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Prager Muslime gegen den Terrorismus
Nicht in unserem Namen

Nach jedem Anschlag, der Islamisten zugeschrieben wird, werden Vorwürfe gegen Muslime im Allgemeinen lauter. In Prag sind jetzt erstmals Muslime an die Öffentlichkeit gegangen. In einer kleinen, aber viel beachteten Kundgebung haben sie ein Zeichen gegen Terrorismus gesetzt.

Von Peter Lange | 12.08.2016
    Vier muslimische Demonstranten stehen mit Plakaten vor einer katholischen Kirche in Prag.
    Muslime demonstrieren mit Plakaten vor einer katholischen Kirche in Prag gegen den Terrorismus. (imago / CTK Photo/ MartinaxHoudkova)
    Die Herz-Jesu-Kirche oben im Prager Stadtteil Vinohrady ruft wie jeden Abend die Gläubigen zum Gottesdienst. Aber dies ist keine Messe wie jede andere. Die katholische Kirche hat die Prager Muslime eingeladen, gemeinsam zu beten. Es ist nach langer Zeit ein Versuch, auf die Muslime zuzugehen, anstatt sie pauschal unter Terrorismusverdacht zu stellen. Und einige sind tatsächlich gekommen, zum Beispiel Asma, eine junge Frau:
    "Im Islam verstehen wir alle Menschen als Brüder, egal ob Juden, Christen, Katholiken oder Protestanten. Deswegen ist es meine Pflicht, mit allen Menschen mitzuleiden, die Opfer des Terrors werden, auch wenn er im Namen meines Glaubens verübt wird." Und ihre Freundin Magda ergänzt: "Ich bin hierher gekommen, um den Menschen zu zeigen, dass wir Muslime mit allen anderen Menschen in einem Boot sitzen."
    In der Kirche beginnt die Messe. Die Bankreihen sind gut gefüllt, im Mitteltrakt eine Gruppe von Muslimen, die Frauen erkennbar am Kopftuch, und damit im Blickpunkt von etwa 10 Kameraleuten und Fotografen. Sie lassen sich auch vom Beginn der Messe nicht stören, auch nicht von den Begrüßungsworten des Pfarrers: "Seien Sie alle herzlich willkommen geheißen, besonders unsere muslimischen Freunde. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind und dass wir in dieser schwierigen Zeit zusammen beten können."
    "Hier hören die Leute mehr auf Propaganda als auf die Muslime"
    Etwa 11.000 Muslime leben laut Innenministerium in Tschechien, rund die Hälfte davon in Prag, organisiert in Gemeinden, Vereinen und Stiftungen. Sie nutzen diese Chance, um selbst an die Öffentlichkeit zu gehen mit einer eigenen Botschaft: "Viele Leute verbinden leider den Terrorismus mit dem Islam", sagt einer der Wortführer, Herr Salah. "Aber das ist nicht wahr. Der Islam will Frieden und Ruhe unter den Menschen."
    Aber das sehen einige vor der Kirche ganz anders. Eine Handvoll Neonazis sind aufgekreuzt und liefern sich heftige Diskussionen mit Leuten, die in Muslimen und Migranten gewiss nicht das sehen, was eines der Transparente formuliert: Parasiten.
    Majid Salegh kann das nicht verstehen. Der IS sei doch der Feind aller Menschen. Vor vier Jahren ist er aus Damaskus nach Prag geflüchtet, erzählt er in einer Mischung aus Englisch und Deutsch. In der Heimat war er Professor an der Technischen Hochschule. Hier schlägt er sich mit Nachhilfestunden in Mathematik und Chemie durch. Über die Tschechen will er sich nicht beklagen. "Tschechien ist sehr gut. Ich war auch in Deutschland, die verstehen einiges über den Islam. Aber hier hören die Leute mehr auf Propaganda als auf die Muslime selbst."
    Die Messe ist vorbei. Vor der Kirche haben sich jetzt etwa 200 Menschen versammelt. Eine zierliche junge Frau mit Kopftuch beginnt die Kundgebung in fließendem Tschechisch. Es kommt eine zweite muslimische Frau und verliest eine gemeinsame Erklärung der Prager Muslime:
    "Wir verurteilen den Terror. Wir stehen zusammen mit euch und allen Muslimen in Europa, die begriffen haben, dass es nicht reicht, den Terrorismus nur schriftlich zu verurteilen. Sondern dass es nötig ist, öffentlich gegen ihn aufzutreten und dem Terrorismus ein klares Nein zu sagen."