Donnerstag, 18. April 2024

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Rana Adib (REN21)
Klimaziele - "Wir brauchen die Städte, um das schaffen zu können"

Immer mehr Städte weltweit wollen auf fossile Energie verzichten, berichtet die Initiative für erneuerbare Energien REN21. Deren Exekutivdirektorin Rana Adib erklärt im Dlf, warum Kommunen bei der Energiewende eine zentrale Rolle spielen.

Rana Adib im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 17.04.2021
Ein Wohnhaus mit Solarzellen fuer Photovoltaik und Solarthermie auf dem Dach, aufgenommen am 28.04.2017 in Dossenheim bei Heidelberg (Baden-Wuerttemberg). Foto: Uwe Anspach
Heidelbergs Engagement für erneuerbare Energien nennt der REN21-Bericht als Positivbeispiel (picture alliance / dpa-Themendienst / Uwe Anspach)
Im Mai zog Kapstadt gegen die Regierung Südafrikas vors höchste Gericht des Landes – um sich das Recht zu erstreiten, ihre eigene Energie zu erzeugen, ohne dass es den Energieminister um Erlaubnis bitten muss.
Eins von rund 1.300 Beispielen weltweit von Städten, die die Energiewende auf kommunaler Ebene entschieden vorantreiben. Zusammen haben diese Städte eine Bevölkerung von einer Milliarde Menschen und sind verantwortlich für ein Viertel des weltweiten Energieverbrauchs, sagt Rana Adib. Ihre Initiative REN 21 mit Sitz in Paris, die sich nach dem Pariser Klimagipfel gegründet hat, hat diese Daten zusammengetragen.

Städte sollen Gestaltungsmöglichkeiten ausreizen

"Städte haben extremes Innovationspotenzial", sagt Adib. Sie seien nah an den Bürgern und häufig ambitionierter als nationale Regierungen. Sie könnten wie zum Beispiel Heidelberg "einen sehr integrierten Ansatz" mit Bürgern, Industrie und Stadtwerken fahren, mit Verpflichtungen zu Solaranlagen bei Neubauten und wirtschaftlichen Anreizen für deren Nachrüstung. Wichtig findet Adib auch, dass Städte ihre Möglichkeiten zu Verboten fossiler Energieträger ausreizen.
Entscheidend für eine Akzeptanz erneuerbarer Energien findet Adib ferner, Bürger wirtschaftlich zu beteiligen. In diesem Feld sei Deutschland mit rund 1.750 Projekten zu Bürgerenergie "mit ein Vorreiter".
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Der Energiechartavertrag ist ein internationales Investitionsabkommen mit über 50 Staaten, darunter auch die EU-Länder. Das Problem: Wollen Staaten aufgrund des Klimawandels aus Energieträgern aussteigen, drohen ihnen Klagen in Milliardenhöhe.

Das Interview in voller Länge:
Jürgen Zurheide: Fangen wir doch mal folgendermaßen an: Die globalen Klimaziele sind gut, aber entscheidend ist in den Städten. Warum sind gerade die Städte aus Ihrer Sicht so wichtig?
Rana Adib: Die Städte sind wichtig, weil die verantwortlich sind für 25 Prozent der CO2-Emissionen. Das liegt daran, dass sie auch verantwortlich sind für 75 Prozent des Energieverbrauchs. Entsprechend ist es extrem wichtig, dass wir auch in den Städten die Energiewende praktisch realisieren. Und hier gibt es echte Gelegenheiten, weil die Städte zum einen häufig ambitionierter sind als die nationalen Regierungen, nah an den Bürgern dran sind, die ganz klar vor allem in den letzten zwei Jahren mit Fridays for Future, aber auch im Lockdown einfach geäußert haben, dass sie wollen, dass die Regierungen ambitioniert sind, hier ein direkter Druck existiert. Und Städte haben einfach gesetzlichen Gestaltungsspielraum.

"Städte können Druck aufbauen"

Zurheide: Sie haben, das hat mich dann auch überrascht, ich habe gesagt, diese 1.300 Städte insgesamt zusammengetragen, Sie sind ja so eine Art Clearingstelle, die das alles weltweit zusammenträgt und dann auch zu einem solchen Ergebnis kommt, viele davon sind in den Vereinigten Staaten, eben auch in Kalifornien – was übrigens zeigt, dass Präsidenten, Präsidenten, die ich jetzt schon gar nicht mehr erinnere, die sagen das eine, dann machen Städte etwas anderes. Was haben Sie da herausgefunden?
Adib: Was wir hier herausgefunden haben, ist tatsächlich, dass Städte – und da gibt es nicht nur Beispiele in den USA, sondern auch in Südkorea, in Japan, Südafrika, natürlich auch in Europa – Druck aufbauen können auf die nationalen Regierungen und tatsächlich vor allem, wenn es darum geht, zu entscheiden, wie sie ihren eigenen kommunalen Energieverbrauch angeht, Entscheidungen treffen können, aber auch ambitionierter sind gerade im Gebäude- und im Transportbereich.
Ich nenne hier das Beispiel von Kapstadt zum Beispiel, die sind so weit gegangen, dass sie die Nationalregierung vor Gericht gebracht haben, damit sie entscheiden können, wo sie ihren Strom kaufen können.
In Korea haben ganz klar die Städte zusammengearbeitet zum Beispiel, um gemeinsam die Stimme der Städte und der Bürger zu äußern und zu sagen, wir können das machen. Seoul hat Solarenergie aufgebaut, und zwar die Kapazität einer Atomkraftanlage, auf einem extrem eng besiedelten Raum.
Also, die Städte zeigen auch, dass es möglich ist, haben extremes Innovationspotenzial und führen vor allem auch die Energiewende auch im Gebäude- und Transportbereich, der global eigentlich zurückliegt. Hier haben wir wirklich erneuerbare Energieanteile, die bei zehn Prozent und drei Prozent liegen. Das zeigt auch, dass wir extrem weit weg sind, die Ziele zu erreichen. Wir brauchen die Städte, um das schaffen zu können.

