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Präsidentschaftswahl in Russland
Der Wahlkampf von Wladimir Putin

Mediale Inszenierungen und viele Versprechen: So will Russlands Präsident Wladimir Putin seine Wiederwahl am Sonntag sicherstellen - und mit großer Wahrscheinlichkeit wird ihm das auch gelingen. Kritiker werfen ihm unter anderem Reformstau und Korruption vor - und sehen in der Wahl nur eine formale Prozedur.

Von Thielko Grieß | 16.03.2018
    Moskau - März 2018: Der russische Präsident Wladimir Putin im Luzhniki Stadion
    Moskau - März 2018: Der russische Präsident Wladimir Putin im Luzhniki Stadion (imago stock&people)
    Der Winter hält Moskau fest in seinem Griff, Minusgrade lassen den Fluss Moskwa fast zufrieren. Trotz des unwirtlichen Wetters strömen an einem Samstag Zehntausende in das Stadion Luschniki. Dort soll im Sommer das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen werden. Jetzt aber ist dort alles anders, nicht nur der Kälte wegen: Es gibt keinen Gegner, das Spiel ist schon entschieden.
    "Nach vorn, Russland - nach oben!"
    Inszenierte Bilder des Jubels
    Bekannte Musiker und der populäre Moderator eines quasi-staatlichen Sportkanals haben die Menge angeheizt, um Wladimir Putin zu empfangen. Die Ränge sind bis hoch hinauf gefüllt, Unterstützer des amtierenden und mit großer Sicherheit auch künftigen Präsidenten schwenken Fahnen. Diese Bilder des Jubels, der Einigkeit der Massen gehen ins Land, übers Fernsehen und im Internet.
    Der Präsident betritt eine große Bühne in der Mitte des Stadions. Schauspieler, Regisseure, Musiker, Sportler - sie alle stehen buchstäblich hinter Wladimir Putin. Sie symbolisieren: "Wir sind ein Land, das zusammenhält."
    "Niemand wird das an unserer Stelle für uns tun. Aber wenn wir das tun, dann werden die kommenden Jahrzehnte, das ganze 21. Jahrhundert, im Zeichen unserer glänzenden Siege stehen. Wir werden es tun. Ja?" - "Ja!"
    Der Kandidat spricht kaum mehr als zwei Minuten. Zum Schluss lobt er die russischen Hockeyspieler, die auch hinter ihm stehen. Sie haben bei den Olympischen Spielen in Südkorea im Finale gegen Deutschland Gold gewonnen.
    "Aber, aus welchen Gründen auch immer, haben wir die Musik nicht gehört. Lassen Sie uns das zusammen tun, zur Musik unserer Nationalhymne. Machen wir das, ja? Los geht’s!"
    Botschaft der Stärke
    Eishockey ist in Russland enorm populär, die Übertragung des olympischen Finales bescherten die höchsten Quoten seit vier Jahren und der Sieg der Mannschaft in Pyeongchang passt ideal in die Erzählung, die der Kreml, der Präsident und die Partei "Einiges Russland" nicht nur zu Wahlkampfzeiten über all ihren Kanälen verbreiten: Russland sei nach dem demütigenden Zerfall der Sowjetunion, dem Verlust seiner Identität als Großmacht, nach grassierender Armut und Kriminalität der 90er-Jahre wieder auferstanden; das Land finde zurück zu alter Stärke, wird auch dank seines potenten Militärs im Ausland anerkannt. Vater des Erfolgs: Wladimir Wladimirowitsch Putin.
    Doch Vorsicht bleibe geboten: Der Feind, voran die USA, die NATO, der Westen insgesamt, warte nur darauf, Russland zu schwächen, und zwar in jeder denkbaren Disziplin. Dagegen steht der Heroismus - zuletzt der siegreichen Hockeymannschaft, die ohne Hymne und Fahne antreten musste. Putins Slogan lautet in diesem Jahr: "За сильную Россию", "Für ein starkes Russland".
