Archiv

Prix Goncourt für Nicolas Mathieu
"Ein Roman über die am Rande Liegengelassenen"

Nicolas Mathieu ist für seinen Roman "Leurs enfants après eux" mit dem Prix Goncourt ausgezeichet worden. Ein würdiger Preisträger, sagte der Pariser Literaturkritiker Jürgen Ritte. Der Renaudot, der zweite am Mittwoch vergebene wichtige Literaturpreis, ging an Valérie Manteau.

Jürgen Ritte im Gespräch mit Dina Netz |
    Der französische Autor Nicolas Mathieu mit seinem Buch "Les enfants après eux" nach der Auszeichnung mit dem Prix Goncourt, Frankreichs wichtigstem Literaturpreis. | dpa / picture alliance | Nasser Berzane/ABACAPRESS.COM |
    Prix-Goncourt-Preisträger Nicolas Mathieu mit seinem Buch "Leurs enfants après eux" (Nasser Berzane/ ABACA / dpa /picture alliance)
    Der Prix Goncourt ist der älteste und wichtigste französische Literaturpreis, seit 1903 wird er vergeben. Der Goncourt bringt kein hohes Preisgeld, lediglich zehn Euro - aber in der Regel immense Verkaufszahlen. Am Mittwochmittag wurde der Goncourt-Preisträger 2018 bekanntgegeben: Nicolas Mathieu erhält den Preis für seinen Roman "Leurs enfants après eux". Er erzählt darin von Jugendlichen, die in einer strukturschwachen Region in Lothringen aufwachsen, ihren Versuchen, daraus auszubrechen - und wie diese Ausbrüche scheitern.
    Ein Roman über die am Rande Liegengelassenen, sagt Jürgen Ritte, Literaturkritiker und Professor an Pariser Sorbonne im Büchermarkt-Gespräch. Der Roman zeige, dass die Kinder aus diesen verlassenen Gegenden genauso schlecht dastünden wie ihre Eltern. Daher auch der Titel: "Leurs enfants après eux" - die Kinder wie die Eltern.
    "Stärker, ehrlicher als Eribon"
    Ein literarisch interessanter Roman, so das Urteil von Literaturkritiker Ritte. Mathieu, der eigentlich vom Kriminalroman kommt, baue auf überzeugende Art und Weise einen Spannungsbogen über vier Sommer, bis zur Fußball-Weltmeisterschaft, die sich als falsches Versprechen von einem einigen Frankreich entpuppt. Geschickt verwoben mit einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte um die Hauptfigur, den 14-jährigen Anthony. Die Schilderung des Liebesverlangens, des Sich-Quälens, des Nicht-Wissens, wohin man will, sei großartig, so Ritte - und eine stärkere, viel ehrlichere Beschreibung aus der Innenperspektive als etwa bei Didier Eribons "Rückkehr nach Reims".
    Der noch junge Autor Mathieu sei ein würdiger Preisträger, auch weil er in dem Buch eine soziale Problematik behandele, ganz im Sinne der Gründerväter des Prix Goncourt.
    Renaudot ging überraschend an Valérie Manteau
    Den zweiten am Mittwoch vergebenen wichtigen Literaturpreis, den Renaudot, bekam Valérie Manteau - und damit eine Autorin, die nicht auf der Shortlist stand. Manteau, eine frühere Journalistin von Charlie Hebdo, wurde für ihren Roman "Le sillon" ausgezeichnet, der sich mit dem 2007 ermordeten türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink befasst.
    Die Auszeichnung unterstreiche, dass 2018 in der französischen Literatur insgesamt ein politischer, sozialkritischer Jahrgang war, so Literaturkritiker Ritte. Es sei eine interessante Tendenz, dass die Literatur in Frankreich mit einiger Verzögerung, aber dafür umso massiver auf politische und soziale Veränderungen reagiere - Themen, die lange Zeit vernachlässigt worden seien.