Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv

Pkw-Maut
"Mit EU-Recht kompatibel"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die Mautpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt verteidigt. Die Maut biete "mehr Gerechtigkeit", sagte er im Deutschlandfunk. Die Einnahmen müssten aber dem Straßenbau zugute kommen. Europarechtliche Bedenken sieht er nicht.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Sandra Schulz | 11.07.2014
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kommt am 27.04.2014 auf einem Motorrad zur Motorradsternfahrt in Kulmbach (Bayern).
    "Ein sehr gutes, überzeugendes Konzept": Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobt die Mautpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt. (dpa / David Ebener)
    2016 soll die Maut auf allen Straßen für alle Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen gelten. Rund 90 Euro im Schnitt soll die Maut kosten, deutsche Autofahrer aber durch eine Reform der Kfz-Steuer nicht stärker belastet werden. Ungerecht und bürokratisch nennt die Opposition die Maut, auch Wirtschaftsverbände äußern Bedenken - heute tagt die Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer.
    Herrmann zeigt sich vom Maut-Konzept überzeugt
    Joachim Herrmann nennt Dobrindts Pläne "ein sehr gutes, überzeugendes Konzept. Dobrindt hat den Koalitionsvertrag umgesetzt." Die Maut biete "mehr Gerechtigkeit". Da sich deutsche Autofahrer schon lange "überall an der Finanzierung der Straßen" beteiligen würden, sei es gerecht, dass sich Ausländer nun auch in Deutschland an den Kosten beteiligen würden.

    Da die Pläne jedoch eine Mehrbelastung deutscher Autofahrer ausschließen, gibt es Bedenken, dass die EU-Kommission wegen einer Diskriminierung einschreiten könnte. Herrmann wischte diese Zweifel weg. Er sei überzeugt, dass die Maut mit dem EU-Recht kompatibel ist. Die Tatsache, dass sich Ausländer momentan "überhaupt nicht" an den Kosten beteiligen, Deutsche im Ausland aber schon, sei laut Herrmann ebenfalls "eine Diskriminierung".
    "Maut muss Straßen zugutekommen"
    Herrmann verwies auf die finanziellen Notwendigkeiten im Straßenbau. "Wir brauchen mehr Geld, wir hinken in vielen Bereichen hinterher", sagte Herrmann. 600 Millionen Euro im Jahr solle die Pkw-Maut bringen. "Damit kann man schon einiges bewegen." Die Maut sei daher "der richtige Einstieg" in eine stärkere Nutzerfinanzierung der Straßen, auch wenn es nicht die Lösung aller Straßenverkehrsprobleme sei.
    Wichtig sei, dass die Mehreinnahmen nun auch den Straßen zugutekommen. Bei der Lkw-Maut sei das nicht der Fall. "Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sind deutlich gestiegen, was der Bundesfinanzminister zum Anlass genommen hat, immer weniger Steuergelder für die Straßen zur Verfügung zu stellen."

