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Ostseepipeline spaltet Europa
Wird Nord Stream 2 zum Rohrkrepierer?

Bis Ende 2019 möchte der russische Energiekonzern Gazprom eine neue Erdgaspipeline durch die Ostsee nach Deutschland verlegen. Während die Röhren dafür bereits produziert werden, tobt innerhalb der EU ein heftiger Streit um das Projekt. Dabei geht es nicht nur um Gas, sondern auch um Geopolitik.

Von Jan-Uwe Stahr | 15.11.2017
    Im Beschichtungswerk für Pipeline-Rohre der Wasco Coatings Germanay GmbH in Mukran (Mecklenburg-Vorpommern) auf der Insel Rügen wird am 11.09.2017 die Ummantelung der Stahlrohre für die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 durchgeführt.
    Betonummantelungswerk der Wasco - Nord Stream 2 (dpa / picture alliance / Stefan Sauer)
    Ein Promotion-Video vom 24. April dieses Jahres: In einem Pariser Hotel haben sich Vertreter von fünf westeuropäischen und einem russischen Energiekonzern versammelt. Der Anlass: Die Unterzeichnung eines Finanzierungsabkommens für ein Milliardenprojekt - eine Pipeline, die Erdgas aus Nordsibirien durch die Ostsee nach Westeuropa leiten soll. Ihr Name: "Nord Stream 2". "Ein neues Kapitel in der europäischen Energiegeschichte wird hier geschrieben", sagt Altbundeskanzler Gerhard Schröder:
    "We are writing another chapter of European Energy history."
    Schröder fungiert als Verwaltungsrats-Vorsitzender der Nord Stream AG, eine Tochter der halbstaatlichen russischen Gazprom. Sie ist federführend bei dem Pipelineprojekt. Ihre Partner: die französische ENGIE, die britisch-niederländische Shell, OMV aus Österreich, sowie Uniper und Wintershall aus Deutschland.
    Jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter nordsibirisches Erdgas möchte Gazprom künftig durch die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern leiten. Und von da aus in die europäischen Gasnetze. Nord Stream 2 soll die Durchleitungsmenge der schon seit 2011 existierenden Nord Stream 1 noch einmal verdoppeln. Bis Ende 2019 soll Nord Stream 2 verlegt sein. Kosten: rund zehn Milliarden Euro.
    "Pipe-Production is moving forward at full speed. The contracts for pipe-lying have been signed and permitting-process has begun."
    Die neue Gaspipeline hat viele Gegner
    Die Röhrenproduktion laufe auf Hochtouren. Die Verträge seien unterschrieben. Die Genehmigungsprozesse in Gang gesetzt, sagt Nord Stream–Verwaltungsrat Gerhard Schröder. Seine Botschaft: alles in Sack und Tüten. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
    Altbundeskanzler Gerhard Schröder ist Mitglied im Aufsichtsrat von Rosneft ( 29.7.17) 
    Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat nun auch die Regie beim Aufsichtsrat des größten russischen Energiekonzern Rosneft übernommen (AFP PHOTO / Olga MALTSEVA)
    "Dieses Projekt zerstört die europäische Solidarität", mahnt ein polnischer EU-Parlamentarier.
    "Nord Stream 2 widerspricht sowohl dem Geist als auch den Absichten unserer Energieunion", klagt ein dänischer Abgeordneter.
    "Der Bau von Nord Stream 2 muss sofort gestoppt werden". Das ist die unüberhörbare Forderung aus dem Europäischen Parlament in Straßburg. Auch die Brüsseler EU-Kommission zählt zu den Kritikern des Pipeline-Projektes. Energie-Kommissar Miguel Cañete:
    "Nord Stream 2 macht vielen Vertretern dieses Hauses große Sorgen. Aber auch den Mitgliedsstaaten. Und ganz besonders den zentral- und osteuropäischen Mitgliedsländern."
    Auch jenseits des Atlantiks, in der amerikanischen Hauptstadt Washington, hat die neue Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland viele Gegner. Das Projekt ist politisch hoch brisant, so sieht man es bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, einem außen- und sicherheitspolitischen Thinktank der Bundesregierung:
    "Die Konflikte um die Nord Stream 2 haben jede Menge Sprengkraft innerhalb der EU, aber auch im transatlantischen Verhältnis und letztendlich auch im Verhältnis zu Russland selber."
