Rainer Maria Schießler ist einer der bekanntesten Pfarrer Bayerns. Er schreibt Bücher, tritt in Radio und Fernsehen auf, ist um einen Witz selten verlegen – auch nicht an Ostern. Denn in der Ausbildung habe sein Pfarrer ihm beigebracht:
"Musst dir merken für dein Leben: Ein Osterwitz ist oft schwieriger, aber wichtiger als eine Osterpredigt. Weil wenn du einen Witz erzählst und die Leute lachen nicht, dann geht der Schuss nach hinten los. Aber wenn sie lachen, dann hast du eine Kirche voller Menschen, die lachend in diesen Tag hinausgehen."
Rainer Maria Schießler ist Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Maximilian im Glockenbachviertel in München. Er ist auch in München aufgewachsen, und Süddeutschland ist die Region, in der das Osterlachen am weitesten verbreitet war und ist. Aber es war eine Zeitlang ziemlich in Vergessenheit geraten. Auch Schießler hat von dem Brauch erst als Erwachsener erfahren.
"Ich glaube, ich bin in einem sehr biederen Viertel großgeworden. Ich selber kenne es aus meiner Kindheit auch nicht. Da ist Ostern wohl ziemlich konventionell abgelaufen. Sondern ich habe es wirklich erst an meiner ersten Seelsorgestelle kennengelernt. Ich war bei einem urbayerischen Pfarrer auf dem Land draußen, und der hat gesagt: Wenn das schon so drinsteht – ja, auf Bayerisch – dann müssen wir was draus machen. Dann müssen wir die Leute zum Lachen bringen."
"Tod, wo ist dein Stachel?"
Wenn was wo "so drinsteht"? Vom Osterlachen steht nichts in der Bibel. Laut den Evangelien hat an Ostern niemand gelacht, schon gar nicht Jesus selbst. Die Auferstehung war eine freudige, aber ernste Angelegenheit. Aber:
"Also die biblische Wurzel, die liegt mit Sicherheit beim Apostel Paulus. Seine Worte werden ja an Ostern immer gerne vorgetragen. Wo er schon fast spöttisch hinausruft: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Also, er lacht den Tod aus."
Osterlachen, ganz einfach erklärt bedeutet das: Am Ostermorgen erzählt der Pfarrer einen Witz, um die Gemeinde zum Lachen zu bringen und so die Auferstehung zu feiern – erklärt Benny Grey Schuster. Er ist evangelischer Theologe und arbeitet für die dänische Volkskirche. Und er hat ein dickes Buch geschrieben über das Osterlachen. Es sei überraschend, dass dieser Brauch überhaupt entstanden ist, sagt Schuster. Denn früher habe es in der Kirche geheißen: Das Lachen kommt vom Teufel.
Brauch vor 500 bis 600 Jahren entstanden
Wann genau das Osterlachen aufkam, ist unklar. Wohl im späten Mittelalter, 14. oder 15. Jahrhundert. Es gibt keine Quellen, die belegen, dass jemand einst das Osterlachen selbst praktiziert habe, erklärt Schuster. Es werde lediglich aus zweiter oder dritter Hand kolportiert, dass in dieser oder jener Kirche an Ostern Witze erzählt worden seien. Zuerst hatte das Phänomen wohl auch keinen einheitlichen Namen. Den bekommt es 1518 – also zu Beginn der Reformationszeit – durch einen späteren Reformator: den Theologen und Humanisten Johannes Oekolampad aus Basel.
"And he calls it risus paschalis – Osterlachen."
Oekolampad hält zwar nicht viel vom Osterlachen. Doch schnell macht sein Begriff Karriere im neu entstehenden Protestantismus - um sich von dem Brauch abzugrenzen.
180-Grad-Wende beim Lachen in der Kirche
Das wollen wir in unserer Kirche nicht, das ist abscheulich, hätten die Protestanten damals gesagt, eine Verfälschung des christlichen Glaubens. Das Osterlachen wird so zu einem Streitfall, zu einer weiteren Trennlinie zwischen evangelischen Kirchen und manchen katholischen Gemeinden im süddeutschen Raum. Doch auch im katholischen Kontext verliert das Osterlachen nach der Reformation mehr und mehr an Bedeutung. Spätestens die Aufklärung macht Schluss mit dem Osterlachen, sagt Schuster. Da hätten dann sogar katholische Theologen darauf herabgeschaut.
