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Raubkunst aus Tansania
"Unsere Vorfahren wollten nicht kolonisiert werden"

Die Nachfahren von Chief Mangi Meli im heutigen Tansania wollen dessen Schädel zurück. Denn er symbolisiert neun Jahre Aufstand gegen die militärisch weit überlegenen deutschen Kolonialherren. Auch das tansanische Nationalmuseum fordert das Recht, sein Erbe im eigenen Land ausstellen zu können.

Von Linda Staude | 28.12.2018
    Häuptling Mkwawa, Anführer der Wahehe-Krieger aus dem heutigen Tansania, hatte den deutschen Kolonialherren lange Widerstand geleistet. Sein war lange verschollen und wurde in den 1950er-Jahren in Bremen gefunden.
    Häuptling Mkwawa, Anführer der Wahehe-Krieger aus dem heutigen Tansania, hatte den deutschen Kolonialherren lange Widerstand geleistet. Auch sein Schädel war lange verschollen. (dpa / Carola Frentzen)
    Ein heftiger Wolkenbruch geht auf die dicht bewachsenen Hänge des Kilimanjaro nieder. Dicke Dunstschleier verdecken den Blick auf seinen majestätischen Gipfel. Am Fuß des höchsten Berges Afrikas liegt Moshi. Heute eine moderne Kleinstadt mit schicken Wohnvierteln, Geschäften und Hotels für Touristen aus dem Ausland.
    Vor etwa 130 Jahren war das völlig anders. Da war Old Moshi ein Widerstandsnest gegen die deutschen Kolonialherren im damaligen Deutsch-Ostafrika – unter der Führung von Chief Mangi Meli aus der Volksgruppe der Chagga.
    Schädel eines afrikanischen Führers verschwunden
    "Im Jahr 1892 wollten die Deutschen, dass er ihnen die Regierungsgewalt über sein Land überlässt, weil sein verstorbener Vater sie noch willkommen geheißen hatte. Aber er hat sich geweigert, und deshalb hat es Krieg gegeben zwischen den Deutschen und Chief Meli."
    Neun Jahre hat der Aufstand gedauert, erzählt Isaria Meli, der Enkel des tansanischen Widerstandskämpfers, bis die Chagga besiegt wurden. Chief Meli wurde aufgehängt, sein Leichnam enthauptet.
    "Die Schädel von Meli und seinen Anhängern wurden nach Deutschland gebracht, weil die Deutschen nicht verstehen konnten, wie ein 30-jähriger Mann mit Speeren und Macheten neun Jahre gegen Bomben, Gewehre und Pistolen kämpfen konnte. Sie wollten sein Hirn untersuchen."
    Seither ist der Schädel verschwunden. Einer von Tausenden, die in der Kolonialzeit nach Deutschland geschafft wurden - für die so genannte Rassenforschung. Zusammen mit anderen wertvollen Artefakten.
    "Während der deutschen Kolonialherrschaft wurden ganze ethnografische und naturhistorische Sammlungen nach Deutschland gebracht wie zum Beispiel Dinosaurierfunde, neben den menschlichen Überresten. Das waren umfangreiche Sammlungen."
    Objekte verlieren außerhalb des Kontexts ihren Wert
    Die immer noch in Deutschland sind, sagt Flower Manase Msuya. Die Kuratorin des tansanischen Nationalmuseums will das kulturelle und historische Erbe ihres Heimatlandes am liebsten im eigenen Haus ausstellen.
    "Wenn Sie Kunstwerke oder ethnografische Sammlungen von hier wegbringen, wo sie leicht verstanden werden können, dann verlieren sie ihren Wert als Mittel der Erklärung und Einordnung. Deshalb sollten sie zurückgegeben werden."
    Mit dieser Forderung steht die Kuratorin nicht allein: Äthiopien will wertvolle Kultobjekte aus England zurück. Die Demokratische Republik Kongo fordert von Belgien die Rückgabe tausender Kunstschätze. Und in Tansania hofft Isaria Meli nach 40 Jahren vergeblicher Suche immer noch auf die Rückführung des Schädels seines Großvaters.
    "Wir werden den Schädel nicht beerdigen, sondern ein Museum für ihn bauen. Wir sammeln schon Geld, damit Leute aus aller Welt herkommen und den Kriegshelden sehen können."
    Geraubte Objekte nicht durch die Deutschen dokumentiert
    Der 87-Jährige hat seine DNS testen lassen, um den richtigen Schädel unter den gut 5.000 anderen in den Archiven der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu identifizieren. Dort wird der größte Teil der menschlichen Überreste aus den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika aufbewahrt.
    "Die Deutschen haben nie veröffentlicht, was sie zu dieser Zeit aus der Region weggeschafft haben. Weder in ihrem eigenen Land noch in Tansania. Sie müssen offen sein und sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen."
    Fordert Flower Manase Msuya. Das heißt, auch mit den vergessenen Verbrechen der Kolonialzeit. Die jüngste Debatte in Europa über die Rückgabe von tausenden geraubten Museumsstücken könnte ein Anfang sein. Isaria Meli soll den Schädel seines Großvaters jedenfalls zurückbekommen, wenn er gefunden werden kann. Er hofft, dass er lange genug lebt dafür. Und auch Nachbarn wie Ermond Lyatuu wollen Chief Meli zu Hause haben.
    "Das ist sehr wichtig für uns, weil er unser Held ist. Er ist Teil unserer Geschichte. Künftige Generationen sollen wissen, dass unsere Vorfahren nicht kolonisiert werden wollten."