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Pkw-Maut
"Das Steuerrecht ist eine ausschließlich nationale Domäne"

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber hat die Vorbehalte der EU-Kommission gegenüber der Pkw-Maut zurückgewiesen. Die Straßenfinanzierung erfolge auch weiterhin zum großen Teil über Steuergeld, sagte er im DLF. Es sei nicht gerecht, wenn Deutsche doppelt - also Maut und Steuern - zahlen müssten.

Markus Ferber im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Porträt von Markus Ferber
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. (picture-alliance/dpa/Daniel Karmann)
    Ferber erklärte, der deutsche Steuerzahler werde weiter die große Last zur Straßenfinanzierung tragen. "Die Maut ist nur eine Ergänzung", sagte er. Im Vergleich zu den Einnahmen für den Verkehrswegeplan würden die geplanten Maut-Einnahmen von 500 Millionen Euro nur einen kleinen Teil ausmachen. "Insofern kann keine Diskriminierung vorliegen." Der deutsche Steuerzahler werde über eine nationale Steuer entlastet, die nicht im Wirkungsbereich der EU liege. Ferber betonte: "Das Steuerrecht ist eine ausschließlich nationale Domäne."
    Wenn der Europäische Gerichtshof letztendlich gegen die Pkw-Maut urteile, könne man eine andere Kompensation wählen. Ferber warf der EU-Kommission indirekt vor, mit zweierlei Maß zu messen. Viele EU-Mitgliedsstaaten dürften tun und machen, was sie wollten. Deutschland stehe dagegen immer Gewehr bei Fuß. Entweder müsse Brüssel bei allen hinschauen oder bei allen wegschauen.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Was die Gegner der Maut schon immer gesagt haben, das macht sich jetzt auch die EU-Kommission zu eigen. Weil unter dem Strich nur Ausländer die Maut zahlen müssen, verstößt das Gesetz gegen ein fundamentales und sehr schlichtes Prinzip in Europa, das nämlich Diskriminierung verbietet. - Am Telefon ist der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Schönen guten Morgen.
    Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Herr Ferber, freuen Sie sich eigentlich insgeheim, dass die EU-Kommission das Mautgesetz prüfen will, möglicherweise vor dem EuGH am Ende?
    Ferber: Es gibt keinen Grund zur Freude. Es ist keine freudige Nachricht, wenn die Kommission die Straßenfinanzierung in Deutschland hinterfragt, nachdem ja viele Schritte mit der Kommission auch abgestimmt waren.
    "Es kann keine Diskriminierung vorliegen"
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) steht mit verschränkten Armen im Plenarsaal des Bundestags.
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sein Ziel erreicht: Der Bundestag hat die Einführung der Pkw-Maut beschlossen. (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    Ferber: Die These für diese Vermutung, dass Sie sich möglicherweise insgeheim freuen, lautet ja, dass es die Möglichkeit bietet, am Ende Europa den Schwarzen Peter zuzuschieben, wenn es dann heißt, dass wir alle die Maut werden zahlen müssen.
    Ferber: Da verstehen Sie unseren Ansatz falsch. Uns ging es darum, alle gerecht an der Finanzierung der Straßen zu beteiligen. Der deutsche Steuerzahler wird auch weiterhin die große Last der Straßenfinanzierung in Deutschland tragen. Die Maut ist ja nur als Ergänzung gesehen. Alle anderen Staaten, die auf Mautsysteme umgestellt haben, haben zu einer Hundertprozent-Finanzierung des Straßenausbaus und Unterhalts durch die Maut geführt. Da darf man natürlich nicht diskriminieren. Aber bei den Einnahmen von 500 Millionen Euro im Verhältnis zum Bundesverkehrswegeplan ist klar, dass die Maut nur einen kleinen Beitrag erbringen wird, und wenn Sie das unter dem Gesichtspunkt der Gesamtfinanzierung sehen, wird weiterhin der Deutsche die Hauptlast tragen, und insofern kann keine Diskriminierung vorliegen.
    Barenberg: Also ist die Frage der Diskriminierung jetzt eine Frage der Höhe des Betrages und nicht so sehr, ob und wer diesen Betrag zu leisten hat?
    Ferber: Nein! Es geht doch im Prinzip darum: Werden alle Nutzer gerecht an der Finanzierung beteiligt? Und das werden sie durch das deutsche System, weil wir keine hundertprozentige Umstellung der Finanzierung auf die Maut gemacht haben. Und dass hier der deutsche Steuerzahler über eine nationale Steuer, die Kraftfahrzeugsteuer entlastet wird, die außerhalb des Wirkungsbereichs der Europäischen Kommission liegt - das Steuerrecht ist ausschließliche nationale Domäne -, und daraus dann was zu konstruieren, ist schon ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Insofern freue ich mich, wenn der EuGH sich am Ende dieser Auffassung auch anschließt und wir endlich Rechtssicherheit in Europa haben.
    Barenberg: Stichwort "an den Haaren herbeigezogen". Das müssen Sie uns doch noch mal erklären. Ich weiß, wir haben es viele Male hier diskutiert, aber ich würde es gern noch einmal von Ihnen hören. Die Maut müssen unter dem Strich nur ausländische Fahrer zahlen, deutsche nicht. Der Betrag wird eins zu eins in genau der Höhe erstattet. Was soll das anderes sein als eine offensichtliche Bevorzugung der inländischen Fahrzeughalter vor den ausländischen, die die Maut zahlen müssen?
