Er befürworte den Ausschluss der russischen Sportler durch das Paralympische Komitee, sagte Mester weiter. Es sei schließlich nachgewiesen worden, "dass ein staatliches System dahinter steckte. Es wurde gedopt und das ist einfach unfair". Deshalb sei es gut, dass tatsächlich alle russischen Athleten von den Wettkämpfen ausgeschlossen würden - obwohl es vermutlich auch Sportler unter ihnen gebe, die nicht gedopt hätten.
Neben Russland gebe es aber noch "andere schwarze Schafe" und andere Länder, die beobachtet werden müssten. Der Ausschluss Russlands sei "auf jeden Fall jetzt ein Statement in die richtige Richtung gegen Doping".
Deutsches Kontrollsystem auch in anderen Ländern einführen
Mester betonte, anders als etwa in Russland gebe es in Deutschland ein Anti-Doping-System, bei dem sich Sportler jeden Tag abmelden müssten oder gar eine Stunde am Tag angeben müssten, wo man anzutreffen sei. Er sagte: "Ich wünsche mir in Zukunft einen sauberen Sport." Das deutsche Kontrollsystem solle auch in anderen Ländern eingeführt und vielleicht sogar verschärft werden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur brauche Zutritt in alle Länder. Es müsse fair zugehen, alles andere habe mit Leistungssport nichts zu tun.
Man werde vermutlich nicht erreichen können, dass alle Sportler zu hundert Prozent "sauber" seien. Es sei aber auf jeden Fall wichtig zu sagen: "Entweder seid ihr fair oder ihr werdet ausgeschlossen." Da sei das Paralympische Komitee im Behindertensport den richtigen Weg gegangen.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Nach den Spielen ist vor den Spielen. Oder anders gesagt: Nach den Olympischen Spielen ist vor den Paralympics, den Olympischen Spielen für Sportler mit Behinderung. Die starten Anfang September. Ende der Woche machen sich die meisten deutschen Parathleten auf den Weg nach Rio. Am Dienstag dann fliegt Mathias Mester. Er war mehrfach Weltmeister im Speerwerfen, Kugelstoßen und Diskuswerfen, ist amtierender deutscher Meister im Speerwerfen und kleinwüchsig. Gestern war er bei der Willkommensfeier für die zurückgekehrten Olympiateilnehmer in Frankfurt dabei, die den Paralympischen Athleten den Staffelstab weitergereicht haben. Und ich habe ihn danach gefragt, mit welchen Eindrücken er aus Frankfurt zurückgekommen ist.
Mathias Mester: Oh, mit sehr schönen Eindrücken komme ich zurück aus Frankfurt. Es war doch eine sehr schöne Empfangsfeier. Der Bundespräsident Gauck war da, Herr de Maizière war da, unser Innenminister. Der Herr Gauck hat sich auch sehr viel Mühe gegeben mit seiner Rede, hat sie auch sehr kurz gehalten. Man hat schon die einen oder anderen erschöpften Gesichter gesehen nach dem Flug. Man hat sich natürlich noch mal ausgetauscht mit den Olympiasportlern, wie es denn da so vor Ort ist: Wie ist das Dorf, wie sind die Wege, wie ist das Essen, was man halt vorher auch schon gehört hat. Und als Zeichen wurde dann auch quasi der Staffelstab übergeben, dass es jetzt losgeht mit den Paralympischen Spielen.
"Man kann zeigen, was man drauf hat"
Schulz: Jetzt hat es an den Olympischen Spielen in Rio ja auch jede Menge Kritik gegeben. Das Doping-Thema hat die Spiele überschattet, teilweise unfaires Fan-Verhalten und natürlich auch die Diskussion um die Finanzen, um die Finanzierung. Das alles hat für die Athleten jetzt unterm Strich gar keine Rolle gespielt?
Mester: Was heißt gar keine Rolle? Man kriegt das natürlich schon mit. Ich verfolge natürlich im Fernsehen die Olympischen Spiele und sehe auch, natürlich sind da finanzielle Probleme. Dann beklagen sich die Sportler, dass das Essen vielleicht nicht so gut ist, oder dass die Wege zu lang sind und dass das vielleicht noch gar nicht alles fertig abgeschlossen ist. Aber als Athlet ist es eigentlich so: Man bereitet sich vier Jahre lang auf dieses Ereignis vor. Und gerade bei uns im paralympischen Sport ist es so, dass wir uns jetzt mal der Welt zeigen können, sage ich jetzt mal. Das mediale Interesse ist einfach da. Man kann zeigen, was man drauf hat. Als Sportler ist es schon so: Man bereitet sich vier Jahre darauf vor und dann will man natürlich auch den Wettkampf bestreiten.
Schulz: Jetzt hat es einen Punkt gegeben, an dem sich das Paralympische Komitee ganz deutlich abgesetzt hat vom Olympischen Komitee. Das russische Paralympische Komitee, das ist gesperrt worden - eine Entscheidung, die jetzt auch der CAS noch mal bestätigt hat. Wie sehen Sie das?
