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Putsch in Thailand
"Wird dem Land nicht helfen"

Am Militärputsch in Thailand kommt auch Kritik von der CDU. Der Abgeordnete Michael Fuchs fürchtet vor allem Auswirkungen auf die Wirtschaft. Im Deutschlandfunk sagte er, dass der Putsch den Aufschwung behindern und das Land noch tiefer in eine Krise stürzen könnte.

Michael Fuchs im Gespräch mit Silvia Engels | 23.05.2014
    Eine Menschenmenge hockt auf dem Boden, vorne zwei Demonstranten hervorgehoben, im Hintergrund wird eine thailändische Flagge geschwenkt.
    Regierungskritiker harren vor dem Sitz des Ministerpräsidenten in Bangkok aus (picture alliance / dpa / MAXXPPP)
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs sieht den Militärputsch wie viele Politiker weltweit kritisch. Im Deutschlandfunk sagte er, der Putsch werde dem Land sicherlich nicht helfen und es eher zurückwerfen. Die Machtübernahme werde nicht dazu führen, dass Ruhe in das krisengeschüttelte Land komme. "Ich rechne damit, dass das eine ganze Zeit lang andauern wird", sagte er.
    Fuchs ist auch stellvertretender Vorsitzender der ASEAN-Parlamentariergruppe im Bundestag und hat selbst eine Zeit lang in Thailand gearbeitet. Er fürchtet, dass der Putsch das Wirtschaftswachstum im Land behindern wird, vor allem den Tourismus. Schließlich sei Thailand auf den Export und auch auf Geschäfte mit Deutschland angewiesen: "Meiner Meinung nach haben sie keine Alternative dazu." Und: "Thailand braucht eine funktionierende Wirtschaft, sonst ist das Land in einer schwierigen Situation."
    Fuchs hält es auch für möglich, dass die EU die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Thailand stoppt; er plädiert aber dafür, erst einmal abzuwarten, wie sich das Militär in den nächsten Tagen verhält.

    Das Interview mit Michael Fuchs in voller Länge:
    Silvia Engels: Nun also doch. Am Dienstag erst hatte die thailändische Armee das Kriegsrecht ausgerufen, zugleich aber erklärt, nur die Sicherheit wiederherzustellen, ohne die Regierung zu entmachten. Diese Fassade ist gestern gefallen. Der Armeechef hat die Macht übernommen, in der Nacht herrschte Ausgangssperre, die Medien werden zensiert. Aus vielen westlichen Staaten kam scharfe Kritik an dem Vorgehen. Am Telefon ist Michael Fuchs. Vielen ist er bekannt als stellvertretender Fraktionschef der Unions-Bundestagsfraktion für Wirtschaftspolitik. Als langjähriger Außenhandelskenner und stellvertretender Vorsitzender der ASEAN-Parlamentariergruppe ist ihm allerdings auch Thailand vertraut. Er hat dort auch einige Jahre gearbeitet, habe ich gerade erfahren. Guten Morgen, Herr Fuchs!
    Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag
    Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag (dpa / Karlheinz Schindler)
    Michael Fuchs: Guten Morgen.
    Engels: Wie enttäuscht sind Sie, dass das Militär in Thailand die ja eigentlich vorgegebene schlichtende Rolle so schnell aufgegeben hat?
    Fuchs: Das ist schon sehr schade, dass da jetzt wieder eine Militärregierung kommt. Das hat es ja schon mehrfach gegeben, dass es zum Militärputsch in Thailand gekommen ist, und das wird dem Land sicherlich nicht helfen. Es wird es zurückwerfen. Es gibt ja gerade in dem ASEAN-Bereich erhebliche Bestrebungen, wirtschaftlich besser zusammenzuarbeiten et cetera. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in dieser Phase dann gelingen wird.
    Engels: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie denn nun politisch in Thailand?
