Archiv

Reaktionen Fall al-Bakr
"Die ganze Sache stinkt gen Himmel"

Die Erklärungen der sächsischen Justiz zum Tod des syrischen Terrorverdächtigen in der JVA Leipzig hat in der Bundespolitik mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Von "Bedauern" über "Versagen" bis zu "Armutszeugnis" reichen die Reaktionen. Der Innenausschuss des Bundestags wird sich zudem mit dem Fall beschäftigen.

Von Klaus Remme |
    Ein sächsischer Justizbediensteter mit der Justizvollzugsanstalt Leipzig im Hintergrund.
    Ein sächsischer Justizbediensteter mit der Justizvollzugsanstalt Leipzig im Hintergrund. (picture alliance / dpa / Sebastian Willnow)
    Der Tag begann mit Forderungen des Bundesinnenministers nach schneller Aufklärung und düsteren Prognosen von Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitiker, der im Deutschlandfunk sagte:
    "Ich fürchte, es wird uns auch um 11 Uhr in der Pressekonferenz wiederum erklärt werden, eigentlich ist alles richtig gemacht worden, niemand hat einen Fehler gemacht, nur das Ergebnis ist ein Drama."
    Wenig später sahen sich die Kritiker der sächsischen Behörden bestätigt, als Rolf Jacob, der Leiter der Justizvollzugsanstalt Leipzig, eine gewisse Gutgläubigkeit konzedierte, die Abläufe aber insgesamt so bilanzierte:
    "In der Summe würde ich schon sagen, ist das 'lege artis', wie es im Justizvollzug üblich ist, eigentlich alles so gelaufen, wie es die Vorschriften im Justizvollzug erfordern."
    "Die ganze Sache stinkt gen Himmel"
    Aus bundespolitischer Sicht hat diese Pressekonferenz mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Ein Selbstmordattentäter, der in seiner Zelle Stromquellen manipuliert und die Nahrung verweigert, wird als nicht akut suizidgefährdet eingeschätzt. Dazu Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Bundestag:
    "Das kann niemand verstehen, die ganze Sache stinkt gen Himmel, und zwar nicht erst in diesem Gefängnis, hier gibt es ein Versagen seit Monaten von sächsischer Polizei und sächsischer Justiz."
    Ähnlich die Tonlage bei den Grünen. Renate Künast fordert eine unabhängige Untersuchung, sie ist Vorsitzende im Rechtsausschuss des Bundestages. Künast zu n-tv:
    "Wie kann man auf die Idee kommen, dass einer, den man eines Selbstmordattentats verdächtigt, nicht suizidgefährdet ist, dass die Person bereit ist für den Suizid, ist doch wohl klar, die tun hier so, als sei das Business as usual, ich bin wirklich erzürnt."
    "So ein Armutszeugnis"
    SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich fassungslos angesichts einer beispiellosen Aneinanderreihung von Polizei- und Justizversagen in Sachsen, auch seine Stellvertreterin im Fraktionsvorstand, Eva Högl, zeigte sich bei N24 entsetzt:
    "Dieser Fall in Sachsen, der ist so ein Armutszeugnis, dass er auch von hier aus kommentiert werden muss, da sind so viele Fragen offen, die dringend geklärt werden müssen. Alles von Anfang an war doch darauf ausgerichtet, als ob man einen ganz normalen Verbrecher festgenommen hat, das wirft kein gutes Licht auf die sächsische Justiz, wenn man das mit anderen Fällen vergleicht, dann muss man sagen, das wird sonst viel professioneller gehandhabt."
    "Ich bedauere das sehr"
    Unionspolitiker kritisierten in erster Linie den Schaden für weitere Ermittlungen in Zusammenhang mit möglichen Terroranschlägen, hier der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, CSU:
    "Natürlich hätte man im Gespräch mit ihm sicherlich noch manches erfahren können, und schon deshalb ist es unter diesem Gesichtspunkt schlecht, es ist aber überhaupt schlecht, wenn in unseren Justizvollzugsanstalten, hier gerade, wenn die Gefahr eines Selbstmordes erkannt wurde, es dann trotzdem zur Realisierung kommt, ich bedauere das wirklich sehr."
    Unabhängig von der Aufarbeitung in Sachsen will man sich schon am Montag in Berlin mit dem Fall beschäftigen, dann kommt der Bundestags-Innenausschuss zu einer Sondersitzung zusammen.