Mester: Ich muss sagen, ich befürworte das. Denn es wurde ja nachgewiesen, dass ein staatliches System dahinter steckte. Es wurde gedopt und das ist einfach unfair. Ja, das hat nichts mit Leistungssport zu tun. Demnach finde ich auch gut, dass man dann auch wirklich gesagt hat, dass alle russischen Athleten von den Wettkämpfen ausgeschlossen werden.
Wahrscheinlich haben nicht alle russische Sportler gedopt
Natürlich muss ich aber auch trotzdem sagen: Es ist natürlich auch so, dass man wahrscheinlich auch Sportler darunter hat, die nicht gedopt haben. Aber letztendlich überwiegt einfach das, dass dieses staatliche System dahinter steckt, dass wirklich bewusst betrogen worden ist. Bei uns zum Beispiel hier in Deutschland ist es so, dass wir ein Anti-Doping-System haben. Das heißt, ich muss mich wirklich jeden Tag abmelden, wo ich bin, wo ich erreichbar bin, um letztendlich eine unangemeldete Kontrolle zu haben. Bei manchen Sportlern ist es sogar noch schärfer, dass die wirklich eine Stunde am Tag angeben müssen, wo sie zu 100 Prozent anzutreffen sind. Das ist in Ländern wie zum Beispiel Russland halt nicht gegeben.
Dazu muss man aber trotzdem auch noch mal sagen: Jetzt hat man natürlich bei den Russen das aufgedeckt. Es gibt natürlich auch noch andere schwarze Schafe oder andere Länder. Da muss man einfach so weitermachen. Das ist auf jeden Fall jetzt ein Statement in die richtige Richtung gegen Doping und deshalb befürworte ich das und finde ich es gut.
Schulz: Das wollte ich auch gerade ansprechen. Es ist ja nicht so, dass mit dieser Sperre gegen Russland jetzt das Thema Doping im Behindertensport komplett erledigt wäre. Was wünschen Sie sich da?
Mester: Ja, ich wünsche mir auf jeden Fall natürlich in Zukunft einen sauberen Sport und dass man da auf jeden Fall auch noch nachgeht und dass man dieses System, was wir haben, einfach diese Kontrollsysteme, auch in den anderen Ländern einführt oder vielleicht auch verschärft. Solange das nicht der Fall ist, solange die Länder sagen, wir haben unsere eigenen Kontrollen, ihr kommt hier nicht rein, zum Beispiel für die Welt-Anti-Doping-Agentur, ihr kommt hier nicht rein, wir haben unsere eigenen Doping-Kontrollen, das ist ja nicht das Wahre. Es soll schon alles fair sein. Alles andere hat mit Leistungssport, finde ich, nichts zu tun.
"Es ist auf jeden Fall schon mal ein Schritt in die richtige Richtung"
Schulz: Jetzt hat sich wie gesagt das Paralympische Komitee ja relativ spektakulär dem Olympischen Komitee entgegengesetzt. Ist das auch eine Chance für den Behindertensport, dass das jetzt wirklich die Spiele werden, bei denen wirklich Fair Play herrscht?
Mester: Ja, kann man eigentlich so sagen. Das Ding ist, ich glaube, hundertprozentig, dass alle Sportler sauber sind, das weiß ich nicht, ob man das bezwingen kann oder ob man das erzielen kann. Aber es ist auf jeden Fall schon mal ein Schritt in die richtige Richtung und auch ein Statement, um zu sagen, hey, passt auf, entweder seid ihr fair, oder spielt mit richtigen Regeln, oder ihr werdet ausgeschlossen. Und dann wird wirklich kurzer Prozess gemacht und es werden alle vom Sport ausgeschlossen, die in dem Staat leben, wo es keine Anti-Doping-Systeme gibt.
Schulz: Die Entscheidung vom CAS, die jetzt diese Sperre bestätigt hat, ist das auch ein ganz deutlicher Fingerzeig in Richtung IOC?
Mester: Doch, auf jeden Fall! Ich steck da natürlich nicht drin beim IOC. Ich kenne es natürlich nur vom IPC, vom Paralympischen Komitee. Warum sie letztendlich so entschieden haben, das kann ich nicht beurteilen. Aber letztendlich finde ich, dass der Behindertensport auf jeden Fall den richtigen Weg gegangen ist.
Schulz: Jetzt starten Sie in der nächsten Woche nach Rio. Auf welche Spiele, auf welche Bedingungen stellen Sie sich ein?