    Das Interview mit Joachim Herrmann in voller Länge:
    Sandra Schulz: "CSU kämpft gegen die Maut" – so titelte im vergangenen November die Münchner Abendzeitung. Ja, da haben Sie sich jetzt nicht verhört. Aber Sie ahnen es schon: Es ging da nicht um die Maut in Deutschland, sondern um eine Ausweitung der Mautpflicht in Österreich.
    In Deutschland ist die Ausgangslage eine ganz andere. Da kämpft die CSU ja für eine PKW-Maut und nachdem er es lange spannend gemacht hatte, hat Verkehrsminister Dobrindt Anfang der Woche jetzt ein Konzept für eine Kfz-Maut vorgelegt. Euphorie, um es vorsichtig zu sagen, ist ihm da allerdings nicht entgegengeschlagen.
    Die Kfz-Maut beschäftigt heute auch die Verkehrsministerkonferenz. Mit dabei ist dann auch der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU), und den begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Joachim Herrmann: Guten Morgen!
    Schulz: Herr Herrmann, welche Note geben Sie Herrn Dobrindt für sein Konzept?
    "Wir brauchen mehr Gerechtigkeit"
    Herrmann: Das ist insgesamt ein sehr gutes, überzeugendes Konzept. Alexander Dobrindt hat den Koalitionsvertrag entsprechend umgesetzt und jetzt brauchen wir klare politische Entscheidungen, denn wir brauchen vor allen Dingen mehr Geld für den Straßenbau inklusive Lärmschutz in unserem Land und wir brauchen auch mehr Gerechtigkeit, denn die deutschen Autofahrer dürfen in den allermeisten unserer Nachbarländer überall sich an der Finanzierung des Autobahnnetzes beteiligen.
    Wenn sie nach Österreich fahren, nach Tschechien, nach Italien, nach Frankreich, überall dürfen sie sich an der Finanzierung der dortigen Straßen beteiligen. Und ich denke, es ist einfach eine Frage der Chancengerechtigkeit, dass wir den ausländischen PKW-Fahrern die gleiche Chance geben, sich an der Finanzierung unserer Straßennetze zu beteiligen.
    Schulz: Aber das ist europarechtlich ja gerade der heikle Punkt. Es gibt einen Fachbegriff dafür im Europarecht, der heißt Diskriminierung, und die ist eigentlich verboten. Wieso bekommt das Konzept von Ihnen eine Eins, wenn es in Europa nicht haltbar ist?
    "Maut mit EU-Recht kompatibel"
    Herrmann: Ich bin davon überzeugt, es wird in Europa haltbar sein. Man wird jetzt mit der EU-Kommission natürlich weiter Gespräche führen. Alexander Dobrindt hat das bereits begonnen. Und ich bin sicher, dass es am Schluss in den detaillierten Ausführungen ein Konzept geben wird, das dann auch mit dem EU-Recht kompatibel ist.
    Schulz: Aber Sie haben es doch gerade ausdrücklich noch mal gesagt: Ziel der PKW-Maut ist es, Geld in deutsche Kassen zu spülen aus den Portemonnaies ausländischer Autofahrer – versteckte Diskriminierung.
    Herrmann: Nein, das ist keine versteckte Diskriminierung.
    Schulz: Glauben Sie nicht, dass sich das auch bis zur EU-Kommission durchgesprochen hat, herumgesprochen hat?
    Herrmann: Im Moment ist es so, dass Ausländer sich überhaupt nicht beteiligen an unserer Straßenfinanzierung, wir aber sehr wohl in anderen Ländern zur Kasse gebeten werden. Das ist doch im Moment eine Diskriminierung.
    Schulz: Aber es soll in Deutschland ja so sein, dass die Ausländer die Maut künftig zahlen und die Deutschen nicht.
    "Keine Mehrbelastung der deutschen Autofahrer"
    Herrmann: Das steht ausdrücklich auch so im Koalitionsvertrag. Das hat die Koalition so vorgegeben: keine Mehrbelastung der deutschen Autofahrer. Aber entsprechend innerhalb des EU-Rechts eine Möglichkeit, dass die ausländischen PKW-Fahrer zahlen. Ich glaube, dass Alexander Dobrindt mit dem Konzept, dass wir einen Teil der Kfz-Steuer da entsprechend verändern, dass durchaus auch mit ökologischen Gesichtspunkten die Autofahrer in Deutschland entsprechend hier herangezogen werden, sie auf der anderen Seite bei der Kfz-Steuer entlastet werden, dass das ein gutes Konzept ist.
    Klar ist, wir entscheiden insgesamt. Wir brauchen mehr Geld für unseren Straßenbau. Wir hinken in vielen Fragen einfach hinterher. Es ist in den letzten Jahren viel vernachlässigt worden. Das gilt für alle Ebenen, Bund, Länder und Gemeinden. Und deshalb ist der interessante Ansatz von Alexander Dobrindt ja auch, dass wir gerade eine Straßenverkehrsabgabe insgesamt hier einführen, die dann letztendlich auch den Ländern und den Kommunen zugutekommen kann.
    Schulz: Ist das auch der Grund, warum Sie das Konzept so positiv sehen, weil die Länder auch kassieren wollen?
    Herrmann: Es haben sich ja mehrere Länder bereits gemeldet und gesagt, ja, das finden sie einen interessanten Ansatz. Ich glaube, es ist auch richtig, dass wir uns nicht nur mit unserem Autobahnnetz beschäftigen. Aber entscheidend ist, dass wir in dieses Thema "stärkere Nutzerfinanzierung" einsteigen und dabei vor allen Dingen dann klarstellen, dass das, was die Autofahrer zahlen, sowohl die Deutschen wie die Ausländer, dass das tatsächlich auch dem Straßenbau zugutekommt.
    "Nettoeinahmen von etwa 600 Millionen Euro jährlich"
    Das ist das besonders Ärgerliche an der LKW-Maut der letzten fünf, sechs, sieben Jahre, dass die Einnahmen aus der LKW-Maut deutlich gestiegen sind, aber dass bislang der Bundesfinanzminister nur das zum Anlass genommen hat, immer weniger Steuergelder für den Straßenbau zur Verfügung zu stellen, im gleichen Atemzug wie mehr Geld aus der LKW-Maut reinkam. Das ist nicht sinnvoll.
    Schulz: Herr Herrmann, wie viel Geld wollen Sie denn haben?
    Herrmann: Nun, jetzt geht es mit diesem Konzept, das Alexander Dobrindt vorgelegt hat, darum, dass hier etwa Nettoeinnahmen in der Größenordnung von etwa 600 Millionen Euro pro Jahr entstehen werden. In einer vierjährigen Legislaturperiode sind das dann immerhin rund zweieinhalb Milliarden Euro. Damit kann man schon einiges bewegen. Das ist noch nicht die Lösung aller Straßenverkehrsprobleme der nächsten Jahre, aber es ist der richtige Einstieg in eine stärkere Nutzerfinanzierung unserer Straßen.
    Schulz: Noch mal ganz kurz die Bitte, meine Frage zu beantworten. Wie viel wollen Sie als Land denn davon bekommen, wenn 600 Millionen kalkuliert sind?
    "Auch Kommunen müssen Stück vom Kuchen bekommen"
    Herrmann: Wir haben hier von Bayern aus nicht als erste die Finger gehoben. Das ist auch nicht das Ziel dieses Konzeptes, dass wir für Bayern daraus mehr Geld bekommen. Aber der Ansatz insgesamt, den Ländern hier auch die Möglichkeit zu eröffnen, und die Kommunen haben ausdrücklich ja auch schon gesagt, auch der Präsident des Städtetages beispielsweise, dass er das für einen interessanten Ansatz hält, dass auf die Weise auch die Kommunen ein Stück weit mit von dem Kuchen bekommen können. Das halte ich für richtig.
    Ich lege mich jetzt heute nicht auf einzelne Prozentsätze fest. Entscheidend ist, dass darüber – wir stehen ja erst am Anfang der Diskussion – jetzt ein vernünftiger Dialog auch zwischen Bund, Ländern und Gemeinden stattfindet. Ich bin sicher, dass wir am Schluss zu einem guten Konzept kommen.
    Schulz: Der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann. Herr Herrmann, sorry, ich muss Ihnen da schon ins Wort fallen. Die Nachrichten nahen.
    Hermann: Jawohl!
    Schulz: Joachim Herrmann von der CSU, Verkehrsminister in Bayern, heute hier in den „Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen.
    Herrmann: Ich danke Ihnen auch! Einen schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.