Die Geschichte von Alexandre beginnt im Herbst 2015, als ihn die Polizei betrunken in Drancy, nordöstlich von Paris, aufgreift:
"Sie wollten mich ins Auto bugsieren, mit dem Oberkörper lag ich schon halb auf dem Sitz, da hat mir einer den Schlagstock eingeführt, zwei haben mich festgehalten. Ich habe geschrien und gebrüllt."
Der Fall, der gestern im Departement Seine-Saint Denis vor Gericht verhandelt wurde, ähnelt jenem, der Anfang des Monats tagelange Unruhen in mehreren Pariser Banlieues ausgelöst hatte. Ein junger Mann namens Théo wurde so brutal von der Polizei kontrolliert, dass er mehrere Tage im Krankenhaus verbringen musste. In beiden Fällen wird nun wegen Vergewaltigung gegen je einen der beteiligten Polizisten ermittelt.
Schlechte Erfahrungen mit der Polizei
"Wenn sie einen Franzosen mit afrikanischen oder arabischen Wurzeln fragen, dann werden Sie jede Menge solcher Geschichten hören."
Erzählt ein junger Mann aus den Banlieues, der sich an den Protesten beteiligt. Weil er selbst schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht und die Schnauze voll habe:
"Ich bin vom Tennis nach Hause gekommen, mein Fahrrad war kaputt, also hab ich‘s geschoben. Dann kam ich an einer Polizeistreife vorbei, die gerade eine afrikanische Familie kontrolliert hat. Ich hab also kurz geschaut, was da los ist. In dem Moment hat mich ein Polizist angesprochen, es ging hin und her, und dann hat er mir Tränengas ins Gesicht gesprüht."
Und weil er in der Nähe der Polizeistation wohne, habe er den Polizisten kurz darauf wiedergetroffen. "Und wissen Sie, was der mir gesagt hat? Wer zugucken will, muss Eintritt zahlen."
"Polizei der Nähe" ist gescheitert
Das ist mit Sicherheit nicht das, was sich die Wahlkämpfer in Paris unter "Polizei der Nähe" vorstellen. Jene Idee, die schon einmal dafür sorgen sollte, dass die Polizei wieder sichtbarer ist in den Vierteln, dass man sich untereinander kennt, Misstrauen abbaut. Der parteiunabhängige Kandidat Emmanuel Macron spricht von mehr Präsenz, ebenso wie der Sozialist Benoît Hamon:
"Die Polizei muss zu Fuß in den Vierteln unterwegs sein, sich vernetzen, mit den Familien in Kontakt treten, die Angst haben, dass ihre Kinder abrutschen. Das ist ein schwerer Job, deswegen brauchen wir mehr Polizisten, sie müssen besser ausgebildet und besser bezahlt werden."
Die Sozialisten: Trotz Versprechungen keine Verbesserungen
Die Sozialisten hatten zu Beginn ihrer Regierungszeit große Versprechungen gemacht, ohne dass sich die Lage in den Vorstädten nachhaltig verändert hat. Denn auch für die Polizisten ist die Arbeit nicht einfacher geworden, sie berichten von Provokation und Respektlosigkeit. Diese Versäumnisse prangert nun auch der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon an und rückt die Sicherheit ins Zentrum seines Wahlkampfes. Mit einer klaren Stoßrichtung:
François Fillon will Strafmündigkeit ab 16 Jahren
"Manche sprechen von Vierteln, wenn rechtlose Zonen gemeint sind. Man muss die Sachen beim Namen nennen: Ein Randalierer ist kein frustrierter Jugendlicher, sondern: Ein Randalierer." Und die möchte der Kandidat der Republikaner künftig auch früher bestrafen können:
"Ordnung und Sicherheit sind fundamentale Werte. Deswegen will ich die Strafmündigkeit ab 16 Jahren."
Le Pens Umfragewerte bleiben trotz Mitarbeiter-Affäre stabil
Es ist ein umstrittener Vorstoß. Wie François Fillon zeigt sich auch Front-National-Chefin Marine Le Pen uneingeschränkt solidarisch mit der Polizei. Es gebe Leute, sagt sie und meint die "Randalierer", die jede Gelegenheit nutzten, um ihren Hass gegen Frankreich und den Rechtsstaat auszuleben. Sie sei es doch, die die Unruhen durch ihre Hassreden schüre, wirft ihr Sozialist Hamon im Gegenzug vor. In den Umfragen aber liegt Marine Le Pen vorn. Und das stabil. Ihr hat die Affäre um Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern bislang nicht schaden können.