Spengler: Nun sagt die Entwicklungshilfeministerin, sie hält sich genau an das, was beschlossen worden ist. Sie stockt um 750 Millionen ihren Haushalt auf. Das sind die Verpflichtungen beim G8-Gipfel in Heiligendamm, zu denen auch Sie sich bekannt haben. Bedauern Sie das inzwischen?

    Steinbrück: Nein, das bedauere ich nicht. Das ändert aber nichts daran, dass man versuchen muss, bestimmte Puzzle-Steine oder Domino-Steine in eine Reihe zu bringen. Sich einfach auf den Standpunkt zurückzuziehen, das ist verkündet oder das haben wir auf internationalen Veranstaltungen zugesagt, ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, was das Kabinett auch festgelegt hat an mittelfristiger Finanzplanung, das geht nicht.

    Spengler: Das heißt, den gerügten Kollegen empfehlen Sie, dann spart eben an anderer Stelle.

    Steinbrück: Zum Beispiel oder jedenfalls sich mit einzufädeln in eine gemeinsame Linie des Kabinetts, die darauf hinausläuft, 2011 nicht den Haushalt zu sprengen.

    Spengler: Stimmt es, was der "Spiegel" meldet, dass alle Etats von Ihnen zusammengestrichen werden und eben nicht einzelne herausgegriffen werden?

    Steinbrück: Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mit allen Vertretern meines Kabinetts Chefgespräche zu führen habe, um nach Sparmöglichkeiten zu gucken.

    Spengler: Die Konsolidierung hat Vorrang?

    Steinbrück: Die Konsolidierung ist ein wichtiges Markenzeichen dieser Regierung. Es ist ein Kompetenzausweis, und mein Eindruck ist, dass viele Menschen in Deutschland dies auch erwarten, dass man nicht einfach leichtfüßig weiter in die Verschuldung hineingeht. Dies hat nicht nur etwas zu tun damit, dass man aus der Garotte hoher Zinszahlungen heraus will, sondern das hat etwas damit zu tun, dieses Land zukunftsfähig zu machen.

    Spengler: Wenn das nicht gelingt, kann daran eine Koalition scheitern oder auch nur ein Finanzminister?

    Steinbrück: Nein. Wir sind immer erst mal orientiert ins Gelingen und nicht ins Scheitern. Das ist die Reihenfolge. Es geht erst mal darum, Lösungen zu finden, und dann geht es immer um die Frage was passiert, wenn du scheiterst. Wir Deutschen haben eine sehr große Neigung, immer uns darauf zu verlegen, dass das Wasserglas halb leer ist.

    Spengler: Muss man denn, damit es nicht scheitert, sondern gelingt, möglicherweise auch mal das alles mit einer Rücktrittsdrohung untermauern?

    Steinbrück: Wir sind ja nicht im Theater. Wir spielen ja hier nicht Drama.

    Spengler: Manchmal hat man schon den Eindruck, dass die Bühne ein Drama bietet.

    Steinbrück: Ja, aber eher im Sinne von Komödie.

    Spengler: Inhaltlich wurde Ihnen vor allen Dingen von Unionspolitikern Recht gegeben. Kritisiert wurde aber Ihr Stil, Ihre Ruppigkeit. CSU-Chef Huber hat gemeint, das sei eine unprofessionelle Konfliktstrategie. Bedauern Sie irgendetwas an diesem Stil?

    Steinbrück: Nein. Im Übrigen, man muss da auch aufpassen, dass man nicht immer irgendwelche Images angehaftet bekommt. Sie müssen das Verfahren sehen. Der Finanzminister in Gestalt seines Staatssekretärs gibt im Januar ein Aufstellungsschreiben zum Haushalt heraus. Das haben einige Ressorts nicht ernst genommen. Dann hat der Finanzminister und sein Staatssekretär im März darauf aufmerksam gemacht, also Leute, so geht es nicht, und hat darum gebeten, dass neue Anmeldungen erfolgen. Daran haben sich auch einige Ressorts nicht gehalten. Dann, sage ich, ist irgendwann mal der Zeitpunkt gekommen, wo es etwas lauter und etwas offensichtlicher wird, dass wir bisher unsere Aufgaben nicht richtig bewältigt haben. Ich bitte da Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten. Ursächlich sind einige Ressorts, die sich an diese Verabredung nicht gehalten haben, nicht der Finanzminister.

    Spengler: Ein letztes Wort, Herr Steinbrück, zur Privatisierung der Bahn. Es heißt, Sie seien damit einverstanden, nur ein Viertel und nicht die Hälfte des Bahnbetriebs zu privatisieren, das was Kurt Beck offenbar jetzt vorschlagen will. Stimmt das?

    Steinbrück: Nein, nicht so schnell, sondern wir haben gestern, wie ich finde, einen sehr wichtigen und einen sehr einmütigen Vorstoß gemacht, der heute weiter beraten wird in der Arbeitsgruppe, wie die Struktur einer solchen Börsenkapitalisierung oder einer solchen Teilveräußerung der Bahn aussieht, um sie zukunftsfähig zu halten. Darüber bin ich sehr froh. Dies wird heute debattiert in einer Arbeitsgruppe. Dem will ich nicht vorgreifen. Vor allen Dingen will ich der Zusammenfassung von Kurt Beck nicht vorgreifen.

    Spengler: Aber Sie sind mit der Zusammenfassung einverstanden?

    Steinbrück: Ich bin sehr einverstanden mit dem, was gestern der engere Parteivorstand geschlossen vorgetragen hat, und halte es für wichtig, dass wir diese Linie gefunden haben.

    Spengler: Der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Steinbrück!

    Steinbrück: Ich danke Ihnen!