    Fuchs: Ich rechne damit, dass das eine ganze Zeit lang andauern wird. Es hat ja schon die ganze Zeit Unruhen gegeben. Sie haben eben ja von den Rot- und Gelbhemden gesprochen, zwei völlig unterschiedliche Lager. Das sind auf der einen Seite, ich sage mal, die aus dem Norden, die mehr bäuerlichen Bereiche Thailands. Die sind mehr mit den Rothemden zusammen, also mit der alten Regierung von Frau Yingluck. Und dann die Gelbhemden, das ist mehr oder weniger Groß-Bangkok. Die beiden Gruppen waren sehr miteinander verfeindet, sind weit auseinandergelaufen, und das hat wohl auch dazu geführt, dass das Militär jetzt die Macht übernommen hat. Diese Machtübernahme wird aber auch nicht dazu führen, dass es zu Strukturen kommt, die endlich Ruhe nach Thailand bringen. Mir gefällt das gar nicht, denn was mich besonders stört, ist, dass die positiven Entwicklungen, die in Gesamt-ASEAN, aber auch in Thailand gewesen sind, dadurch ganz sicher aufgehalten werden. Ich gehe davon aus, dass das Wirtschaftswachstum, was ja schon im ersten Quartal gesunken ist, weiter nach unten gehen wird. Es ist ja ganz sicher so, dass beispielsweise die ganzen Möglichkeiten im Tourismusbereich nicht genutzt werden, denn wer hat schon Lust, in ein Land zu fahren, wo sie abends um zehn Uhr zuhause im Hotelzimmer sitzen dürfen.
    Freihandelsabkommen in Gefahr
    Engels: Darauf kommen wir gleich zu sprechen, auf die wirtschaftlichen Konsequenzen. Bleiben wir erst mal bei den politischen Möglichkeiten. Außenminister Steinmeier hat diesen Putsch scharf kritisiert. Wie sollte Deutschland, wie sollte die EU darüber hinaus reagieren?
    Fuchs: Steinmeier hat völlig zu Recht reagiert. Ich sehe das auch so. Man kann das nicht befürworten, man kann das auch nicht so einfach stehen lassen und man kann nicht zur Tagesordnung übergehen. Beispiel: Wir sind ja in Verhandlungen, beziehungsweise die EU ist in Verhandlungen mit Thailand zu einem Freihandelsabkommen. Ich bin mir nicht sicher, ob das unter diesen Bedingungen noch so stattfinden wird. Da wird man sicherlich eine Denkpause einlegen müssen und abwarten, was sich da jetzt tut.
    Engels: Wir haben es ja gerade von unserem Korrespondenten gehört: Das Militär in Bangkok schert sich derzeit den Teufel um das Ausland. Es ist mit der Innenpolitik befasst. Das heißt, wäre vielleicht direkt eine Kündigung der Verhandlungen angezeigt, um ein klares Gegensignal zu setzen?
    Fuchs: Das kann durchaus notwendig sein. Man muss natürlich jetzt erst mal ein paar Tage ins Land gehen lassen, wie sich das Militär aufstellt, was es denn jetzt nun auch in Bezug zum Ausland macht und sagt und wie die Kontakte dann überhaupt möglich sind. Da wird man sehr intensiv mit den Botschaften, mit unserem Botschafter zu sprechen haben. Ich gehe mal davon aus, dass das ein Stück weit dauern wird. Aber dann muss man sehr deutlich machen, dass man so mit einer Demokratie nicht umgehen kann.
    Engels: Herr Fuchs, Sie haben es eben schon angedeutet: Thailand ist ein sehr beliebtes Reiseland für Deutsche. Sie sorgen sich darum, dass jetzt möglicherweise der Tourismus von alleine einbrechen wird. Auf der anderen Seite bleiben die großen Reiseveranstalter aber erst mal dabei, den planmäßigen Betrieb aufrecht zu erhalten. Ist das auch aus politischen Gründen die richtige Entscheidung, damit auch diesem Regime letztlich nicht hart entgegenzutreten?