Aber: Das ändert sich seit einigen Jahren wieder. Er googelt regelmäßig Begriffe wie Osterlachen oder das lateinische risus paschalis, erklärt Schuster. Und die Trefferzahl sei in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Das Interesse am Osterlachen wächst also offenbar wieder. Und zwar nicht nur in der katholischen Kirche, beobachtet der dänische Theologe, sondern auch in der evangelischen.
"… so now it seems to be an almost ecumenical interest in this phenomenon of laughter."
Heute trenne das Lachen die beiden Kirchen nicht mehr, wie noch zur Reformationszeit, meint Schuster. Im Gegenteil: Das Lachen verbinde. Trotzdem habe es aber auch etwas Trennendes: Es trenne moderne christliche Gemeinden von früheren. Denn jahrhundertelang sei es unvorstellbar gewesen, in der Kirche zu lachen. Da sei eine 180-Grad-Wende vollzogen worden – zumal in der Kirche heute ja nicht nur an Ostern gelacht werde.
"Jeder Sonntag ist ein Ostersonntag"
In Dänemark – und vermutlich auch in Deutschland – würden christliche Gemeinden heute an so gut wie jedem Sonntag auch mal lachen, meint Benny Grey Schuster. Noch vor 200 Jahren sei das völlig undenkbar gewesen. Doch in westlichen Kirchen gebe es heute gewissermaßen jeden Sonntag Osterlachen.
"… in most Christian western churches that I know of."
"Weil wir feiern ja nicht nur am Ostersonntag Ostern: Jeder Sonntag ist ein Ostersonntag", sagt auch der katholischer Pfarrer Rainer Maria Schießler:
"Und ich finde, die Liturgie, der Gottesdienst muss einfach immer dafür offen sein, dass die Menschen einmal herzlich lachen können, dass sie Beifall klatschen können, dass sie wirklich mit Leib und Seele mitgehen können. Und das tut einem Moderator, dem Priester da vorne sehr gut, wenn er auf diese Art und Weise in Dialog und in Kommunikation mit seiner Gemeinde tritt."
Was macht einen guten Osterwitz aus?
Auch der Münchner Pfarrer beobachtet, dass der Osterwitz und das Osterlachen immer beliebter werden: "Ich bemerke also in den letzten 20, 25 Jahren, dass selbst der Begriff risus paschalis ein gängiger Begriff unter Liturgen geworden ist." Und zwar nicht nur in der katholischen Kirche: "Die evangelische Kirche tut sich da sogar noch leichter, weil sie ja nicht diese strenge Agenda haben wie wir in unserer Liturgie."
Was also macht ihn aus, den guten Osterwitz?
"Vor allem die Spontaneität. Also dieses aus dem Leben gegriffene, diese Leichtigkeit. Genau das ist die Osterbotschaft: Wir dürfen uns sogar über die Schwere des Todes hinwegsetzen, weil dieses Thema für uns erledigt ist."
Und seinen nächsten Osterwitz? Den will Rainer Maria Schießler jetzt noch nicht verraten.
Buchhinweise
Benny Grey Schuster: Das Osterlachen. Darstellung der Kulturgeschichte und Theologie des Osterlachens sowie ein Essay über die kulturelle, kirchliche und theologische Verwandlung des Lachens. Igel Verlag 2019, 44 Euro.
Rainer Maria Schießler: Die Schießler-Bibel. Kraft für alle Lebenslagen. Kösel Verlag 2021, 22 Euro.
Benny Grey Schuster: Das Osterlachen. Darstellung der Kulturgeschichte und Theologie des Osterlachens sowie ein Essay über die kulturelle, kirchliche und theologische Verwandlung des Lachens. Igel Verlag 2019, 44 Euro.
Rainer Maria Schießler: Die Schießler-Bibel. Kraft für alle Lebenslagen. Kösel Verlag 2021, 22 Euro.