    Es geht um Versorgungssicherheit und um Wettbewerb
    Sagt Politikforscherin Kirsten Westphal. Aus Sicht des nordwest-europäischen Gasmarktes ergäbe die neue Ostseepipeline ganz grundsätzlich einen wirtschaftlichen Sinn:
    "Weil wir eine direkte Verbindung zu den großen sibirischen Erdgasreserven bekommen, zu den neuen, also nicht mehr nur zu den alten Feldern, die sich erschöpfen. Sondern es sind ganz neue Felder und es war auch Teil jeder neuen Stufe in der Entwicklung des Gashandels mit dem Erschließen neuer Felder eine neue Infrastruktur zu bauen. Also das ist ein Muster, das wir aus der Vergangenheit kennen. Dann aber ist ganz wichtig: Man hat natürlich die politische Dimension."
    Es geht um Versorgungssicherheit und um Wettbewerb. Die Erdgasvorkommen in Deutschland, den Niederlanden und England gehen zur Neige. Auch in Norwegen wird die derzeitige maximale jährliche Fördermenge voraussichtlich bald sinken. Schon jetzt ist Russland mit einem Anteil von gut 30 Prozent der größte Gaslieferant der Europäischen Union. In Zukunft könnte er noch weiter wachsen. Doch das ist derzeit politisch höchst umstritten. Ein Grund dafür: Die EU-Mitglieder haben in der Vergangenheit sehr unterschiedliche Erfahrungen mit dem Erdgas-Lieferanten Russland gemacht.
    Die Erfahrungen in Deutschland sind jedoch durchweg positiv. Schon 1969 wurde das sogenannte Gas-Röhren-Abkommen geschlossen. Deutschland lieferte der Sowjetunion hochwertige Stahlröhren für den dortigen Aufbau seines Gaspipeline-Netzes. Die an Devisenmangel leidende Rohstoff-Macht bezahlte seinerseits mit Erdgaslieferungen in den Westen. Ein Tauschhandel durch den Eisernen Vorhang. Jahrzehnte lang funktionierte er einwandfrei - auch in den Zeiten von politischen Krisen und Kaltem Krieg. Das west-östliche Gasgeschäft diente auch der Entspannungspolitik. Selbst als die Sowjetunion zusammenbrach, strömte das russische Erdgas zuverlässig weiter.
    Die östlichen EU-Mitglieder, ehemals Ostblockstaaten, machten ganz andere Erfahrungen mit dem Gasriesen Russland. Zum Beispiel die baltischen Länder. Als sie sich entschlossen der Europäischen Union beizutreten, kam die Reaktion aus Russland mit der Gasrechnung: Gazprom erhöhte die Preise auf das Sechsfache – quasi von "Freundschaftspreisen" auf "Marktpreise". Die lagen auch noch deutlich über denen, die Gazprom in Deutschland berechnete. Als "politisch motiviert von Moskau", sah man das in Litauen, Lettland und Estland. Das sei nur normales, marktwirtschaftliches Geschäftsgebaren, urteilt dagegen der Volkswirtschaftler Roland Götz, langjähriger Beobachter der russischen Energiepolitik.
    "In den Ländern, in denen Erdgas aus verschiedenen Richtungen, wie zum Beispiel in Deutschland, aus Norwegen, aus den Niederlanden und aus England bezogen werden kann, da ist auch der Preis, den Gazprom fordern kann niedrig. Weil es eben die Konkurrenz berücksichtigen muss. Andere Länder, wie die baltischen Staaten oder die Ukraine, die vollständig nur von Russland aus beliefert werden, da ist der Preis hoch."
    Von einem "Gaskrieg" war die Rede
    In der Ukraine führten drastische Preiserhöhungen ab 2004 zu anhaltenden Streitigkeiten mit der russischen Gazprom. Sie gipfelten in mehrmaligen Lieferunterbrechungen. So wurde zum Beispiel im Winter 2009 der Gastransit für zwei Wochen unterbrochen. Auch viele EU-Länder waren damals betroffen. Denn sie wurden teilweise oder vollständig über die ukrainischen Transitpipelines versorgt. Von einem "Gaskrieg" war die Rede.
    Streit um Gaslieferungen zwischen Russland und der Ukraine
    Im Winter 2009 wurde der Gastransit in die Ukraine für zwei Wochen unterbrochen (dpa / picture-alliance / Sergey Dolzhenko)
    "Das hat dazu geführt, dass in der Europäischen Kommission, wo diese Staaten doch auch einen relativ großen Einfluss haben, die Stimmung umgeschwenkt ist. Man sieht Energiefragen, was Russland anbetrifft, vor allem unter dem Sicherheitsaspekt und übertreibt nach meiner Meinung gewaltig."
