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Pkw-Maut-Konzept
"Es widerspricht ganz klar dem EU-Recht"

Der Gesetzentwurf zur Pkw-Maut von Bundesverkehrsminister Dobrindt steht im Bundestag zur ersten Lesung an. Claudia Schmidt, verkehrspolitische Sprecherin der österreichischen Christdemokraten im EU-Parlament, bezweifelt, dass das Konstrukt EU-rechtskonform ist. "Ich gehe davon aus, dass Österreich den Klageweg bestreiten wird, wenn die Regel wider Erwarten durchkommt", sagte sie im DLF.

Claudia Schmidt im Gespräch mit Silvia Engels |
    Die Pkw-Maut soll nach dem Willen der CSU kommen.
    Die Pkw-Maut soll nach dem Willen der CSU kommen. (dpa / picture-alliance)
    Das Maut-Konzept, das nur ausländische Fahrer in Deutschland belasten soll, sei "auf jeden Fall eine Diskriminierung", sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Europäischen Volkspartei, Claudia Schmidt, im Deutschlandfunk. "Die Maut, die wir haben, gilt für alle", betonte die Österreicherin.
    Schmidt gehe davon aus, dass in Deutschland die "Vernunft siegen" werde und diese Maut nicht komme. Deutschland könne eine andere Variante finden, um die Verkehrsinfrastruktur zu finanzieren.
    Sie bezeichnete sich selbst als vehemente Vertreterin des europäischen Verkehrsraumes: "Es gibt 24 verschiedene Mautsysteme und ich glaube, das sollte man vereinheitlichen." Gleichzeitig appellierte Schmidt an die "Vernunft und auch an den Europäer Dobrindt", noch einmal in sich zu gehen und darüber nachzudenken. "Wir haben alle Grenzen abgebaut, jetzt bauen wir Mautstationen auf - das ist nicht der europäische Gedanke", sagte Schmidt im DLF.

