Montag, 06. Mai 2024

Olympische Spiele 2024 in Paris
Wie die Ukraine Informationen zu russischen Sportlern sammelt

Bei den Olympischen Sommerspielen in Paris in knapp drei Monaten werden russische Sportler unter neutraler Flagge mit dabei sein. Die Bedingung: Sie dürfen den Krieg in der Ukraine nicht unterstützen und auch keine Verbindungen zu Russlands Militär haben. Jetzt sammeln die Ukrainer Belege, um das Gegenteil zu beweisen.

Von Maximilian Rieger | 20.04.2024
Russlands Spitzenringer Abdulrashid Sadulajew
Kriegsbefürworter und Olympiasieger: Russlands Spitzenringer Abdulrashid Sadulajew (picture alliance / United World Wrestling)
Seit mehr als einem Jahr befindet sich Artem Khudolieiev auf Spurensuche. Der ukrainische Journalist überwacht die Aktivitäten von russischen Sportlerinnen und Sportlern, vor allem in den Sozialen Netzwerken.
"Meine Hauptmotivation ist, dass keine russischen Sportler an den Olympischen Spielen teilnehmen sollen, die den Krieg in der Ukraine unterstützen. Denn wenn sie teilnehmen, dann werden sie die Sommerspiele zu einem Event machen, auf dem der Völkermord an den Ukrainern beworben wird."

Ukraine sucht Belege für Unterstützung des Krieges

Deswegen sucht Khudolieiev nach Belegen, ob russische Athletinnen und Athleten gegen die Kriterien des Internationalen Olympischen Komitees verstoßen – vor allem, ob sie den Krieg in der Ukraine unterstützen.
Weil keine Teams erlaubt sind und einige Verbände Russland weiterhin komplett ausschließen, werden sich laut IOC-Schätzung nur knapp 40 Athletinnen und Athleten sportlich für die Sommerspiele qualifizieren - bei den Spielen 2021 in Tokio waren es noch 335.
Ob die Athleten dann wirklich in Paris starten dürfen, entscheidet aber ein dreiköpfiges Gremium, erklärt der zuständige IOC-Direktor James Mcleod auf einer Pressekonferenz.

NOK der Ukraine als "beste Quelle" für Informationen über Russlands Athleten

"Das Panel wird sich Informationen aus allem möglichen Quellen angucken. Unter anderem wird eine unabhängige Firma für uns die Aktivitäten in den Sozialen Medien überwachen. Aber unsere beste Quelle ist wahrscheinlich gerade das Nationale Olympische Komitee der Ukraine."
Der ukrainische Sportdachverband und das ukrainische Sportministerium haben nämlich eine Arbeitsgruppe gebildet, um Informationen über russische Athleten zu sammeln - Artem Khudolieiev ist ein Mitglied davon. Die Informationen, die er und sein Team sammeln, werden dann an die Weltverbände und das IOC weitergeleitet.
Der stellvertretende Sportminister Andriy Chesnokow betont, wie wichtig diese Arbeit für die Ukraine ist."Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln, zusammen mit unseren Partnern, um es unmöglich zu machen, dass Kriegsunterstützer in Paris mit dabei sind. Und diese Arbeit werden wir auch während der Olympischen und Paralympischen Spiele fortsetzen."

Spitzenringer Sadulajew von Olympia-Qualifikation ausgeschlossen

Einen ersten Erfolg gibt es schon: Anfang April schließt der Weltverband fürs Ringen den zweifachen Olympiasieger Abdulrashid Sadulajew vom Qualifikationsturnier aus. Es seien neue Erkenntnisse dazu aufgetaucht, dass Sadulajew den Krieg in der Ukraine unterstütze und dass er immer noch Mitglied bei Dynamo Moskau sei – ein Verein mit engen Verbindungen zu russischen Geheimdiensten.
Sadulajew hatte im März 2022, kurz nach der russischen Invasion, an einer Großkundgebung in Moskau teilgenommen, auf der Vladimir Putin die Invasion der Ukraine verteidigt hat. Für den Präsidenten des Deutschen Ringer-Bundes, Jens-Peter Nettekoven, ein klarer Ausschlussgrund.
"Wenn man sich bei einer Propagandaveranstaltung für den Krieg, für Putin ausspricht, dann ist es halt so. Dann hat man sich dafür entschieden und dann entscheidet man sich leider auch gegen einen Start bei den Olympischen Spielen."

Ukrainische Rechercheure beklagen mangelnde Transparenz bei den Verbänden

Zudem hatte der russische Ringer auf Instagram ein Bild mit dem Symbol Z geliket. Beides war aber schon seit längerem bekannt. Was genau die neuen Erkenntnisse waren, die jetzt für den Ausschluss gesorgt haben, beantwortet der Weltverband auf Anfrage nicht. Andriy Chesnokow kritisiert diese mangelnde Transparenz. "Da wir nie eine Antwort vom Ringer-Weltverband auf unseren Brief erhalten haben, wissen wir nicht, welcher Maßstab angelegt wird."
Das ukrainische Sportministerium hatte nämlich in einem Brief an den Weltverband auch anderen russischen Ringerinnen und Ringern Kriegs-Unterstützung vorgeworfen. Der Weltverband, der für die Qualifikation zuständig ist, hat sie aber trotzdem zugelassen, einige haben sich für Paris qualifiziert.
Jens-Peter Nettekoven, der auch der sportpolitische Sprecher der CDU im Landtag von NRW ist, hält dieses Vorgehen für akzeptabel. "Wenn diese Kriterien erfüllt sind, dann ist es auch richtig, dass die Leute, die das erfüllen, auch starten. Und wenn es jetzt halt den Fall gibt, wo man geprüft hat und gesagt hat, der darf nicht starten, dann ist das auch in Ordnung für mich."

Abschließende Bewertung über Russlands Athleten liegt beim IOC

Die abschließende Bewertung führt jetzt das IOC durch. Aber auch dort ist man bis jetzt vage geblieben bei der Frage, welches Verhalten als Unterstützung des Krieges bewertet wird.
Der stellvertretende ukrainische Sportminister Chesnokow ist überzeugt: Die meisten russischen Sportlerinnen und Sportler, die sich qualifiziert haben, sind zu stark mit den staatlichen Sportstrukturen verbunden, um teilnehmen zu dürfen.
"Bei der einen oder anderen Gelegenheit werden sie bei einem Club von ZSKA oder von Dynamo auftauchen, bei einem Wettkampf, bei einer Versammlung. Da sagen sie dann etwas oder zeigen Symbole vor. Es ist einfach unmöglich für sie, sich aus dem Umfeld fernzuhalten, in dem sie so lange aktiv waren."
Die Rechercheure aus der Ukraine werden deswegen weiter vor allem die Sozialen Netzwerke und die russischen Sport-Websites überwachen. Und auch, wenn sich die Arbeitsgruppe gerade vor allem auf die möglichen Olympia-Teilnehmer konzentriert: Die Recherchen werden nach den Olympischen Spielen nicht aufhören, kündigt Chesnokow an.