    Meint Russland- und Gazprom-Kenner Roland Götz. Fakt ist: Der sogenannte Gaskrieg führte zu einem erheblichen Vertrauensverlust gegenüber Russland. In Brüssel schmiedete man nun Vorsorge- und Notfallpläne für weitere Lieferausfälle und beschloss eine bessere Anbindung der osteuropäischen Länder an die Gasnetze des Westens. Die Abhängigkeit von Russland sollte verringert werden.
    Mit der russischen Intervention auf der ukrainischen Krim – im Februar 2014 - eskalierte der "Gaskrieg" zu militärischen Auseinandersetzungen. Auch Polen und die baltischen Länder fühlten sich seit dem von einer Aggression aus Russland bedroht. Doch man hatte dort schon zuvor beschlossen, die Gasversorgung zukünftig selbst in die Hand zu nehmen – mit Hilfe aus Brüssel und aus Amerika.
    Im Dezember 2015 legte im Hafen des polnischen Seebads Swinouscie ein gigantisches Tankschiff an. Die Al Nuaman: 315 Meter lang, 50 Meter breit. Ihre Ladung: 122.000 Tonnen flüssiges Erdgas, tiefgekühlt auf minus 162 Grad.
    Das sogenannte "Liquefied Natural Gas", kurz LNG kam aus Katar. Das arabische Emirat ist der weltweit größte Anbieter von LNG. Mit finanzieller Hilfe der EU hatte Polen ein Flüssiggas-Terminal errichtet. Hier kann es nun gelöscht, erwärmt und in das Erdgasnetz eingespeist werden. Zuvor hatte bereits Polens Nachbar Litauen ein schwimmendes LNG-Lager verankern lassen, im Hafen von Klaipeda.
    Das Interesse östlicher EU-Länder am LNG, lockte einen weiteren Gasverkäufer an: den amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
    "America stands ready to help Poland and other European nations diversify their energy-supply, so that you can never held hostage to a single supplier."
    Ein Fracking-Bohrturm in der Abenddämmerung. 
    Ein Fracking-Bohrturm nahe Tunkhannoclk, Pennsylvania, USA. Amerikanische Unternehmen fördern seit Jahren wieder Erdgas mit Hilfe der ökologisch fragwürdigen Technologie (dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo)
    "Amerika steht bereit, Polen und anderen europäischen Ländern beim Energiebezug zu helfen. Damit sie niemals zur Geisel eines einzigen Anbieters werden können." So verspricht es – im Juli dieses Jahres – der US-Präsident in Warschau.
    Amerikanische Unternehmen fördern seit Jahren wieder Erdgas
    Unmittelbar vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Hamburg hatte Trump noch einen Abstecher nach Polen unternommen, zu einem Treffen der sogenannten "Drei-Meeres-Initiative". Zwölf östliche und südöstliche EU-Länder aus der Region zwischen Ostsee, Adria und dem Schwarzen Meer waren dort versammelt. Ihr gemeinsames Anliegen: Unabhängiger werden vom russischen Erdgas mit Hilfe von tiefgekühltem Flüssiggas aus Übersee.
    Aus Sicht der Amerikaner eine interessante Idee. Denn amerikanische Unternehmen fördern seit Jahren wieder Erdgas im eigenen Land mit Hilfe der ökologisch fragwürdigen Fracking-Technologie und billigen Krediten. Riesige Mengen, die sie – verschifft als LNG – gerne auf dem europäischen Markt verkaufen würden. Denn hier ist der Preis interessanter als anderswo.
    Donald Trump geht es beim Erdgas-Export vor allem um amerikanische Jobs. Anderen in Washington geht es aber um mehr - um Geopolitik.
    "Das wird uns einen viel stärkeren Hebel gegenüber Putin und den Russen verschaffen. Um sie bei ihren Aggressionen gegen Europa und die Vereinigten Staaten zurückzudrängen."
    So sieht es zum Beispiel John Hannah vom neokonservativen Thinktank "Foundation for Defence of Democracy". Und so sehen es auch viele im Lager der amerikanischen Opposition. Sie wollen die Russen aus dem europäischen Gasmarkt zurückdrängen. Auch mit Hilfe von Sanktionen. Im Juli dieses Jahres beschlossen die USA dazu ein neues Gesetz: Europäische Unternehmen, die mit Russland Energiegeschäfte machen, können jetzt mit Sanktionen bestraft werden.
