
Fernando Santos steht im Lissabonner Zentrum vor einer Filiale der "Novo Banco" – so heißt seit Anfang August das Geldhaus, das über ein Jahrhundert lang nach der Gründerfamilie Espírito Santo benannt war. Kurz vor der Verstaatlichung hatte der 33-jährige Verwaltungsbeamte über 9.000 Euro in Aktien der ehemals größten portugiesischen Privatbank investiert.
Nichts sei ihm davon geblieben, sagt Santos. Er fühlt sich betrogen. Die Bank ist geteilt worden. In eine gute, die verstaatlich wurde, und eine schlechte, die auf ihre Abwicklung wartet. Und alle Aktionäre sind automatisch zu Teilhabern der schlechten Bank geworden. Sein Geld wird Fernando Santos nie mehr wiedersehen. Deshalb hat der Kleinaktionär einen Verband gegründet, der mittlerweile die Interessen von 1.000 Anlegern vertritt. Von der parlamentarischen Untersuchungskommission, die in Lissabon nun mit ihren Anhörungen beginnt, erhofft sich Santos Aufklärung. Denn Schuldige gibt es seiner Meinung nach genug:
"Wir glauben, dass in diesem Fall alle involvierten Institutionen versagt haben. Allen voran die portugiesische Staatsbank, weil sie dafür verantwortlich ist, die Bankgeschäfte in Portugal zu überwachen und zu regulieren. Schuld trifft aber auch die Europäische Zentralbank, weil sie der Banco Espírito Santo in ihrem Stresstest bescheinigte, eines der solidesten Geldhäuser Portugals zu sein. Und dann ist da noch die Troika, die nicht darauf gedrängt hat, dass die Bank von den Kreditlinien Gebrauch machte, die für angeschlagenen Banken in Portugal zur Verfügung standen."
Kapitalerhöhung sieben Wochen vor dem Kollaps
In einem Punkt haben die Finanzinstitutionen in Portugal ganz sicher versagt: Obwohl die Staatsbank bereits seit Anfang 2014 von den riesigen Finanzproblemen der einflussreichen Bankiersfamilie Espírito Santo wusste, erlaubte sie der Bank noch sieben Wochen vor dem Kollaps, eine Kapitalerhöhung in Höhe von über einer Milliarde Euro umzusetzen. Das sei nicht zu verantworten gewesen, sagt der Wirtschaftsprofessor João César das Neves:
"Es ist noch sehr früh, über diesen Fall zu urteilen, und vielleicht werden wir nie alle nötigen Informationen zusammen haben, die uns das ermöglichen. Der größte Skandal ist die Kapitalerhöhung. Sowohl die Staatsbank als auch die Börsenaufsicht tragen Verantwortung. Wie kann es sein, dass eine Kapitalerhöhung nach zwei Monaten komplett scheitert? Da besteht großer Erklärungsbedarf."
Von der Notwendigkeit, eine parlamentarische Untersuchungskommission ins Leben zu rufen, waren alle portugiesischen Parteien überzeugt. Da die portugiesische Justiz in jüngster Zeit Schwächen gezeigt hat, komplexe Korruptionsaffären und Bankenskandale aufzuklären, dient die Kommission nicht nur einer Wahrheitsfindung im politischen Sinne. Die Aussagen, die in der Kommission gemacht würden, hätten Gültigkeit vor portugiesischen Gerichten, sagt Miguel Tiago, der für die kommunistische Partei in der Kommission sitzt:
"Wir wollen die Justiz mit den Fakten füttern, die in der Kommission ans Licht kommen. Und wir wollen feststellen, wer die politische Verantwortung übernehmen muss, damit der portugiesische Staat in Zukunft nie wieder das Geld der portugiesischen Steuerzahler dafür verwenden muss, Banken zu retten."
Kleinanleger im Nachteil
Neben dem Staatsbankpräsidenten sollen auch Vertreter der konservativen Regierung vor der Kommission aussagen. Miguel Tiago wirft der Finanzministerin vor, dass wichtige Informationen über die anstehende Verstaatlichung der Bank zu einflussreichen Investoren durchgesickert waren. Anders als die Kleinaktionäre hätten diese Großanleger ihre Aktien rechtzeitig abstoßen können.
"Wir müssen herausfinden, ob der Staatsbankpräsident und die Finanzministerin im Parlament gelogen haben, als sie versicherten, dass über die Bankenrettung Anfang August entschieden worden sei. Wir wissen mittlerweile, dass die Europäische Union bereits am 30. Juli von dem Plan erfahren hat. Und diese Information ist scheinbar an große Investoren wie Goldmann Sachs geraten, die sich vor der Einstellung des Aktienhandels von ihren Positionen befreien konnten."
Die Kommission hat 120 Tage Zeit, um den Fall Banco Espírito Santo aufzuarbeiten. Da jedoch jetzt schon mehr als 130 Anhörungen geplant sind, könnte sich die Arbeit noch bis in die nächste Legislaturperiode erstrecken.