Montag, 29. April 2024

Präsident Bach als Ziel
Warum Russland eine Diffamierungskampagne gegen das IOC fährt

Fake-Anrufe und Fake News: Das IOC sieht sich einer Diffamierungskampagne aus Russland ausgesetzt. Ziel ist Präsident Thomas Bach. Auslöser sei eine IOC-Entscheidung aus dem Jahr 2023 gewesen, sagte Russland-Expertin Gesine Dornblüth im Dlf.

Gesine Dornblüth und im Gespräch mit Benedikt Kaninski | 13.04.2024
IOC-Präsident Thomas Bach (l.) im Gespräch mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
IOC-Präsident Thomas Bach (l.) und Russlands Präsident Wladimir Putin 2019 in Minsk. Langen waren Bach und Putin Verbündete. Mittlerweile fährt Russland eine Diffamierungskampagne gegen das IOC. (imago images / ITAR-TASS / Sergei Bobylev via www.imago-images.de)
Lange Zeit war das Verhältnis zwischen Russland und dem Internationalen Olympischen Komitee sehr gut, doch inzwischen sieht sich das IOC nach eigenen Angaben einer verstärkten "Desinformations- und Diffamierungs-Kampagne" aus Russland ausgesetzt. So habe es Fake-Anrufe durch russische Trolle gegeben, die auch schon diverse Spitzenpolitiker reingelegt haben. Gefälschte Zitate und Mitteilungen seien in den sozialen Medien aufgetaucht, die angeblich vom IOC stammen sollten. 
Und IOC-Präsident Thomas Bach werde persönlich diskreditiert: Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums unterstellte ihm und dem IOC "Rassismus und Neonazismus".
Zugespitzt hatte sich der Konflikt, weil Russland erwogen hatte, sogenannte "Freundschaftsspiele" als mögliche Gegenveranstaltung zu den Olympischen Spielen abzuhalten. Als Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus nur als "neutrale individuelle Athleten" in Paris zugelassen und dürfen auch nicht an der Eröffnungszeremonie teilnehmen.

Angriffe kommen von Putin persönlich

Zurecht könne man von einer veritablen Diffamierungskampagne sprechen, sagte Gesine Dornblüth im Deutschlandfunk. Dornblüth ist Russland-Expertin und war lange aus Dlf-Korrespondentin in Moskau. "Die Angriffe sind vielgestaltig und koordiniert. Sie kommen von Putin persönlich, von seinem Sprecher und von ranghohen Regierungsvertretern."
So seien in russischen Telegram-Kanälen Falschnachrichten verbreitet worden. Dazu sollen IOC-Präsident Thomas Bach bei einem Fake-Anruf eines angeblichen afrikanischen Politikers unvorteilhafte Zitate entlockt worden sein, die anschließend durch die russische Presse gingen. "Auffällig ist: Es geht seit einigen Wochen gezielt gegen IOC-Präsident Bach persönlich", sagte Dornblüth.
Solche Methoden seien in Russland aber nichts Neues: "Solche Kampagnen gehören seit Jahren zum Handwerkszeug der russischen Führung. Westliche Politiker, auch deutsche, sind seit Jahren Ziel vergleichbarer Kampagnen, gerade auch mit Vorwurf „antirussisch“ zu sein. Nun hat es eben das IOC und seinen Präsidenten getroffen."

Bach war früher Verbündeter von Putin

Dabei fanden die Olympischen Winterspiele 2014 noch in Russland statt und Thomas Bach war eher noch ein Verbündeter von Putin. Danach gab es zwar immer wieder kleiner Zerwürfnisse, den großen Bruch sieht Dornblüth aber im Jahr 2023: "Das hat das IOC das russische Olympische Komitee ausgeschlossen, weil das ROK die vier regionalen Sportverbände in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine aufgenommen hat."
Das habe das IOC wiederum nicht anerkannt. "Daraufhin hat Putin den Erlass unterschrieben, die Organisation von sogenannten Freundschaftsspielen in Russland voranzutreiben, als Konkurrenzveranstaltung zu den Olympischen Spielen. Danach nahm die Diffamierungskampagne Fahrt auf", sagte Dornblüth.
Die Freundschaftsspiele seien auch der Grund, warum das IOC nun mit der Diffamierungskampagne an die Öffentlichkeit geht, so Dornblüth. "Kollegen vermuten, da sei das Monopol des IOC in Gefahr. Es gehe letztlich auch um Geld. Ich denke, ein Grund ist, dass Bach auch persönlich angegriffen wurde."

IOC sieht sich nicht als "Opfer"

Gegen den Begriff "Opfer" wehre sich das IOC aber, so die Ex-Korrespondentin. Stattdessen stelle IOC-Sprecher Christian Klaue die Angriffe als Beleg für einen "konsequenten Umgang" des IOC mit Russland seit 2016 dar. "Das ist aus meiner Sicht ziemlich husarisch", sagte Dornblüth. "Denn es gab ja all die Jahre permanente Kritik, auch von Sportverbänden, das IOC sei viel zu inkonsequent."
Das zeige sich unter anderem in der Diskussion über die Zulassungen russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen. "Der Sportausschuss des Bundestags hat sich damit befasst, dass erneut einige russische und belarussische Athletinnen und Athleten unter neutraler Flagge starten dürfen. Obmann Philip Krämer hat darauf hingewiesen, dass ukrainische Sportlerinnen und Sportler gegen Vertreter der angreifenden Nationen antreten müssen. Das IOC stelle die Teilnahme Einzelner über den kollektiven Schutz der ukrainischen Sportler", sagte Dornblüth. "Das dient als weiteres Beispiel für die Inkonsequenz des IOC."

Russland lädt Ukraine zu Freundschaftsspielen ein

Dass Russland einknickt und die Diffamierungskampagne stoppt, glaubt Dornblüth nicht. "Russland trifft weiter Vorbereitungen für die Freundschaftsspiele und hat dazu gerade ein einem perfiden Schritt auch die Ukraine eingeladen", sagte sie.
Das IOC bleibe "gewohnt vage": "Der Sprecher sagte, wie sich die Situation entwickeln wird, hänge auch von politischen Faktoren ab, auf die der Sport keinen Einfluss hat. Eine Strategie sieht anders aus, konsequentes Handel auch."