"In Heidelberg gibt es Verpflichtungen und Unterstützung"

Zurheide: In Deutschland haben Sie, glaube ich, in einer Studie, wo dann 35 Städte noch mal besonders beschrieben werden, auch Heidelberg genannt. Was ist Ihnen in Heidelberg aufgefallen?
Adib: In Heidelberg ist uns eben aufgefallen, dass Städte tatsächlich ihre Rechtssetzungsbefugnis nutzen, indem sie zum einen Verbote aussprechen, aber auch Verpflichtungen. Hier gibt es in Heidelberg ganz klar Verpflichtungen und auch Unterstützung für Solarenergie im Gebäudebereich, zum Beispiel müssen alle neuen Gebäude in Heidelberg Solarenergie einbringen. Es wird aber auch motiviert, dass in den existierenden Gebäuden, auch hier gibt es dann eben steuerliche, finanzielle Unterstützung für, der Wechsel zu erneuerbaren Energien auch unterstützt wird.
Das ist natürlich eine Sache, die extrem hilfreich ist, wenn es darum geht, auch die anderen Akteure in den Städten zu nutzen, also hier eine enge Kooperation zu haben – sowohl mit den Bürgern als auch mit den Firmen, mit der Industrie, mit den Stadtwerken gibt es häufig Kooperationen. Und Heidelberg hat da einen sehr integrierten Ansatz gefahren.
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Dass Deutschland seine selbstgesteckten Klimaziele erreicht hat, sei kein Erfolg, sagt die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Die Ziele seien zu niedrig und zudem vor allem durch Auswirkungen der Pandemie erreicht worden.
Zurheide: Darf ich noch mal nachfragen: Was sind denn so zum Beispiel, Sie haben einige jetzt schon genannt, wenn wir das jetzt noch mal abschichten, wo können Städte ansetzen, was möglicherweise auf nationaler Ebene gar nicht so einfach ist, was sind so die ganz praktischen Schritte in den Städten?
Adib: Ein ganz praktischer Schritt in den Städten, wir haben gesehen, dass es häufig der erste Schritt ist, den Städte gehen, ist, dass die Städte entscheiden, dass sie ihren kommunalen Eigenverbrauch aus erneuerbaren Energien beziehen. Häufig sehen wir das im Stromsektor, weil hier erneuerbare Energien verbreitet sind. Der nächste Schritt hingegen ist tatsächlich, Gesetze zu haben, hier geht es um Null-Energie-Zonen, es geht auch darum, dass Städte Ziele gesetzt haben, aus Fossilen rauszugehen.
Das sind so Sachen, wo wir wirklich eine andere Ambition sehen, dass viele Städte heute sehen, es geht nicht nur darum, zu erneuerbaren Energien zu gehen, sondern auch praktisch die fossilen Energieträger Öl, Gas, Kohle hinter uns zu lassen, und hier tatsächlich Verbote aussprechen. Im Transportsektor, aber zum Beispiel auch, was die Ölheizung angeht et cetera. Das sind Dinge, die Städte machen können.

"Deutschland ist mit ein Vorreiter"

Zurheide: Auf der anderen Seite müssen die Menschen natürlich mitgehen und, Klammer auf, sie müssen es sich auch leisten können. Wie kann man solche Bündnisse denn schmieden, dass es am Ende – es ist schön, dass sie es sagen –, aber dass es auch praktisch passiert?
Adib: Ich denke, da ist einfach dieses Spannungsfeld. was passiert auf der nationalen Ebene und auf der lokalen Ebene, sehr wichtig. Was passieren muss, ist natürlich eine starke Kooperation eben mit den Bürgern. Und hier sehen wir, dass Deutschland wirklich auch mit ein Vorreiter ist. Die deutschen Städte mit Commitments zu erneuerbaren Energien stellen elf Prozent der Städte dar. Wir sehen, dass in Deutschland aber zum Beispiel 1.750 Projekte zu Bürgerenergie existieren.
Der Vorteil daran ist, dass man die Bürger auch aktiv nicht nur in die Entscheidungen mit einbezieht, sondern auch die Möglichkeit hat, die wirtschaftlich zu beteiligen. Das ist tatsächlich einer der Erfolgsfaktoren, der auch identifiziert ist, wie man die soziale Akzeptanz der Energiewende, die heute stattfinden muss – aus Klimagründen, aus Klimaresilienz-Gründen – gestalten kann. Städte sind einfach sehr viel näher an den Bürgern dran und können hier auch eine andere Kommunikation haben.
Andere Akteure, die wir ganz klar sehen, sind zum Beispiel die öffentliche Verkehrsindustrie, die heute auch selber ihre eigenen Ziele hat, und so ganz klar, gerade nach der Pandemie im letzten Jahr, die Luftverschmutzung ein großes Thema ist, was auch Bürger betrifft, wo es ein anderes Bewusstsein heute gibt. Also, es gibt wirklich Gelegenheit, es hört sich zwar nicht so an, aber COVID kann ein Stück weit auch eine Gelegenheit für ein anderes Bewusstsein sein.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.