    Verehrer Putins schätzen die Stabilität
    "Wir sind eine Mannschaft, ja?" Die Antwort im Stadion ist einstimmig. Ob diese Erzählung stimmt oder nicht, ist nicht von Belang. Tatsache ist, dass sie verfängt und in weiten Teilen Russlands als Wirklichkeit wahrgenommen wird. Heftiger Streit, wie etwa in diesen Tagen mit Großbritannien über einen Giftanschlag auf einen früheren russischen Doppelspion, einen viele Menschen hinter ihrem Präsidenten. In ihren Augen ist Putin der, der das Land schützt und nach vorne bringt. So sieht es auch Nikita. Als Putin Präsident wurde, war er vier Jahre alt. Inzwischen ist er 22 und absolviert bei der Moskauer Metro eine Ausbildung zum U-Bahn-Fahrer. Er ist nach dem Auftritt Putins im Stadion Luschniki noch geblieben, tanzt ein wenig und genießt die Musik.
    "Bei dieser Wahl ist Putin unser Kandidat. Ernsthaftigkeit, Stabilität! Wie unser Land sich entwickelt, wie es aufsteigt. Infrastruktur, Wissenschaft! Unsere Jugend hat alle Chancen, ausgebildet zu werden. Wir rufen alle dazu auf, unseren Kandidaten Wladimir Wladimirowitsch Putin zu wählen."

    Nikita steht mit seiner Verehrung nicht allein. Viele Russinnen und Russen schätzen etwas, was sie landauf, landab als Stabilität beschreiben. Dazu trägt bei, dass die russische Wirtschaft vom Abschwung der Weltwirtschaft sowie den Sanktionen der Europäischen Union und der USA zwar getroffen wurde, es nun aber wieder etwas langsam bergauf geht: Die Wirtschaft ist nach zwei Rezessionsjahren im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent gewachsen. Das ist allerdings weniger, als die russische Regierung selbst erwartet hatte. Das Bruttoinlandsprodukt liegt noch immer niedriger als vor 2014, also vor der Annexion der Krim und dem Beginn der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine.
    Allerdings haben viele Firmen kaum Mitarbeiter entlassen, sondern sie geringer entlohnt. Auch ist die Inflation deutlich zurückgegangen und liegt nach Angaben der Zentralbank für das vergangene Jahr bei etwas über zwei Prozent. Der föderale Haushalt nähert sich der "Schwarzen Null" - durch die Krise halfen harte Sparprogramme und Milliardenreserven, die zuvor angelegt worden waren. Doch das Bild ist keineswegs nur positiv, denn viele Menschen spüren die Krise direkt: Die Realeinkommen sind laut Statistikamt vier Jahre in Folge gesunken und der Rubelkurs ist weiter schwach.
    Wladimir Putin im Wahlkampf auf dem Nakhimova-Platz in Sewastopol auf der Krim
    Für viele russische Bürgerinn und Bürger steht Wladimir Putin für Ernrtshaftigkeit und Stabilität (imago/Alexei Nikolsky)
    Viele Versprechen - ohne Details zur Umsetzung
    Der Lage der Wirtschaft und der Sozialpolitik hat Wladimir Putin Anfang März einen Großteil seiner "Rede an die Nation" gewidmet, der einzigen grundlegenden programmatischen Erklärung seines Wahlkampfs. Der Präsident hat ehrgeizige Ziele ausgegeben.
    "Russland muss nicht nur eine der fünf größten Volkswirtschaften der Welt werden, sondern auch bis Mitte des nächsten Jahrzehnts das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um das Anderthalbfache erhöhen. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich bin aber mir sicher, dass wir in der Lage sind, diese Aufgabe zu meistern. Ende des nächsten Jahrzehnts muss Russland dem Club der Länder angehören, in denen die Lebenserwartung mehr als 80 Jahre beträgt, wie Japan, Frankreich und Deutschland."
    Der Präsident versprach außerdem unter anderem höhere Renten, schnelles Internet im ganzen Land, neue Straßen, hochwertige, gut bezahlte Arbeitsplätze, Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen und mehr Geld für Forschung und Familien. Details, wie das Land all das stemmen soll, nannte er nicht. An manchen Stellen seiner Rede räumte der 65-Jährige ein, dass viele Russinnen und Russen von einem Spitzenplatz nur träumen könnten.
    "Ich halte das Wohlergehen der Menschen, die Einkommen russischer Familien für den Schlüsselfaktor. Ich möchte Sie daran erinnern, dass im Jahr 2000 noch 42 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebten. Das sind 29 Prozent der Bevölkerung des Landes. 2012 konnten wir dieses Niveau auf zehn Prozent reduzieren. Wegen der Folgen der Wirtschaftskrise ist die Armut aber wieder gewachsen. Gerade viele arbeitende Menschen leben sehr bescheiden."