Mester: Ja, man hört natürlich viel, gerade heute beim Empfang. Mit den Olympiasportlern hat man sich natürlich auch ausgetauscht. Die einen Sportler sehen es so, die einen so. Ich selber will mir einfach mein eigenes Bild machen. Die Vorfreude ist da nach wie vor. Ich freue mich drauf, ich bin heiß auf meinen Wettkampf und wir reisen eine Woche vorher an, bevor die Spiele überhaupt beginnen. Und demnach kann man sich da auch dann optimal darauf einstellen.
Schulz: Wobei jetzt ja schon feststeht, dass die Bedingungen nicht ganz einfach sein werden. Die Finanzierung stand bis zuletzt auf der Kippe. Es stand sogar zur Diskussion, dass die Paralympischen Spiele wegen Geldnöten ausfallen könnten. Wie gehen Sie damit um oder wie sind Sie damit umgegangen?
Mester: Als ich das gehört habe, habe ich natürlich gedacht, okay, du hast Dich jetzt vier Jahre darauf vorbereitet. Wenn das jetzt zerfällt, zerplatzt natürlich da irgendwo ein Traum. Aber letztendlich war mir schon klar, dass man uns Behindertensportlern jetzt zum Schluss nicht, sage ich jetzt mal, den Hahn zudrehen kann oder beziehungsweise nicht die Spiele absagen kann und dass da wahrscheinlich irgendwo doch ein Weg zu finden ist. Der ist ja jetzt gefunden worden und letztendlich, muss man ja dann doch ganz klar sagen, hat sich natürlich Brasilien da einfach übernommen und hat jetzt einfach Riesenschulden. Aber letztendlich das an uns auszulassen, wäre natürlich unfair gewesen oder nicht so gut.
"Wenn man jetzt vor einem leeren Stadion startet, das tut natürlich weh"
Schulz: Ohne hier in die Rolle des Miesepeters zu kommen, aber wenn man schaut auf die Kartenverkäufe, die es bisher gegeben hat, sind das relativ bedrückende Zahlen. Der Bürgermeister von Rio spricht eigentlich davon, dass quasi so gut wie noch gar keine Karten verkauft worden seien. Wie gehen Sie damit um?
Mester: Ja, das ist natürlich schon sehr negativ. Wenn man das vergleicht mit Peking, da waren es 91.000 Zuschauer. Natürlich weiß man nie, ob die freiwillig jetzt da im Stadion saßen oder nicht. Aber dann mit England beziehungsweise mit Großbritannien in London die Spiele, das war einfach phänomenal. Da waren 80.000 Zuschauer und die waren wirklich wegen dem Sport da. Die waren hellauf begeistert, die haben mitgefiebert, die haben alle Leute angefeuert, nicht nur ihre. Und das ist natürlich schon, wenn man jetzt vor einem leeren Stadion startet, das tut natürlich weh. Aber ja, letztendlich ist wahrscheinlich in Brasilien Beach-Volleyball und auch Fußball da Favorit Nummer eins und da muss man dann letztendlich das irgendwie wegstecken. Aber nichts desto trotz konzentriert man sich auf sich und macht seinen Wettkampf.
Schulz: Gibt es nach London 2012 überhaupt noch eine Steigerungsmöglichkeit?
Mester: Ganz ehrlich: Ich glaube, es wird richtig schwer, dass man London noch toppen kann. In London, das war vom Olympischen Dorf hin bis zu der Organisation, bis zu den Kartenverkäufen, Stimmung, den Leuten, die Atmosphäre, das war einfach phänomenal. Das sind jetzt meine dritten Spiele; davor habe ich noch keine gemacht. Aber das war schon einfach einmalig. Da waren 80.000 Zuschauer im Stadion und ich habe mich umgedreht, habe geklatscht mit meinem Speer, dann wurde ich oben eingeblendet auf der Anzeigetafel und dann haben da wirklich 80.000 Menschen mitgeklatscht im Rhythmus. Da hätte ich schon gar nicht mehr werfen brauchen. Das war einfach ein atemberaubendes Gefühl und das kann mir keiner mehr nehmen. Ich glaube, das wird jetzt die Jahre hin schwer zu toppen sein, ja.
"Wir Athleten halten alle zusammen"
Schulz: Was würden Sie sich wünschen? Was werden diese Paralympics 2016 in Rio der Welt erzählen?
Mester: Ja, das ist eine spannende Frage. Ich werde mir meine Eindrücke machen und wenn ich wiederkomme, dann kann ich natürlich genauer erzählen. Aber ich gehe davon aus, dass es trotzdem sehr schöne Spiele werden. Es sind ja viele Nationen da. Man trifft sich da untereinander, man hat auch untereinander da seinen Spaß und lässt sich da von nichts abbringen, egal wie die Stimmung außerhalb ist. Wir Athleten halten alle zusammen und die Stimmung innerhalb des Teams und auch der anderen Nationen ist im Dorf auch einmalig.
Schulz: Der Parathlet Mathias Mester, Speerwerfer und dabei in Rio bei den Paralympics, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für Ihre Eindrücke.
Mester: Sehr gerne.
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