    Die EU-Kommission und die Bundesregierung reagierten empört. Denn nicht nur das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2 wäre von amerikanischen Sanktionen betroffen, sondern auch bestehende Pipelines. Die Furcht vor einer Gas-Abhängigkeit von Russland sei heute unbegründet, meint Politikforscherin Kirsten Westphal:
    "Es entspricht nicht mehr der Realität, weil wir einen überversorgten Markt haben, weil im Grunde genommen sehr schnell und flexibel auf andere Quellen zurückgegriffen werden kann. Also, wenn Lieferkürzungen aus Russland zu erwarten wären, haben wir sehr schnell die Möglichkeit in Deutschland, in Europa über die LNG-Terminals oder von Norwegen Gas über die Märkte zu beziehen."
    Auch die russische Gazprom muss sich heute dem harten Wettbewerb in der EU stellen. Das liegt in ihrem eigenen Interesse, denn das halbstaatliche Unternehmen sitzt auf einer gigantischen Gasblase in Nordsibirien. Nord Stream 2 soll dieses Erdgas auf den europäischen Markt bringen.
    "Die neue Pipeline ist der effektivste und umweltfreundlichste Weg, russisches Erdgas nach Europa zu liefern", betont Gazprom-Chef Alexej Miller in einem Promotion-Video.
    Ein Argument, das kaum zu widerlegen ist. Allerdings handele es sich bei den Russen um einen übermächtigen Wettbewerber, warnt Georg Zachmann, vom Brüsseler Think Tank "Bruegel". Dieser berät auch die Kritiker von Nord Stream 2. Als Beispiel dient Zachmann der Fall des LNG-Terminals in Litauen.
    "Als der Plan getroffen wurde, das LNG-Terminal fertigzustellen, hat die Gazprom die Gaspreise für Litauen deutlich gesenkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit dieses LNG-Terminals zerstört. Insofern muss man sehen, dass Pipeline-Projekte tatsächlich auch eine strategische Bedeutung haben dafür, wie sich die Marktsituation in einem Markt dann ausspielen kann."
    Die bisherige Bundesregierung hat das Projekt unterstützt
    Auch die EU-Kommission sieht in der neuen Gaspipeline Nord Stream 2 eine Bedrohung für den Wettbewerb. Das ist allerdings nicht das einzige Motiv für ihre Kritik an dem Projekt. Ebenso wie in Washington geht es auch in Brüssel um übergeordnete politische Ziele. Genauer: Es geht um die westlichen Interessen in der Ukraine. EU-Kommissar Cañete:
    "Wir brauchen für die EU-Kommission eine starke Verhandlungsposition. Nicht nur zur Anwendung unserer Wettbewerbs-Prinzipien, sondern auch wegen der Situation in der Ukraine. Denn wir betrachten die Ukraine als eine stabile und verlässliche Transitroute. Und wir unterstützen es, dass die Ukraine weiterhin eine Transitroute bleibt, auch in Zukunft."
    Nord Stream 2 gefährde die bisherige Gastransitroute durch die Ukraine, behaupten die Gegner der neuen Ostsee-Pipeline. Das stimme, bestätigt auch der Gazprom-Kenner Roland Götz: Nord-Stream 2 wird nicht deswegen gebaut, weil man mit den bisherigen Transitkapazitäten in der Ukraine nicht mehr auskommt, sondern weil man sie ersetzen will."
    Damit kämen der Ukraine nicht nur die lukrativen Transit-Gebühreneinnahmen von derzeit jährlich rund zwei Milliarden US-Dollar abhanden. Auch ihre eigene Gasversorgung würde teurer. Denn seit 2015 wird ein Teil des russischen Erdgases, dass über ihr Gebiet in die Europäische Union gepumpt wird, von der EU gekauft und anschließend wieder in die Ukraine zurückgeleitet.
    Mit dem Aus für den Ukraine-Transit wäre es vorbei mit dem Gas-Ping-Pong. Dann müsste Gas, das über die Nord Stream 2 nach Norddeutschland strömt, in einem großen Umweg über Tschechien und die Slowakei in die Ukraine geleitet werden, sagt Nord Stream 2- Kritiker Georg Zachmann vom Brüsseler Thinktank Bruegel.