    Viele Rentner kommen ebenfalls nur irgendwie über die Runden. Die durchschnittliche Rente liegt bei umgerechnet weniger als 200 Euro im Monat. Bei Einkommen und Rente sind die Spreizungen regional eklatant. Moskau und einige andere Städte stehen besser da. Aber abseits dieser Zentren gilt die Faustregel: je ländlicher, desto niedriger die Einkommen. Am wenigsten verdienen die Menschen durchschnittlich im Kaukasus.
    Kritiker bemängeln Reformstau
    Armut, Rente, Einkommen, Wirtschaftslage - diese Themen interessieren laut Umfragen die meisten Menschen deutlich mehr als die vermeintliche Bedrohung durch die Vereinigten Staaten oder die vermeintlich erfolgreiche Befriedung Syriens. Fachleute aber sehen die Volkswirtschaft in einem anhaltenden und wachsenden Reformstau. Zu den Kritikern der Putinschen Wirtschaftspolitik zählt Andrej Netschajew, der Anfang der 90er-Jahre Wirtschaftsminister unter Präsident Jelzin war. Seine Haltungen sind wirtschaftsliberal. Netschajew sagt: Inzwischen befinde sich Russland auch wegen der Politik der Verstaatlichung ganzer Branchen in einer Systemkrise.
    "Wir haben jetzt zirka 70 Prozent des Staates in der Wirtschaft. In den letzten Monaten wurden zusätzlich die größten privaten Banken auch nationalisiert. Zweitens die Orientierung auf den Export von Rohstoffen. Und die unglaubliche Korruption."
    Wladimir Putin hat unlängst zwei Beratergremien ins Leben gerufen, die Reformen erarbeiten sollen. Bis wann sie fertig sein sollen, ist unbekannt. Es gehört zu den Kuriositäten russischer Politik, dass eine Gruppe von Boris Titow geleitet wird, der in diesen Wochen zugleich als Präsidentschaftskandidat auftritt.
    "Sie wissen, dass Reformen immer ein Risiko sind. Ein Risiko für die Popularität, ein Risiko für das Rating. Und Herr Putin mag nicht das Risiko."
    Der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen, würde bedeuten, engen Weggefährten Putins ein Stück ihrer Macht zu nehmen. Sie sind mit ihm aufgestiegen, Konzernchefs oder hohe Beamte geworden. Zudem haben es liberale Reformer ohnehin schwer in Russland. Ihre Politikentwürfe erinnern viele Menschen an die Zustände in den 90er-Jahren, an Essensschlagen, Kriminalität und Staatsbankrott. Diese Furcht ist ein wichtiger politischer Faktor, der Putin nutzt, meint der frühere Minister Netschajew.
    "Unsere Propagandisten, mindestens von den offiziellen, staatlichen Fernsehkanälen und Radiokanälen, sind talentierte, kreative und ganz pragmatische, ganz zynische Leute. Aber sie sind erfolgreich."
    Glaube an die Allmacht Putins - dank medialer Inszenierungen
    Auch dank der täglichen medialen Inszenierung lasten die meisten Menschen die ökonomische Krise und das Ausbleiben eines starken Aufschwungs dem Präsidenten nicht an. Denn es gilt seit Jahren die Arbeitsteilung, dass schlechte Nachrichten Ministerpräsident Medwedjew und seine Regierung zu rechtfertigen haben, der Präsident gleichzeitig unanfechtbar über den schwierigen Details des Alltags steht. Mehr noch: Reichweitenstarke Medien vermitteln kontinuierlich, wie sich Wladimir Putin trotz seines engen Terminplans der Sorgen einfacher Bürger annimmt, sodann Anweisungen zur Lösung regionaler Probleme erteilt, die gelegentlich über Nacht tatsächlich verschwinden.
    Der Glaube an die Allmacht des Kreml-Chefs ist nicht logisch und widersprüchlich, aber verbreitet - und ein wichtiger Pfeiler seiner Macht, so Dmitrij Oreschkin, Moskauer Politologe.
