
Zunächst versuchte Mamed, in anderen Teilen der Russischen Föderation Unterschlupf zu finden. Er reiste bis nach Wladiwostok, ganz im Osten. Doch überall holte ihn die Staatsmacht ein, ihm drohte die Verhaftung. Schließlich kam er über Weißrussland nach Polen.
Mamed hat Asyl bekommen. Aber viele, die heute aus Tschetschenien fliehen, würden in Polen abgelehnt, sagt Jacek Bialas von der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte:
"Seit in Tschetschenien kein Krieg mehr herrscht, gewähren die polnischen Behörden nur noch ein paar Dutzend Tschetschenen pro Jahr Schutz. Wir halten viel mehr Flüchtlinge von dort für schutzwürdig. Vor Kurzem ist ein Tschetschene, der aus Polen abgeschoben wurde, spurlos verschwunden - kurz, nachdem er die Grenze überquert hatte."
Seit den 1990er-Jahren sind etwa 90.000 Tschetschenen nach Polen geflohen, doch nur wenige blieben dort. Die meisten reisen sofort weiter Richtung Westen. Dass in Polen so wenige Asyl bekommen, ist ein Grund dafür. Weitere Gründe sind Verwandte im Westen und bessere Chancen, dort einen Arbeitsplatz zu finden. Auch Mamed fuhr zuerst zu seiner Tante nach Belgien und musste nach Polen zurückkehren. Nicht bei ihm, aber bei anderen nähmen die polnischen Behörden die Weiterreise als zusätzlichen Grund, ihren Asylantrag abzulehnen.
"Im Ablehnungsbescheid heißt es dann, die Person suche offenbar gar keinen politischen Schutz, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen weiterreisen. Aber diese Menschen können wirklich nicht nach Tschetschenien zurückkehren und flüchten, bevor sie abgeschoben werden, wieder aus Polen Richtung Westen. Ich kenne Menschen, die fünfmal hierher zurückgebracht wurden und wieder abgehauen sind."
Informationen aus Deutschland, dass über Polen auch tschetschenische Islamisten in die EU einreisen, können weder Mamed noch Hilfsorganisationen bestätigen. Die polnischen Geheimdienste allerdings kennen solche Fälle. Sie haben wiederholt darüber informiert, dass unter den Tschetschenen, die für den sogenannten Islamischen Staat kämpfen, sich einige zeitweise auch in Polen aufgehalten haben.
"Es gibt unter ihnen solche, die von Russland gezielt eingeschleust werden. Das sind in der Regel Anhänger des Putin-treuen tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow. Sie sollen Unruhe unter den tschetschenischen Flüchtlingen stiften oder bestimmte unter ihnen verfolgen. Darüber sprechen alle Tschetschenen hier."
Dass die Debatte über tschetschenische Flüchtlinge in Deutschland gerade jetzt geführt wird , stößt in Polen allerdings auf Unverständnis. Deren Zahl sei zwar leicht gestiegen, heißt es. Aber sie machten nur einen Bruchteil der Flüchtlinge aus, die insgesamt nach Deutschland kämen. Der polnische Innenminister Mariusz Blaszczak warf Berlin Inkonsequenz vor. Über eine Million Flüchtlinge aus dem Nahen Osten schicke Deutschland nicht zurück in die Länder, über die sie in die EU einreisten. Dagegen betone es nun bei den wenigen Tausend russischen Staatsbürgern, dass diese unbedingt nach Polen zurückkehren müssten.
Polnische Beobachter vermuten darin vor allem einen Seitenhieb gegen Warschau, so Garik Grigorjan, Sprecher der polnischen Flüchtlings-Hilfsorganisation "Ocalenie":
Die Leidtragenden seien die Flüchtlinge, meint Grigorjan. Tschetschenen müssten sich nun in Deutschland als Flüchtlinge zweiter Klasse fühlen.