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Partei "Zmiana"
Erste pro-russische Partei in Polen?

Im kommenden März soll eine Entscheidung über die Entsendung polnischer Militärs in die Ukraine fallen. Schon aufgrund historischer Erfahrungen blicken die meisten Polen besonders kritisch auf Russland und seine Ukraine-Politik. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. So ist jetzt eine politische Partei entstanden, von der zumindest ihre Gegner sagen, sie sei "pro-russisch".

Von Florian Kellermann |
    Einige Dutzend kaum bekannter Politiker und Aktivisten trafen sich im Haus des polnischen Lehrerverbands und gründeten eine Partei. Ihr Name sagt wenig aus: Sie heißt "Zmiana", auf deutsch: Wechsel. Nichts Besonderes, sollte man meinen. Und doch äußerte sich der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna dazu, schon vor dem Gründungsparteitag:
    "Wir müssen ganz genau hinschauen: Wer finanziert solche Projekte, wer steht dahinter, wem nutzen sie? Wir haben darüber auch beim Nationalen Sicherheitsrat gesprochen. Das ist eine Herausforderung, mit der die polnische Politik fertig werden muss."
    Steckt Russland hinter der neuen Partei?
    Schetyna sprach es nicht aus, weil er keine Beweise hat: Aber Beobachter vermuten, dass Russland hinter der neuen Partei steht. Als erste pro-russische Partei in Polen wird sie bezeichnet. Der frisch gebackene Vorsitzende Mateusz Piskorski widerspricht:
    "Wir sind nicht pro-russisch, sondern nur pro-polnisch. Wie es jede polnische Partei sein sollte. Unsere Gesetze verbieten es außerdem, dass eine Partei mit ausländischem Geld finanziert wird. Wir existieren durch die bescheidenen Mittel der Menschen, die wir hier im Saal sehen."
    Nicht "pro-russisch"? Das Wahlprogramm, das Piskorski den Medien vorstellt, dürfte im Kreml zumindest auf Beifall stoßen. Seine Partei fordert den Austritt Polens aus der NATO. Das Militärbündnis sei aggressiv, und es sei mitverantwortlich für den militärischen Konflikt in der Ukraine.
    Diese Ausrichtung passt zu Piskorskis politischer Laufbahn: Er war mit einem Verein namens "Niklot" verbunden, der nationalistische und anti-westliche Strömungen verbindet. Im Parlament saß Piskorski kurz für die radikale Bauernpartei "Samoobrona", die gegen den EU-Beitritt kämpfte.
    Wenn Piskorski über die Ukraine spricht, klingt es wie im russischen Staatsfernsehen:
    "Lasst uns die Dinge beim Namen nennen. Die Aufständischen im Donezkbecken kämpfen gegen den Faschismus. Und unsere Politiker stellen sich auch noch auf die Seite dieses barbarischen, totalitären Ethno-Nationalismus und Rassismus."
    Eigentlich sollte ein Gast des Parteitags diesen Punkt näher ausführen: Alexandr Kofmann war eingeladen, eine führende Figur der Donezker Separatisten. Das polnische Konsulat verweigerte ihm jedoch das Visum.
    Für eine Unterstützung Russlands für das Parteien-Projekt spricht außerdem eine Propaganda-Initiative, die das Nachbarland gleichzeitig gestartet hat. Vor wenigen Tagen hat die staatliche russische Nachrichtenagentur „Sputnik" einen polnischen Ableger gegründet - dazu einen Radiosender auf polnisch. Einer der ersten Interviewpartner war Mateusz Piskorski.
    Partei im Auge behalten
    Willkommene Werbung im polnischen Superwahljahr: Doch Chancen auf einen Einzug ins Parlament habe die Formation nicht, meint der Politologe Marek Migalski.
    "Die politische Bedeutung von Herrn Piskorski ist und bleibt glücklicherweise marginal. Trotzdem muss man die Partei ernst nehmen. Ich hoffe, dass die polnischen Geheimdienste sie ihm im Auge behalten. Ihre Tätigkeit schadet den nationalen polnischen Interessen."
    Dabei will "Zmiana" die Wähler nicht unbedingt mit außenpolitischen Thesen gewinnen. An erster Stelle steht ein Wirtschaftskonzept, das zurück in die sozialistische Volksrepublik weist. Polen müsse einen Teil der privatisierten Unternehmen wieder nationalisieren, so Piskorski. Wenn die Käufer ihre Investitions-Versprechen nicht gehalten hätten, dann müsse der Staat sie dabei nicht einmal entschädigen.
    Diese Rhetorik kommt an, zumindest beim 24-jährigen Patryk, einem Mitglied der Partei.
    "Fast die Hälfte meiner ehemaligen Klassenkameraden ist ins Ausland emigriert. Denn die jungen Leute haben hier kaum Chancen auf einen guten Job, höchstens auf einen sogenannten Abfall-Vertrag. Diese Verträge sind so konstruiert, dass der Arbeitnehmer keine Rechte hat und jederzeit entlassen werden kann. Es gibt ja überhaupt nur noch Dienstleistungsfirmen bei uns. Wir haben die Wahl zwischen dem Call-Center und der Supermarkt-Kasse. "
    Patryk ist einer der wenigen beim Parteitag, die überhaupt mit der Presse sprechen. Aus welchen Gruppierungen die Mitglieder kommen, will er nicht sagen, nur so viel: aus links- und aus rechtsgerichteten Organisationen. Mit Russland habe die neue Partei nichts zu tun, erklärt auch er, schließlich herrschten dort auch nur die Oligarchen.