    "In seiner politischen Karriere hat es drei Popularitätssprünge gegeben, die alle mit kleinen, siegreichen Kriegen verbunden sind: der Krieg in Tschetschenien, gegen Georgien und in der Ukraine. Jetzt beginnt wohl die Periode der Enttäuschung oder eher des Unverständnisses. Einerseits sind wir nach Auffassung der Mehrheit stärker geworden, die Krim ist Teil Russlands, aber andererseits haben die Leute weniger Geld in der Tasche. Dafür haben sie emotionale oder ideologische Erbauung bekommen: 'Niemand hat uns mehr Befehle zu erteilen. Wir haben uns dem Diktat der USA entgegengestellt.' Das sind zwar Mythen, aber sie funktionieren. Erst jetzt werden sie schwächer. Trotz massiver Propaganda sehen wir erste Anzeichen von Müdigkeit."
    Oreschkins Analyse erklärt einen Teil der politischen Apathie, die nicht nur er in Russland ausmacht. So hätte es womöglich im Moskauer Stadion Luschniki nicht die vollen Ränge für Putin gegeben, wenn seine Wahlkampfmanager nicht nachgeholfen hätten. Unabhängige russische Medien haben aufgedeckt, dass manche Besucher umgerechnet rund sieben Euro dafür erhalten haben, Fahnen zu schwenken und dabei fröhlich auszusehen. Staatsbedienstete sollen gedrängt worden sein, ihren Samstagnachmittag in der Kälte zu verbringen. Solche Gruppen, die in der einen oder anderen Form vom Machtapparat abhängig sind, gibt es viele, zumal in der Provinz, wo Arbeitsplätze rar sein können. Sie zählen zur loyalen Wählerklientel des Präsidenten.
    Die Zentrale Wahlkommission, verantwortlich für die Organisation der Wahl, schaltet seit Wochen Spots, wirbt auf Plakaten am Straßenrand, im Netz, per SMS und selbst auf dem Display von Geldautomaten dafür, zur Wahl zu gehen. Kaum jemand bezweifelt, dass der Machtapparat Wert darauf legt, eine Wahlbeteiligung von etwa 70 Prozent zu erreichen. Diese aber ergibt sich nach 18 Jahren Herrschaft von Putin nicht von allein. Auch aus diesem Grund bewerben sich noch weitere Kandidaten um das Amt des Präsidenten. Eine ihrer Aufgaben besteht darin, spezifische Milieus anzusprechen und für die Wahl zu interessieren.
    Gegenkandidat: Kommunist mit Schweizer Konten
    Zwei Personen stechen heraus: Ksenia Sobtschak, frühere Fernsehmoderatorin, und Pawel Grudinin, Kandidat der Kommunistischen Partei.
    "Das aus meiner Sicht größte Problem ist, dass wir wieder eine Klassengesellschaft geworden sind und Menschen voneinander getrennt haben."

    Pawel Grudinin ist Direktor eines Unternehmens vor den Toren Moskaus. Dessen Name, "Lenin-Sowchose", stammt aus der Sowjetzeit. Manche Charakteristika sind geblieben: Wer hier wohnt, arbeitet häufig auch im Unternehmen. Die Sowchose ist ein erfolgreiches Unternehmen, verkauft zum Beispiel Erdbeeren und Milch.
    "Das hier ist ein volkseigener Betrieb, der alle seine Mittel für die Modernisierung der Produktion aufwendet, für soziale Programme und die Verbesserung des Lebens der Menschen. Außerdem: für materielle Hilfe für Rentner, für Löhne. Die sind bei uns, gemessen an russischen Löhnen, sehr hoch. 78.000 Rubel haben unsere Arbeiter im vergangenen Jahr durchschnittlich monatlich verdient. Wir haben zum Beispiel einen Kindergarten gebaut, der so aussieht wie Schloss Neuschwanstein."
    Nicht nur der Kindergarten, auch die Schule ist neugebaut, modern und technisch aufwändig eingerichtet. Nur mit Erdbeeren war dies nicht zu finanzieren: Die Sowchose hat viel Geld an Landverkäufen verdient, als der IKEA-Konzern Grundstücke für seine Filialen benötigte. Mit dem Vorbild seiner Sowchose wirbt Grudinin im Namen der Kommunistischen Partei für einen Politikwechsel: für mehr soziale Gerechtigkeit.
    Die Außenpolitik Putins kritisiert er mit keinem Wort - und Diktator Stalin hat seinen Aussagen zufolge keine verbrecherische Politik betrieben. Grudinin spricht Wähler an, die sich mehr Staatseinfluss auf die Wirtschaft wünschen und der Sowjetunion nachhängen. Umfragen sehen Grudinin auf Platz zwei mit rund zehn bis 15 Prozent. Seine Glaubwürdigkeit als Verfechter der Interessen einfacher Bürger trübt allerdings, dass er selbst Teile seines privaten Reichtums in die Schweiz geschafft hat, darunter Bestände an Gold, wie er selbst einräumt.