    Fuchs: Na ja, gut, wir wollen niemand vorschreiben, wo er hinfährt. Aber jeder muss sich bewusst sein, in welches Land er jetzt fährt. Das ist nicht das gleiche Thailand von letzter Woche. Wo ein Militärputsch stattfindet, muss man davon ausgehen, dass auch strengere Regeln kommen. Ich habe mit Bekannten in Thailand gesprochen. Dieses Zehn-Uhr-Ausgehverbot, das wird sehr streng durchgesetzt. Wer nach zehn auf der Straße zu sehen ist, der wird aufgegriffen, und was dann passiert, das weiß keiner. Das sind alles keine Dinge, die wahrscheinlich einen Touristen begeistern werden. Ich wäre da als Tourist vorsichtig. Aber ich bin weit davon entfernt, jemandem vorzuschreiben, wie er seine Urlaubsplanung zu machen hat.
    "Thailand braucht eine funktionierende Wirtschaft"
    Engels: Und wie steht es mit den Unternehmen, die derzeit noch Geschäfte mit Thailand machen?
    Fuchs: Die werden sicherlich erst mal abwarten, ob sich da was verändert. Thailand ist auf den Export angewiesen. Thailand ist auf Geschäfte mit Deutschland angewiesen. Und meiner Meinung nach haben sie auch gar keine Alternative dazu. Deswegen, sage ich mal, wird der Tourismus mit ziemlicher Sicherheit das eine sein, aber die Unternehmen sind das andere, und ich hoffe, dass es nicht da zu einem Abbruch kommt.
    Engels: Ein Abbruch wäre eine Entwicklung, die denkbar ist. Andererseits gibt es ja auch immer wieder die zynisch anmutende These, eine Militärdiktatur schade der Wirtschaft nicht unbedingt, wenn sie die Unternehmen nicht stören, die in Ruhe wirtschaften wollen. Könnte das auch auf Thailand zutreffen?
    Fuchs: Warten wir mal ab. Eine freie Gesellschaft und eine freie Wirtschaft ist sicherlich immer besser als eine durchs Militär gelenkte. Da bin ich ziemlich überzeugt von. Ich glaube nicht, dass das allzu weit führen wird oder dass das positiv sein wird. Die Wirtschaft an sich braucht Freiheit, um vernünftig agieren zu können. Thailand braucht eine funktionierende Wirtschaft, sonst ist das Land in einer schwierigen Situation. Und deswegen bin ich alles andere als überzeugt davon, dass das der Wirtschaft guttut. Wir haben wie gesagt im ersten Quartal schon Minuszahlen gesehen. Das heißt, die Wirtschaft ist geschrumpft in Thailand. Und ich bin ziemlich sicher, dass das so weitergeht. Es wird auch mit Sicherheit dazu kommen, dass der Prozess, der zurzeit läuft, nämlich die sogenannte ASEAN Economic Community zu bilden, also eine Wirtschaftszone - ich sage mal, man kann es ein ganz klein bisschen mit dem Anfang in Europa vergleichen, als bei uns die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde -, das wird auch zum Stillstand kommen. Ich glaube nicht, dass man vonseiten der ASEAN-Länder mit Thailand unter Militärputsch-Regimes weiter verhandeln wird, beziehungsweise dass das nach vorne gebracht werden kann. Das ist sehr schade für das Land, aber auch sehr schade für die Region, denn es wäre sehr positiv, wenn es gelingen würde, eine solche Wirtschafts-Community aufzubauen.
    Engels: Michael Fuchs, er ist stellvertretender Fraktionschef der Unions-Bundestagsfraktion für Wirtschaftsfragen, aber auch mit Thailand sehr vertraut. Vielen Dank, dass Sie sich heute Morgen Zeit genommen haben.
    Fuchs: Danke, Frau Engels.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.