    Ferber: Ich versuche es noch mal ganz kurz. In Österreich, um das Beispiel zu benennen, hat man die Straßenfinanzierung zu hundert Prozent auf eine Mautfinanzierung umgestellt. Da darf natürlich nicht diskriminiert werden, weil der Österreicher die Straßen genauso nutzt wie der Nichtösterreicher. In Deutschland wird weiterhin die große Last der Straßenfinanzierung über den allgemeinen Bundeshaushalt, sprich über die Steuereinnahmen finanziert werden, und nur ein kleiner Teil wird über die Maut gemacht werden. Das heißt, das Modell der Kommission, dass der Deutsche zweimal zahlen muss, Steuern und Maut, während der nicht deutsche Autofahrer nach Kommissionsvorstellung gar nichts zu bezahlen hat, das ist kein gerechtes System, und deswegen glaube ich schon, dass wir gute Argumente haben, auch vor dem Europäischen Gerichtshof, wenn die Kommission wirklich klagen sollte.
    Barenberg: Aber ich will es noch mal versuchen mit meinem Punkt, und der würde sein: Es ist dann eine kleine Benachteiligung und die finden Sie in Ordnung?
    Ferber: Ich kann es nur zum siebten Mal jetzt sagen: Wir stellen nicht auf eine Hundertprozent-Mautfinanzierung um, und insofern ist das Modell gerechtfertigt. Es kann nicht sein, dass der Deutsche zunächst über die Steuern die Infrastruktur bezahlt und dann über die Maut noch mal bezahlt, und der Nichtdeutsche von der Kommission so geschützt wird, dass er bei uns fahren darf und überhaupt nichts zu bezahlen hat. Deswegen ist dieses System ausgewogen.
    Barenberg: Was wäre, wenn? Darüber müssen Politiker ständig nachdenken, über die möglichen Folgen ihrer Entscheidung. Was also, wenn der EuGH die Maut doch, trotz Ihres Optimismus, kippen würde? Ist sie dann vom Tisch? Das jedenfalls hat ja SPD-Vize Ralf Stegner gestern gesagt, die Maut ist tot, wenn Brüssel und Luxemburg Nein sagen. Gilt das auch für die CSU?
    Ferber: Zunächst mal nicht, wenn Brüssel Nein sagt. Wenn die Kommission Nein sagt, ist noch gar nichts tot. Dann muss vor Gericht entschieden werden, wenn unterschiedliche Auffassungen sind. Sollte gegen meine Vorstellung und Erwartung der Europäische Gerichtshof das deutsche Mautsystem kippen, ist eine neue Situation, die dann in der Koalition neu zu bereden ist.
    "Viele EU-Staaten können tun und lassen, was sie wollen"
    Europakarte mit Ländern in denen Maut (Streckenbezogen oder Vignette) erhoben wird.
    Maut auf Europas Straßen (dpa/picture alliance/dpa-Grafik)
    Barenberg: Und die dann darauf hinauslaufen könnte, dass am Ende einfach die Erstattung nicht mehr stattfindet und dann alle Maut zahlen?
    Ferber: Das habe ich nicht gesagt. Man kann ja dann auch im Lichte des Urteiles eine andere Form der Kompensation wählen. Ich will nur darauf verweisen, dass eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten, die Teilfinanzierungen über Mautsysteme eingeführt haben, Kompensationen vorgesehen haben. Gegen die ist nie geklagt worden. Mich überrascht schon, dass die Kommission bei Deutschland immer sofort mit Gewehr bei Fuß steht, während viele, viele Mitgliedsstaaten tun und lassen dürfen, was sie wollen, auch im Bereich der Maut, und deswegen hoffe ich und gehe davon aus, dass dieses System sich bewähren wird, oder in ganz Europa purzeln die Mautsysteme. Auf der anderen Seite, wenn es zu einem Urteil kommen wird, wird man in der Begründung nachlesen können, welche Modelle der Kompensation möglich sind, und das werden wir dann auch entsprechend umsetzen können.
    Barenberg: Aber ein Prinzip wird auch weiter gelten, auch von Seiten der CSU, und das ist das Versprechen, dass auf deutsche Autofahrer keine höhere Belastung zukommt?
    Ferber: Wir haben an unserer Programmatik nichts zurückzunehmen, weder an der Stelle noch sonst wo.
    Barenberg: Etwas wollte ich Sie zum Schluss noch fragen, weil es mir aufgefallen ist, dass Andreas Scheuer, Ihr Generalsekretär, gestern gesagt hat, Brüssel solle endlich mit seiner Einmischungspolitik aufhören. Ich wollte Sie fragen, ob bei so fundamentalen Prinzipien europäischer Spielregeln das nicht in Ordnung ist, wenn die Kommission da ganz genau hinschaut?
    Ferber: Natürlich darf die Kommission sich alles anschauen. Aber ich will noch mal darauf hinweisen: Als die Briten ein LKW-Mautsystem eingeführt haben, haben sie die britischen LKW-Unternehmer entlastet. Als die Italiener die Maut eingeführt haben, haben sie auch die Gewerbetreibenden entlastet. Dagegen ist nie vorgegangen worden. Wenn hier keine Diskriminierung vorliegt, dann weiß ich nicht, warum in Deutschland das sein soll, und insofern hat der Generalsekretär Recht. Entweder muss Brüssel bei allen so genau hinschauen wie bei uns, oder alle in Ruhe lassen und dann auch uns.
    Barenberg: Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber, Chef seiner Landesgruppe im EU-Parlament in Brüssel. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Ferber: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.