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Offshore-Windpark ohne Stromanschluss

Bis 2020 sollen sich in der deutschen Nord- und Ostsee bis zu 2500 Windräder drehen. Doch wie den Strom aufs Festland kriegen? Hier hat die Politik zu wenig getan, kritisiert die Energiebranche. Bremen und Niedersachsen wollen jetzt in die Offensive gehen.

Von Christina Selzer | 21.02.2012
    Ein Besuch in Bremerhavens früherem Fischereihafen zeigt, was sich hier in den vergangenen Jahren getan hat. Auf dem Areal entstehen riesige Produktionsanlagen für Offshore-Windenergie. Namhafte Produzenten haben sich hier niedergelassen: Weserwind, Repower und Areva Wind, erläutert Ronny Meier von der Windenergieagentur, einem Branchenverband, in dem rund 300 Unternehmen zusammengeschlossen sind.

    "Das Besondere an der Region ist, dass sie einen kompletten Windpark bauen können. Sie bekommen hier die Fundamente, die Türme, die Rotorblätter, die Gondeln. Und wir haben die Logistik und die Hafenflächen."

    Nicht nur Bremerhaven will sich seinen Anteil am Geschäft sichern. Die gesamte Region setzt auf die Energiewende. Auch Cuxhaven und Emden wollen profitieren. Schon jetzt arbeiten im Nordwesten rund 5000 Beschäftigte in der Offshore-Industrie.

    Doch der Ausbau kommt ins Stocken. Probleme gibt es vor allem beim Netzanschluss für den auf See erzeugten Strom. Hier fehlt es nach Angaben der Unternehmen vor allem an Geld. Die Windparks muss der Netzbetreiber Tennet an das Stromnetz anschließen. Doch vor wenigen Tagen hatte Tennet angekündigt, am Ende seiner finanziellen Möglichkeiten zu sein und alle weiteren Ausbaupläne aufzuschieben. Auch der Energieversorger RWE warnte vor Verzögerungen. Ronny Meier von der Windenergieagentur fordert von der Bundesregierung mehr Unterstützung.

    "Der Netzbetreiber sagt, dass er alleine die Investitionssummen nicht stemmen kann. Das muss man ernst nehmen, das kann man nicht vom Tisch wischen. Wir als Branche sagen dann, wir müssen mit Bürgschaften und mit Krediten versuchen, diese Finanzklemme lösen."

    Zwar glaubt er nicht, dass die Ausbauziele der Bundesregierung noch erreicht werden können, doch jede weitere Verzögerung würde alle Beteiligten vor große Probleme stellen.

    Schon die Diskussion um die Verzögerungen beim seeseitigen Netzanschluss führe bei Investoren von Offshore-Windparks in der Zulieferindustrie und der gesamten maritimen Wirtschaft, die überwiegend aus Mittelständlern bestehe, zu großen Verunsicherungen, so Ronny Meier:

    "Wir erleben, dass der Markt, dass die Investoren, sehr verunsichert sind. Wir wollen von der Bundesregierung kein Geld geschenkt. Aber wir brauchen ein Signal der Sicherheit. Das könnte so aussehen, dass die Bundesregierung ein Teil des Risikos übernimmt, zum Beispiel das Haftungsrisiko. Das würde Sicherheit in den Markt zurückbringen und auch weitere Investoren anlocken."

    Bei einem Krisentreffen der Windbranche mit dem Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen von der SPD schilderten die Unternehmer die Probleme. Nun will Böhrnsen sich in Berlin für bessere Bedingungen einsetzen und fordert mehr Mittel vom Bund.

    "Wir stehen in der Gefahr, dass die Energiewende gegen die Wand fährt. Es ist fünf vor zwölf! Es ist zu Verzögerungen gekommen. Unter anderem ist die Finanzierung sehr schwierig. Deshalb die Forderung an die Bundesregierung: Hier muss mit Programmen der Kreditanstalt für Wiederaufbau beigetragen werden, dass die Rahmenbedingungen stimmen, unter denen Investoren die technologisch herausfordernde Aufgabe übernehmen, Windräder in der Nordsee zu installieren."

    Außerdem fordert der Bremer Regierungschef einen Bundes-Koordinator für die Energiewende. Damit könne endlich Schwung in die Wende kommen und das Zuständigkeitswirrwarr der Bundesministerien beendet werden. Bei der heutigen gemeinsamen Kabinettssitzung der Länder Bremen und Niedersachsen will Böhrnsen mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister eine gemeinsame Strategie beraten, um die Rahmenbedingungen für die Offshore-Windenergie zu verbessern. Und auch bei der nächsten Sitzung der norddeutschen Ministerpräsidenten im März soll das Thema zur Sprache kommen. Die Zeit drängt: Bis 2020 sollen sich in der deutschen Nord- und Ostsee bis zu 2500 Windräder drehen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.