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Rauchen erhöht Alzheimerrisiko

Zu den bekannten Gefahren des Rauchens gesellt sich eine weitere: Der tägliche Griff zur Zigarette ist ein Risikofaktor für die Alzheimerkrankheit. Das belegen neue Experimente an Mäusen. Überraschend dabei: Dem Nikotin wurde vor nicht allzu langer Zeit noch eine gewisse Schutzwirkung gegen die Demenz zugesprochen.

Von Volkart Wildermuth | 20.02.2013
    Alzheimer hat viele Ursachen. Manche liegen in den Genen, andere in natürlichen Alterungsvorgängen und wieder andere im Lebensstil und in der Umwelt. Letztere sind besonders interessant, da man sie, anders als Erbgut und Alter, potenziell beeinflussen kann. Es gibt einige Krankheiten, die mit Alzheimer in Verbindung stehen, zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck oder Depressionen. Auch der Bildungsgrad, Übergewicht und Bewegungsmangel spielen eine Rolle - und dann eben noch das Rauchen, sagt Alzheimerexperte Claudio Soto.

    "Rauchen ist ein relevantes Problem in Zusammenhang mit Alzheimer. Das Risiko von Rauchern ist anderthalbmal so hoch wie das von Nichtrauchern."

    Warum das so ist, will der Professor für Neurologie am gesundheitswissenschaftlichen Zentrum der Universität von Texas in Houston, mit Laborexperimenten herausfinden. Dabei untersucht er Mäuse, die zwei besondere Gene in sich tragen. Bei Menschen verursachen diese Gene seltene erblichen Formen der Alzheimerkrankheit. In den Nagern lösen sie verwandte Prozesse aus, aber nicht innerhalb von Jahrzehnten, sondern innerhalb von Monaten. Die typischen Ablagerungen finden sich in ihrem Gehirn schon nach einem Dreivierteljahr, wenig später zeigen die Mäuse auch Schwierigkeiten in Gedächtnistests. An diesem Tiermodell wollte Claudio Soto nun den Einfluss von Zigaretten überprüfen. Es gab nur ein Problem:

    "Offensichtlich rauchen Mäuse nicht. Wir haben das aktive und das passive Rauchen deshalb mit Rauchkammern simuliert."

    In den Rauchkammern steckte eine Zigarette, an der eine Pumpe saugte. Sowohl dieser mit Nikotin belastete Luftstrom als auch die Rauchschwaden von der Spitze der Zigarette wurden zu den Mäusen geblasen und zwar jeweils eine halbe oder eine ganze Stunde am Tag für vier Monate. Nach einiger Zeit fanden sich in ihrem Blut Spuren eines Nikotin-Abbauproduktes, wie sie bei Passivrauchern beziehungsweise bei leichten Rauchern vorkommen. Im Alter von sieben Monaten tötete Claudio Soto die Mäuse und untersuchte ihr Gehirn. Bei Mäusen, die nur eine halbe Stunde täglich dem Rauch ausgesetzt waren, fanden sich kaum Änderungen. Bloßes Passivrauchen scheint also Alzheimer nicht zu beeinflussen.

    "Bei den sozusagen aktiv rauchenden Mäusen beschleunigte sich der Krankheitsprozess. Es fanden sich viel mehr der typischen Ablagerungen. Sie verursachen eine stärkere Entzündung im Gehirn und auch weitere Krankheitsschritte wie Veränderungen am Tau-Protein ließen sich nachweisen. Die stören wahrscheinlich die Funktion der Nerven und führen so zu den Symptomen der Alzheimerkrankheit."

    Zigarettenrauch beschleunigt den Krankheitsprozess bei Alzheimer demnach auf vielfältige Weise. Dafür könnten unterschiedliche Effekte verantwortlich sein: eine direkte schädliche Wirkung der Substanzen im Rauch; eine Überlastung von Entgiftungsprozessen; Entzündungen; oder schlicht die Doppelbelastung aus Rauch und Ablagerungen. Die Details will Claudio Soto jetzt an seinen Mäusen aufklären, das ist allerdings mehr von theoretischem Interesse, die praktische Botschaft der Experimente ist jetzt schon klar:

    "Das Fazit ist klar: Rauchen ist ein wichtiger Umweltfaktor, der die Alzheimerkrankheit beschleunigen und verschlimmern kann. Natürlich ist es schwer die Leute zu überzeugen, mit dem Rauchen aufzuhören, um Alzheimer vorzubeugen. Aber in einer idealen Welt ließe sich so die Zahl der Alzheimerpatienten deutlich vermindern."

    Epidemiologen haben das schon 2011 in einem Gedankenexperiment hochgerechnet. Danach gäbe es auf einer rauchfreien Welt 14 Prozent weniger Alzheimerfälle. Eine Utopie, aber wenn nur jeder zehnte Raucher die Hände vom Glimmstängel lassen könnte, würden auf der Erde über 400.000 Menschen mehr auch im Alter ihre Erinnerungen genießen.