    "Das würde für die Ukrainer im besten Fall bedeuten, dass sie das Gas deutlich teurer vom Westen einkaufen können. Im schlimmsten Fall würde es bedeuten, dass sie es direkt aus Russland beziehen müssen, was wegen der politischen und wirtschaftlichen Geschichte bedeuten könnte, dass die Ukraine sich wieder deutlicher an Moskau annähern müsste."
    Eine neue Abhängig der Ukraine von Russland - das will man in Brüssel ebenso vermeiden wie in Washington.
    Die bisherige Bundesregierung hat das Projekt Nord Stream 2 unterstützt. Ob eine Jamaika-Koalition dabei bleibt, scheint nach bisherigen Äußerungen fraglich. Dabei könnte Erdgas aus Russland sehr nützlich sein für einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung, argumentiert Nord Stream 2-Sprecher Jens Müller:
    "Es gibt keinen wettbewerbsfähigeren Lieferanten als Russland, was die Mengen und die Kosten betrifft. Und wenn dieses Gas zur Substituierung von Kohle eingesetzt wird, ist es die einzige Möglichkeit Klimaziele zu erreichen."
    Die Pipelineröhren werden bereits in Mülheim produziert
    Fossiles Erdgas lässt sich mit Biogas vermischen und mit künstlich erzeugtem Methan aus Wind- und Sonnenstrom. Erdgas könne so "als Brücke dienen von den fossilen zu den erneuerbaren Energien", heißt es im Bundeswirtschaftsministerium.
    Ukraine oder Kohleausstieg? Geopolitik oder Klimaschutz? Die Lage scheint vertrackt. Die Pipelineröhren für Nord Stream 2 werden bereits in Mülheim an der Ruhr produziert. Nach Planung der Investoren soll ihre Verlegung schon Anfang nächsten Jahres beginnen. Wie wird es nun weitergehen?
    Ein Mann mit Schutzweste und Helm läuft im Fährhafen Sassnitz-Mukran auf Rügen zwischen zwei zu Türmen gestapelten Rohren für die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 hindurch.
    Die Rohre für die Nord Stream 2 liegen im Fährhafen Sassnitz-Mukran. Auf Rügen werden die Stahlrohre mit Beton ummantelt. Die 1.224 Kilometer lange Gaspipeline soll von Portovaya bei Wyborg (Russland) nach Lubmin (Deutschland) führen. (imago stock&people)
    Die EU-Kommission möchte über diese Fragen jetzt direkt mit Moskau verhandeln. Man wolle das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union auch für Nord Stream 2 durchsetzen, heißt es aus Brüssel. Also: die Entkopplung von Gasanbieter und Pipelinebetreiber und den Zugang zur Pipeline auch für andere Gasanbieter aus Russland.
    Nach bisheriger Gesetzeslage war das nicht möglich. Denn die EU-Wettbewerbsregeln gelten nur für das Territorium der Europäischen Union, nicht aber für die internationalen Gewässer der Ostsee. Doch jetzt will die EU-Kommission die sogenannte Gasrichtlinie ändern. Sie soll dann auch für Nord Stream 2 anwendbar sein. Rückwirkend. Für den russischen Energiekonzern Gazprom, dem Bauherren der rund zehn Milliarden Euro teuren Ostseepipeline, hieße das: ein Ende seines bisherigen Exportmonopols. Das hätte Folgen, vermutet Roland Goetz.
    "Das hat Gazprom seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten immer wieder abgelehnt. Und ist auch nicht von der russischen Regierung gezwungen worden. Ich glaube nicht, dass wegen Nord Stream seine Geschäftspolitik in dieser Hinsicht total ändern würde, eher würde man das Projekt wahrscheinlich fallen lassen."
    Dann hätten die Gegner der Nord Stream 2–Pipeline ihr Ziel erreicht.
    Doch einen Joker hätte Russland noch im Pipeline-Poker: Altbundeskanzler Schröder. Der hat nun auch die Regie beim Aufsichtsrat des größten russischen Energiekonzern Rosneft übernommen. Rosneft plant zukünftig ebenfalls russisches Erdgas in den Westen zu exportieren. Schröder könnte dabei helfen. Wenn auch Rosneft- und nicht nur Gazprom-Gas durch Nord Stream 2 geleitet würde, dann wäre ihren Gegnern in der Europäischen Union der wichtigste Blockade-Grund entzogen.