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Portugal wählt
Mit der "Klapperkiste" in den Aufschwung

In Portugal stützt sich eine sozialistische Minderheitsregierung unter Premier António Costa auf drei kleinere, radikalere Linksparteien - eine ungewohnte Konstellation für Portugal und Europa. Anfangs als "Klapperkiste" verspottet, erwies sich das Bündnis als robust - und hat gute Chancen bei der Wahl am 6. Oktober zu überzeugen.

Von Tilo Wagner | 05.10.2019
    Portugals Ministerpräsident António Costa (links) mit Außenminister Augusto Santos Silva und Finanzminister Mario Centeno (rechts) im portugiesischen Parlament in Lissabon
    Portugals Ministerpräsident António Costa (links) mit Außenminister Augusto Santos Silva und Finanzminister Mario Centeno (rechts) freuen sich: Die Sozialisten haben gute Aussichten auf Erfolg bei den Parlamentswahlen am 6. Oktober 2019 (Imago)
    Ein Kommentator nannte das linke Bündnis in Portugal "Geringonça": Klapperkiste. Der Begriff war abfällig gemeint, geriet aber zum geflügelten Wort, in dem auch Anerkennung steckt: Politische Ziele wie eine Anhebung des Mindestlohns um 20 Prozent konnten umgesetzt werden. Das Staatsdefizit sank, Staatsschulden wurden abgebaut. Die Folge: Vor der nun anstehenden Wahl stecken in Portugal nicht die Linksparteien in der Krise, sondern die konservative Opposition.
    Wahl in Portugal am 6. Oktober
    In Portugal wählen die Bürgerinnen und Bürger ein neues Parlament. Stimmberechtigt sind 10,8 Millionen Menschen. Umfragen zufolge können die seit 2015 regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Costa erneut mit einem Sieg rechnen. Als entscheidend gilt die gute Wirtschaftslage. Portugals Wachstum liegt über dem Durchschnitt der EU; die Staatsschulden haben einen Tiefststand erreicht.
    Dennoch bleiben große Probleme ungelöst: Da ist die Wohnungsnot in den Großstädten Lissabon und Porto. Oder die Misere der Verkehrsbetriebe – die auch darauf hinweist, dass die Sozialisten in öffentlichen Bereichen ebenso sparen können, wie es die Konservativen täten.
    In den 90er Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, haben sich Tausende auf den Weg nach Deutschland gemacht. Ganze Landstriche mussten bluten. Finanzielle Förderung für die Region aus Deutschland konnte das nur teilweise verhindern.
    Portugals Ministerpräsident Antonio Costa in Brüssel
    Gewinnertyp von Mittelinks
    Ein wackliges Bündnis schloss der Sozialist António Costa in Portugal vor vier Jahren mit mehreren Linksparteien. Doch die "Klapperkiste" fährt so gut, dass Costa bei den Wahlen am 6. Oktober auf Sieg setzen kann. Auch subventionierter Nahverkehr soll dabei helfen.
    Menschen stehen an einer Bushaltestelle in Lissabon
    Es fährt kein Bus nach Nirgendwo
    Plötzlich hat das regierende Linksbündnis das Thema Verkehrswende entdeckt. Günstige Tickets sollen die Lissabonner in Busse und Bahnen locken. Doch solange die nicht aufeinander abgestimmt sind, werden die Menschen noch lange an Haltestellen stehen.
    Blick über das Viertel Alfama in der Altstadt von Lissabon
    Wo Reichtum einzieht, ist für Ärmere kein Platz mehr
    Lissabon ist schön: Touristen wollen in der Altstadt nächtigen, Wohlhabende kaufen Wohnungen. Das bedeutet auch: Verdrängung der angestammten Bewohner. Es trifft besonders bedürftige Menschen. Der Regierung fällt dazu nur wenig ein.
    Rui Rio, der Vorsitzende der konservativen portugiesischen PSD
    Portugals konservatives Lager zersplittert
    Während dem regierenden Linksbündnis der Sieg bei der Wahl am 6. Oktober fast sicher ist, verschärft sich die Krise des Mitte-Rechts-Lagers. Neue rechte Splitterparteien machen der konservativen Volkspartei PSD das Leben schwer. Mancher gibt Parteichef Rui Rio die Schuld.
    Touristen am Aussichtspunkt Portas do Sol in der Altstadt von Lissabon
    Leben vom und gegen den Tourismus
    Vor allem der Tourismus hat Portugal aus dem Tal der Finanz- und Wirtschaftskrise gerettet. Er ermöglicht vielen Portugiesen nun - trotz Schattenseiten - ein selbstbestimmtes Leben im Land. Auch im Angebot: Vermeintlich un-touristischer Tourismus.