    Das Interview in voller Länge
    Engels: Wir haben es gerade gehört: Klagen werden überlegt. Was raten Sie zum Beispiel Österreich?
    Schmidt: Ich gehe davon aus als überzeugte Europäerin, dass wenn diese Maut wider Erwarten doch eingeführt werden sollte, dass Österreich mit Sicherheit den Klageweg beschreiten wird, weil eine Diskriminierung aufgrund von Staatszugehörigkeit ja ganz eindeutig dem EU-Recht widerspricht.
    Engels: Das heißt, die Regelung, die jetzt Herr Dobrindt in Deutschland gefunden haben will, dass er getrennte Pakete gleichzeitig einbringt – in einem wird die Maut für alle erhoben, im anderen wird aber über die Kfz-Steuer der deutsche Autofahrer entlastet –, das halten Sie für nicht tragfähig?
    "Der Herr Dobrindt mit seiner Maut tut mir ja schon fast leid"
    Schmidt: Das widerspricht ganz klar dem EU-Recht. Es gibt von dem Herrn Obwächser zum Beispiel ein Gutachten, ein sehr griffiges Gutachten, das das bestätigt. Und ich meine, der Herr Dobrindt mit seiner Maut tut mir ja schon fast leid, weil am Anfang war da ein ganz großes Paket, alle Straßen sollen bemautet werden. Von dem ist jetzt ganz wenig übrig geblieben, nämlich nur die Autobahnen, und selbst das, davon gehe ich aus, diese Mautidee wird mit dem Herrn Seehofer verschwinden.
    Engels: Ein Klageweg vor den europäischen Institutionen, er dauert ja lang. Die Maut soll aber schon nächstes Jahr möglicherweise greifen. Denken Sie, dass Österreich auch über kurzfristige Gegenmaßnahmen nachdenkt?
    Schmidt: Na ja, als Österreicherin, wir haben hier eine Maut. Nur die Maut, die wir haben, gilt für alle, also für die österreichischen Europäer und für alle anderen Europäer. Der Klageweg wird mit Sicherheit beschritten werden von uns. Und kurzfristige Maßnahmen? Ich kann mir nicht vorstellen. Ich meine, wir haben ja immer ein gutes Einvernehmen auch mit unseren angrenzenden Nachbarstaaten. Ich gehe doch davon aus, dass in Deutschland die Vernunft siegen wird und einfach dieser Weg nicht beschritten wird, der ja wirklich auch in Gedanken und im Sinne Vieler nicht EU-rechtskonform ist.
    Engels: Auf der anderen Seite könnten ja auch die Österreicher überlegen, die Inländer von Mautbelastungen zu entlasten und dafür es gegebenenfalls bei ausländischen Autofahrern draufzuschlagen.
    Schmidt: Ja, überlegen kann man das alles. Nur noch einmal: Wir Österreicher sind überzeugte Europäer und wir werden das mit Sicherheit nicht tun. Die einzige Frage, warum wird eine Maut eingeführt, ist ja, und das sagt ja auch der Herr Dobrindt: Er will zweckgebundenes Geld für den Erhalt der Infrastruktur. Wir in Österreich nehmen durch alles, was mit Auto zu tun hat, Kraftfahrzeugsteuer, Mineralölsteuer und so weiter, fast 13 Milliarden Euro ein. Davon investieren wir über 900 Millionen nur in die Infrastruktur. Und wenn man das jetzt auf Deutschland umlegt, denke ich – Deutschland ist ja zehnmal so groß –, wenn man das jetzt bedenkt, könnte Deutschland eine andere Variante finden, die Infrastruktur zu erhalten, und das ist ja der Hintergrund von dem, was Seehofer und Dobrindt eigentlich wollen.
    Engels: Sie selbst mahnen ja schon lange, man solle Mautsysteme europaweit, und zwar nach ähnlichen Standards einführen. Wie könnte so etwas aussehen?
    "Eine europaweite Vereinheitlichung dieser Mautsysteme muss kommen"
    Schmidt: Na ja, es gibt 24 verschiedene Mautsysteme, und ich glaube, die sollte man vereinheitlichen, weil die Horrorvision ist ja, dass man dann die ganze Windschutzscheibe voller Mautaufkleber – Pickerl heißt das bei uns – hat. Eine Vereinheitlichung europaweit dieser Mautsysteme muss auf jeden Fall kommen, weil ich bin eine ganz vehemente Vertreterin des europäischen Verkehrsraumes, und wenn man so etwas haben will – und ich gehe davon aus, dass das jeder haben will –, dann muss man ein einheitliches System finden.
    Engels: Ihr Konzept würde aber im Endeffekt bedeuten, dass, auf Deutschland angewandt, der deutsche Autofahrer sehr wohl durch eine deutsche Maut belastet würde, wie eben jeder EU-Ausländer auch, oder?
    Schmidt: So ist es, ja. Gleiches Recht für alle und auch gleiche Pflichten für alle.
    Engels: Haben Sie darauf denn schon Reaktionen des Bundesverkehrsministeriums in Berlin?
    Schmidt: Ich habe da überhaupt keine Reaktion. Ich bin wahrscheinlich in den Augen des Verkehrsministers ein zu kleines Licht, um auf irgendwelche Forderungen oder Ansagen von mir zu reagieren.
    Engels: Was denken Sie denn, denn der Beschluss in Deutschland scheint ja auf jeden Fall zu kommen? Auf was für Hoffnungen setzen Sie, wenn Sie sagen, Sie appellieren an Vernunft, dass diese Maut nicht kommen wird? Auf wen hoffen Sie denn da noch?
    "Der Gesetzentwurf ist definitiv nicht EU-rechtskonform"
    Schmidt: Na ja, Sie haben es in Ihrem Bericht gesagt: Es gibt ja durchaus Bedenken vom Koalitionspartner. Es gab ja lange Bedenken auch von der CDU. Und nur weil etwas in einem Parteienübereinkommen steht, mit einem lapidaren Zusatz, wenn es EU-rechtskonform ist, was es ja definitiv dann nicht ist, deswegen appelliere ich an die Vernunft und auch an den Europäer Dobrindt, dass er da wirklich noch einmal in sich geht und nachdenkt, weil diese Mautidee von ihm, so wie er sie haben will und wie sie auch im Koalitionsübereinkommen in Deutschland steht, ist, glaube ich, nicht dazu angehalten, sich viele Freunde zu machen und auch durchgeführt zu werden.
    Engels: Schon vor Monaten kam hier in der deutschen Debatte heraus, dass es auf Grundlage dieses Gesetzentwurfes von Herrn Dobrindt sehr wohl sein könnte, dass der deutsche Autofahrer mittelfristig durch die Maut belastet werden würde, wenn nämlich die Gebührensätze sich ändern, wenn die Entlastung bei der Kfz-Steuer und die für die Maut geplanten Gebührensätze langsam auseinanderklaffen. Könnte das auch ein Weg sein, dass sich langfristig dadurch, dass sich eine Belastung deutscher Autofahrer ergibt, das Ganze doch durch die Hintertür EU-rechtskonform wird?
    Schmidt: Kann ich mir nicht vorstellen, weil wenn man es jetzt in der Gegenwart anschaut, ist ja diese Diskriminierung auf jeden Fall gegeben, weil wie gesagt die deutschen Autofahrer das über die Kfz-Steuer refundiert bekommen sollen. In der Zukunft mit Inflation und so weiter kann das einmal eintreten, aber ich glaube, das ist ganz weite Zukunftsmusik. So wie es jetzt ausschaut, ist es auf jeden Fall eine Diskriminierung aufgrund von Staatszugehörigkeit, nämlich aller anderen, außer der deutschen Autofahrer. Und noch einmal: Ich halte nichts davon. Wir haben alle Grenzstationen abgebaut und jetzt bauen wir Mautstationen auf. Das ist nicht der europäische Gedanke, so wie ihn auch alle Politiker in Deutschland immer wieder sagen und predigen.
    Engels: Claudia Schmidt, sie ist die verkehrspolitische Sprecherin der österreichischen EVP-Abgeordneten. Das sind die Christdemokraten im Europäischen Parlament. Und sie ist Mitglied im Verkehrsausschuss, ebenfalls im EU-Parlament. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Schmidt: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.