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Ramsauer und die CSU
Zerbrochene Freundschaft

Der Rauswurf aus dem Kabinett hat den CSU-Politiker Peter Ramsauer getroffen. Bis heute ist der ehemalige Verkehrsminister hin- und hergerissen zwischen Zurückhaltung und Zorn über seine Entmachtung im Bund. Und auch in Bayern könnte es politisch bald eng werden für ihn.

Von Katharina Hamberger | 11.12.2014
    Peter Ramsauer, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie
    Peter Ramsauer, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, versucht im Gespräch zu bleiben. (dpa / picture-alliance / Tobias Hase)
    Peter Ramsauer möchte sich eigentlich zurückhalten:
    "An diesem Punkt schwieg Ramsauer."
    Fast...
    "...oder "Zar Peter", was ja angeblich immer ehrenwert gemeint war. Und so sehe ich's heute noch. Denn Zar Peter war zu seiner Zeit vielleicht der größte Städtebaumeister, den es gegeben hat."
    "Zar Peter" - ein Zitat aus dem Jahr 2012 von Horst Seehofer. Es beschäftigt Ramsauer bis heute. Das war allerdings zu Zeiten, als er noch gelassener sein konnte:
    Da war er noch Verkehrsminister. Sein Terminkalender war voll bis an den Rand. Einmal spielte der frühere Pianist den Titel einer CD mit dem Namen "Adagio im Auto" ein, mit der er für Stressabbau am Steuer werben wollte Ihm selbst blieb kaum Zeit zum Üben:
    "Die ganzen physischen Dinge müssen erarbeitet werden. Und dann jeden Tag so ein bis zwei Stunden. Und das muss rausoperiert werden aus dem Terminplan, aber ohne dass das Amt drunter leidet."
    Terminkalender ist immer noch voll
    Heute ist sein Terminkalender auch voll. Aber er hat mehr Freiräume. Bändchen bei Eröffnungen von Ortsumgehungen schneidet nun der 16 Jahre jüngere Alexander Dobrindt durch. Ramsauer ist stattdessen Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Bundestages. Eigentlich müsste er deshalb entspannter sein, als zu Verkehrsministerzeiten.
    "Das hat mit Gesundheit nichts zu tun. Ich trink halt grünen Tee."
    Eine ganze Kanne steht auf seinem Schreibtisch im Büro des Ausschussvorsitzenden. Das ganze Zimmer hat wenig opulentes. Neben der Eingangstür hängt ein Bild von Benedikt XVI. Auf dem Sofa liegt ein weiß-blaues Kissen, darauf ein Wappen des Freistaates. Das war's mit Bayern-Insignien. Auch wenn Ramsauer sagt, andere Regionen in Deutschland seien ebenso schön – am Ende geht dann doch nichts über die seine rund um den Chiemsee. Denn während Bayern nach Ansicht des Parteivorsitzenden Horst Seehofer im Ganzen schon die Vorstufe zum Paradies ist, ist Ramsauer schon angekommen:
    "Ich sag immer, die zwei schönsten Orte der Welt, das ist die Fraueninsel im Chiemsee und St. Bartholomä hinten am Königsee. Und zwischen den beiden Polen, da liegt das gelobte Land."
    Unangefochten in seinem Wahlkreis
    Und dort im Paradies, in seinem Wahlkreis, da war und ist Ramsauer seit 24 Jahren unangefochten:
    "Das waren runde 55 Prozent bei der ersten Wahl, und der Höchstsatz war runde 69 Prozent und der Rest, die andern Male irgendwo dazwischen, zuletzt knapp 63."
    Genau weil er so erfolgsverwöhnt ist, liegt hier wohl ein Grund, warum der 60-Jährige nur nach außen so entspannt wirkt. Wer viele Parteifreunde und Journalisten fragt, bekommt stets eine ähnliche Antwort: In ihm brodelt es. Er ist offenbar hin und her gerissen zwischen Zurückhaltung und den Zorn über seine Entmachtung. 2013, nach den Koalitionsverhandlungen – Ramsauer sah sich noch fest im Sattel - wenn er nicht Verkehrsminister wird, dann bekommt er ein anderes Ressort - kam der Dämpfer. Schneller als der CSU-Mann schauen konnte, war er raus aus dem Kabinett. Ersetzt durch Dobrindt. Das Telefongespräch mit dem Horst Seehofer Ramsauer das mitgeteilt hat, soll nur anderthalb Minuten gedauert haben.
    "Über politische Kultur- und Stilfragen, da hat jeder seine eigene Art. Die Art und Weise, was das für ein Riesenecho zu meinen Gunsten ausgelöst hat, gibt mir Gewissheit, wie diese Art und Weise breit in der Bevölkerung beurteilt worden ist."
    Darüber, ob es eine Kränkung war oder nicht, möchte Ramsauer nicht öffentlich sprechen. Außerdem:
    "Ein Ausschussvorsitz hat mir in meiner Sammlung grade noch gefehlt."
    Schon wieder will er gelassen wirken. Dass aber mehr dahinter steckt, merkt der Zuhörer spätestens an dem, was nicht gesagt wird. Denn um einen Namen redet Ramsauer herum. Horst Seehofer - und obwohl er glaubt, dass dieser noch fest im Sattel sitzt, sagt Ramsauer gleichzeitig über den CSU-Chef:
    "In seiner eigenen Wahrnehmung hält er sich ja für geradlinig. Also, wer Geisterfahrer gerade ist und wer auf der richtigen Spur fährt, ist in der Politik oft eine Frage der individuellen Wahrnehmung."
    Seehofer und Ramsauer nur noch Parteifreunde
    Allerdings geht hier keine langjährige Männerfreundschaft zu Bruch. Seehofer und Ramsauer, heißt es, seien schon lange nur noch Parteifreunde, bekanntlich die Steigerung von Feind und Todfeind. Und dieses Mal hat sich der mit mehr Macht durchgesetzt. Aber Ramsauer gibt nicht auf. Mit seinen eigenen Methoden versucht er, im Gespräch zu bleiben:
    "Es gibt eine Reihe von Dingen, die kosten kein Geld, man müsste sie nur machen. Etwa vielleicht das Aufschieben oder Aussetzen des Mindestlohns, der Rente mit 63, und stattdessen die Absenkung von Beitragsbelastungen. Wir bräuchten nur eine Reihe von Exportverboten aufheben, wir bräuchten nur die Wirtschaftssanktionen etwa gegenüber Iran oder Russland aufheben..."
    So äußerte sich Ramsauer in einem Interview im Deutschlandfunk. Offiziell kommentiert das niemand aus der Landesgruppe im Bundestag. Ein Zeichen, dass der frühere Landesgruppenchef damit auf einsamem Posten steht? Zumindest will sich niemand öffentlich auf seine Seite stellen. Das stört Ramsauer aber nicht:
    "Wer soll denn solche Wahrheiten sonst in aller Klarheit ansprechen, wenn nicht der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, der jetzt in diesem Amt keine Kabinettsdisziplin mehr hat und auch ganz wenig Parteidisziplin zu üben hat."
    Die Jungen in der CSU scharren mit den Hufen
    Der anstehende Parteitag wird nicht über Ramsauers Zukunft in der CSU entscheiden. Denn es wird nicht gewählt. Aber im kommenden Jahr – da wird es spannend. Denn in der CSU scharren die Jungen mit den Füßen und die von Seehofer Gekränkten warten auf seinen Abgang. Dann hilft wahrscheinlich weder Mozart noch grüner Tee zur Beruhigung.