Freitag, 26. April 2024

Archiv

Proteste gegen Rentenreform in Griechenland
"Aufstand der Krawatten"

Die Rentenreform gilt als wichtiger Schritt, um die Finanzen in Griechenland wieder in Ordnung zu bringen. Aber die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras verspürt immer mehr Gegenwind: Die Proteste von Bauern, aber auch von Anwälten und Ingenieuren nehmen zu. Und die Mehrheit von Tsipras Syriza-Partei im Parlament ist knapp.

Von Wolfgang Landmesser | 02.02.2016
    Streiks gegen Rentenreform in Griechenland weiten sich aus.
    Die Proteste gegen die Rentenreform nehmen zu. (Sotiris Barbarousis/dpa)
    Seit Wochen geht das jetzt schon so: Die griechischen Bauern blockieren überall im Land wichtige Straßen – wie hier eine Kreuzung in der Nähe des Athener Flughafens. Der Grund: Die Rentenbeiträge der Bauern sollen deutlich steigen, und das wollen sie sich nicht gefallen lassen. Von seinem Treckersitz herab schimpft dieser Landwirt. "Sie sind dabei, die Landwirtschaft zu zerstören, die Kosten für die Produktion steigen immer weiter, und damit zerstören sie uns und speziell die Viehzüchter."
    Er habe Verständnis für die Landwirte, sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras vor einer Woche, als er mit einer Rede den Jahrestag seines Regierungsantritts feierte. Aber an der Rentenreform führe kein Weg vorbei. Vier Millionen im erwerbsfähigen Alter, von denen auch noch eineinhalb Millionen arbeitslos seien, könnten nicht auf Dauer zweieinhalb Millionen Ruheständler finanzieren. Dennoch werde er Rentnern möglichst wenig Einschnitte zumuten, versprach der Chef der linken Syriza. "Auch in diesen engen Grenzen, die wir geerbt haben, tun wir alles, um das heutige Niveau der Renten in vollem Umfang und ohne Verluste zu erhalten, indem wir ein System schaffen, das auf sozialer Gerechtigkeit basiert."
    "Eine Katastrophe für den Mittelstand"
    Rentenkürzungen von bis zu 15 Prozent sieht die Reform aber für Menschen vor, die neu in den Ruhestand gehen. Und Selbstständige sollen höhere Rentenbeiträge zahlen. Ingenieure, Ärzte, Notare und Rechtsanwälte – bisher nicht gerade durch ihre Demonstrationsfreude aufgefallen – gehen dagegen auf die Straße. "Aufstand der Krawatten" heißt das in den griechischen Medien. Eine dieser Krawatten trägt der Athener Rechtsanwalt Kostas Chasomeris.
    "Dieser Gesetzesentwurf ist die Katastrophe für den Mittelstand. Es kann nicht sein, dass du 38,5 Prozent deines Einkommens für Sozialversicherungsbeiträge zahlen musst. Und was die Regierung über die angebliche Steuerhinterziehung der Selbstständigen sagt, ist eine Lüge."
    Theodoros Paraskewopoulos kann den Aufruhr unter den freien Berufen nur teilweise nachvollziehen. Im Prinzip wolle die Regierung das Rentensystem gerechter machen. Statt eines Pauschalbetrags wie bisher ist in Zukunft geplant, die Beitragssätze nach dem Einkommen zu staffeln. Aber manchen würde nach aktuellem Stand der Reform zu viel abgezogen, meint der wissenschaftliche Mitarbeiter im Sozialministerium. Die Bauern gehörten dazu und Selbstständige mit relativ hohem Einkommen. "Gerecht, Großverdiener stärker zu belasten, aber nicht gerecht, sie ohne Einkommen zu lassen."
    Geldgeber prüfen Reformen
    Wie die Reform am Ende genau aussehen wird, werden auch die Geldgeber Griechenlands mitbestimmen. Seit dieser Woche sind die sogenannten Institutionen – EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds – in die Bewertung der griechischen Reformfortschritte eingestiegen. Die Rentenreform ist dabei das wichtigste Element. Wie es aussieht, könnten die Gläubiger die Regierung zu höheren Rentenkürzungen drängen – um die Beitragszahler nicht so stark belasten zu müssen. Finanzminister Evklidis Tsakalotos hat die Hoffnung auf einen schnellen Abschluss der Prüfung des im vergangenen August vereinbarten Reformprogramms gedämpft. Bis Ende April rechne er mit einer Einigung.
    Was aber ziemlich viel Zeit ist für ein Land, das nach wie vor in der Krise steckt. Panos Carvounis, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Athen. "Damit Griechenland wieder einen Aufschwung bekommt, brauchen wir den Abschluss der Bewertung so schnell wie möglich. Wenn die geschafft ist, heißt das: Griechenland ist in der Spur. Und das ist ein gutes Signal für Investoren."
    Die Rentenreform will die griechische Regierung Mitte Februar ins Parlament einbringen. Die Opposition macht dagegen mobil. Der neue Chef der größten Oppositionspartei Nea Dimokratia lehnt sie als wirtschaftsfeindlich ab. Wenn Syriza die öffentliche Verwaltung konsequent reformieren würde, müssten Rentenbeiträge nicht so stark steigen, meint Kyriakos Mitsotakis.
    Es könnte knapp also werden für Alexis Tsipras. Er verfügt nur über 153 der 300 Sitze – und die Rentenreform ist nicht gerade das Lieblingsprojekt seiner Syriza-Abgeordneten.