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Österreich
Van der Bellens Zeit als Bundespräsident beginnt

Alexander Van der Bellen wird heute in Österreich als Bundespräsident vereidigt. Der ehemalige Grünen-Chef ist in diesem Amt der erste, der nicht aus den traditionellen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP kommt. Als Staatsoberhaupt will er unter anderem Zeichen für die EU setzen.

Von Ralf Borchard | 26.01.2017
    Van der Bellen winkt freundlich mit der linken Hand vor einem blauen Hintergrund.
    Der künftige Bundespräsident Österreichs: Alexander Van der Bellen. (DPA/EPA/CHRISTIAN BRUNA)
    Als am Wahlabend Anfang Dezember nach der ersten Hochrechnung Jubel im Van-der-Bellen-Lager ausbrach, war klar: Ein Trend ist gebrochen. Während in vielen EU-Ländern Europaskeptiker und -gegner Oberwasser verspürten, in den USA Donald Trump gewählt worden war, entschied sich die Mehrheit der Österreicher gegen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und für den früheren Grünen-Parteichef Alexander Van der Bellen. Der sah in seiner Wahl ein Signal:
    "Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass von Wien aus ein rot-weiß-rotes Signal der Hoffnung und der positiven Veränderung durch Europa geht."
    Österreich ist klein, der Bundespräsident hat auch hier vorwiegend repräsentative Funktion, doch der 73-jährige Wirtschaftsprofessor will Zeichen setzen - für die EU:
    "Österreich braucht die Union, Österreich braucht offene Grenzen, Österreich braucht sicher keine Re-Nationalisierung. Wir sind eine Exportnation, wir brauchen den freien Handel."
    Deutlich mehr Kompetenzen als in Deutschland hat der Bundespräsident in Österreich bei der Regierungsbildung. Das könnte bald relevant werden, die Koalition liegt im Dauerstreit, SPÖ-Kanzler Christian Kern hat der ÖVP bis morgen, Freitag, ein Ultimatum gestellt, einem neuen Regierungsprogramm zuzustimmen. Platzt die Koalition und kommt es zu vorgezogenen Neuwahlen, könnte laut Umfragen die rechte FPÖ stärkste Partei werden. Van der Bellen hat in der Frühphase seines Wahlkampfs betont: ein FPÖ Kanzler? Mit ihm nicht. Später hat er das relativiert:
    "Ich habe auch immer dazu gesagt, am Ende des Tages muss der Bundespräsident sich mit seinen Ansichten nicht durchsetzen."
    Die heutige Vereidigung – oder "Angelobung", wie es in Österreich heißt – ist jedenfalls ganz auf ihn ausgerichtet. Es ist ein tagesfüllendes Zeremoniell: Gelöbnisformel im Historischen Sitzungssaal des Parlaments, dann Van der Bellens erste Rede im Amt. Amtsvorgänger Heinz Fischer sagt:
    "Der Bundespräsident gibt eine Visitenkarte ab, er hält eine Rede vor einem ganz illustren Gremium, der Bundesversammlung und der Bundesregierung. Das, was er dort sagt, ist ein Programm."
    Es folgen: Militärischer Festakt auf dem Heldenplatz, Empfang von Van der Bellens Heimatbundesland Tirol, dann lässt sich der neue Präsident demonstrativ von Bürgerinnen und Bürgern zu Fuß in seinen Amtssitz, die Hofburg, begleiten. Dort bietet ihm – das ist so Tradition – die gesamte Regierung den Rücktritt an, was der Präsident traditionell ablehnt. Doch dann wird es schnell wieder realpolitisch, Van der Bellen dürfte sich mit Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zum Sechs-Augen-Gespräch hinter die Tapetentür seines Amtszimmers zurückziehen und ihnen ins Gewissen reden, schnelle Neuwahlen zu vermeiden. Amtsvorgänger Heinz Fischer:
    "So wie ich Bundespräsident Alexander Van der Bellen einschätze, wird er sich wahrscheinlich dieses Mittels neben anderen Möglichkeiten auch bedienen, weil es so naheliegend ist."
    Wenn dann der große Abschlussempfang naht, könnte für Van der Bellen ein Problem auftauchen. Wann hat er zwischendurch Zeit, eine zu rauchen? Er ist passionierter Raucher – und wird, wenn er sich erstmals allein im neuen Arbeitszimmer, dem früheren Schlafzimmer Maria Theresias, umsieht, wohl auch dafür eine Lösung finden.