    Wahlplakat mit dem Kandidaten zur Präsidentschaftswahl in Russland Pawel Grudinin
    Pawel Grudinin ist Direktor eines Unternehmens vor den Toren Moskaus und Kandidat der Kommunistischen Partei (Thielko Grieß (DLR Moskau))
    Gegenkandidatin: Fernsehmoderatorin als Putin-Kritikerin
    Auch Ksenija Sobtschak kämpft mit ihrem Ruf. Die heute 36-Jährige ist vor Jahren im "Dom Dwa", dem russischen "Big Brother", als attraktive Moderatorin bekannt geworden - nicht wegen politischer Kommentare. Das Image eines It-Girls hängt ihr bis heute nach, obwohl sie später im unabhängigen Kanal "Doschd" journalistisch gute Interviews geführt hat. Mit Kandidatur und Kampagne versucht sie nun, sich das Image zu geben, das Spiel von Machtapparat, Kreml und Scheinoppositionellen nicht mitspielen zu wollen. Ihr Slogan lautet: «Против всех», "Gegen alle". Tatsächlich benennt sie deutlicher als andere Kandidaten Wladimir Putin als Schuldigen für Missstände im Land. Außenpolitisch hat sie gleich in ihrer ersten Pressekonferenz aufhorchen lassen:
    "Die Ukraine ist der wichtigste Partner Russlands. Die Wiederherstellung normaler und besserer Beziehungen ist wohl zweifellos die wichtigste Aufgabe, der sich Russland heute stellen muss. Aus Sicht des Völkerrechts ist die Krim ukrainisch. Punkt."
    Xenia Sobtschak steht umringt von Personen am 06.12.2017 in ihrem Wahlkampfbüro in Nischni Nowgorod.
    Die russische Fernsehmoderatorin Ksenija Sobtschak kandidiert um das Präsidentschaftsamt (dpa / Thomas Körbel)
    Wladimir Putins Ukraine-Politik infrage zu stellen, ist in der russischen Politik ein Tabu. Nicht nur dies hat viele fragen lassen: Ist Ksenijaein Projekt des Kremls, darauf ausgerichtet, Frauen, Jüngere und Oppositionelle anzusprechen? Tatsache ist, dass ihr Vater, Anatolij Sobtschak, in den 90er-Jahren Bürgermeister von Leningrad und dann Sankt Petersburg war - jener Mann also, unter dem Wladimir Putin wichtige Karriereschritte gemacht hat. In welcher Beziehung er und seine Konkurrentin heute stehen, gehört zu den Geheimnissen dieses Wahlkampfs. Vor kurzem wurde bekannt, dass Sobtschak eine neue Partei gründen will. Sie will sich offenbar weiter einmischen in Russland - auch nach der Wahl.
    Wahlen als formale Prozedur
    Der Politologe Dmitrij Oreschkin: "Bei uns in den Eliten nimmt niemand die Wahlen ernst. Das ist eine formale Prozedur, die Legitimität illustriert, nichts mehr. Das ist ein Mechanismus, damit regionale Eliten ihre Loyalität demonstrieren. Wer bei den Wahlen mehr Stimmen liefert, ist ein effizienter Manager."
    Wladimir Putin steht vor seiner vierten Amtszeit als Präsident. Danach darf er laut Verfassung nicht noch einmal antreten. Dass er 2024 wirklich abtritt, hält Oreschkin jedoch nicht für ausgemacht.
    "Ich denke, es wäre zu optimistisch zu erwarten, dass er 2024 geht. Meiner Meinung nach wird er wie Leonid Breschnew bis zu seinem Lebensende an der Spitze der Machtvertikale sitzen. Zum einen weiß er, dass man ihm vieles vorwerfen kann, wenn er die Situation nicht unter Kontrolle hat. Zum anderen ist er psychisch einfach nicht bereit, schwach und schutzlos zu erscheinen. Entweder kontrolliert man alles oder man ist ein hilfloser Junge, der verprügelt wird. Eine weitere Alternative gibt es nicht."
    Russland steht vor großen Fragen, von denen die Wahl keine beantwortet. Dies bleibt dem amtierenden und wohl auch künftigen Präsidenten vorbehalten: Wladimir Putin.