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Rechtspopulisten in Österreich
"Machtbeteiligung wird vielleicht zu einer Entzauberung führen"

Nach dem Rechtsruck bei den österreichischen Nationalratswahlen bezeichnet der SPÖ-Politiker Hannes Swoboda eine mögliche Regierungsbildung seiner Partei mit der rechtspopulistischen FPÖ "als einen sehr gefährlichen Weg". Ein solches Bündnis würde die SPÖ spalten, sagte er im Dlf.

Hannes Swoboda im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 16.10.2017
    Die Spitzenkandidaten der Parteien bei der österreichischen Nationalratswahl: Heinz-Christian Strache (FPÖ), Christian Kern (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP); hier am 8. Oktober beim Privatsender Puls4
    Die Spitzenkandidaten der Parteien bei der österreichischen Nationalratswahl: Heinz-Christian Strache (FPÖ), Christian Kern (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP); hier am 8. Oktober beim Privatsender Puls4 (imago/photonews.at)
    Ann-Kathrin Büüsker: Ein Wahlsieg für rechts in Österreich – die konservative ÖVP, die hat gestern die Nationalratswahlen gewonnen. SPÖ und FPÖ konkurrieren noch um Platz zwei. Die Rechten haben in Österreich eindeutig gewonnen. Was heißt das jetzt für das Land? Darüber möchte ich mit Hannes Swoboda sprechen. Er saß bis 2014 für die SPÖ im Europaparlament. Guten Morgen!
    Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen.
    Büüsker: Herr Swoboda, wie neidisch waren Sie gestern auf das Ergebnis der ÖVP?
    Swoboda: Ja, meine Güte, ich habe es an sich erwartet. Alle Prognosen haben das abgezeichnet, sogar einen höheren Gewinn vorausgesagt. Aber natürlich hätte ich das gerne für die SPÖ gesehen, aber das ist nun einmal die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler gewesen. Das muss man akzeptieren.
    Büüsker: Sie haben gesagt, Sie haben das Ergebnis erwartet. Die Umfragewerte, die haben das im Vorfeld auch so gesehen und das hat sich abgezeichnet. Warum ist es, obwohl das ja so auf die SPÖ zukam, der Partei nicht gelungen, was dagegen zu machen?
    "Herr Kurz hat es geschafft, sich von der Regierung, der er selbst angehört hat, zu distanzieren"
    Swoboda: Das liegt schon eigentlich viele Monate, vielleicht sogar Jahre zurück. Herr Kurz, der ja Außenminister ist, hat es geschafft, sich eigentlich von der Regierung, der er selbst angehört hat viele Jahre, zu distanzieren. Er hat neue Leute geholt in sein Team. Er hat sich als der Erneuerer präsentiert. Gleichzeitig war eine schlechte Stimmung im Land, obwohl die Arbeitslosigkeit zurückgeht, die Beschäftigung gestiegen ist über viele Jahre hindurch, und da hat die SPÖ nichts da gegengehalten. Die SPÖ hat zugelassen, dass Herr Außenminister Kurz sich gewissermaßen als der Retter stilisiert. Er hat ja die Balkan-Route geschlossen, wie er immer wieder betont hat, und er wird jetzt die Mittelmeer-Route schließen. Und die generelle negative Stimmung im Lande, trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung, das hat die SPÖ nicht geschafft zu vermitteln. Das war ein großer Fehler, der nicht im Wahlkampf passiert ist, sondern über viele Jahre passiert ist.
    Büüsker: Wie erklären Sie denn diese schlechte Stimmung im Land, obwohl es den Menschen eigentlich gut geht?
    Swoboda: Na ja. Das sind natürlich auch die Medien, die immer wieder getrommelt haben, die Reformen gehen nicht weiter und es passiert so wenig, und natürlich eine Koalition, die schon eigentlich eingefahren ist, die immer wieder gestritten hat, die nicht fähig war, das Gemeinsame voranzustellen. Die Koalition hat eigentlich in der Bevölkerung den Eindruck hinterlassen, Schluss damit, das muss jetzt geändert werden, da muss was Neues her. Außenminister Kurz hat das verstanden, sofort in ein politisches Resultat umzusetzen. Das ist seine große Leistung, das muss man anerkennen.
    "Sogar von Panzern an der Grenze zu Italien ist gesprochen worden"
    Büüsker: Wieso hat das Thema Migration in Österreich so viele Menschen bewegt?
    Swoboda: Na ja, es hat sie bewegt, das ist richtig. Die FPÖ, die Freiheitliche Partei, hat ja schon seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen, unsere ganzen Probleme, so klein sie sind, aber doch hat es auch zu einer gewissen stagnierenden Einkommenssituation geführt. Daran sind nur "die Ausländer" schuld: die EU-Ausländer, die nach Österreich gekommen sind - wir haben einen großen Anteil -, die Flüchtlinge, die gekommen sind - wir haben einen großen Anteil an Flüchtlingen auch aufgenommen in den letzten Jahren. Das ist über Jahre gegangen, diese Vermittlung oder diese Überzeugung, an all unseren Problemen sind die anderen, die da ins Land kommen, schuld. Und darauf konnte natürlich auch die ÖVP relativ schnell aufbauen.
    Die SPÖ oder einige in der SPÖ haben leider diese Sprache übernommen und auch vom Schließen der Grenzen und sogar von Panzern an der Grenze zu Italien ist gesprochen worden. Und wenn das natürlich jeden Tag in den Medien als Problem herüberkommt, dann darf man sich nicht wundern, dass die Leute das auch als das größte Problem sehen und eine Änderung herbeiführen wollen.
    Der österreichische Politiker Hannes Swoboda war bis 2014 Abgeordneter der SPÖ im Europaparlament.
    Der österreichische Politiker Hannes Swoboda war bis 2014 Abgeordneter der SPÖ im Europaparlament. (Imago / Zuma Press)
    "Abgrenzung ja, aber nicht sie permanent als Buhmann hinstellen"
    Büüsker: Herr Swoboda, Sie beschreiben da jetzt ja anhaltenden Populismus über Jahre hinweg. Nun ist es so, das sehen wir auch am Wahlergebnis, dass die FPÖ sich inzwischen in Österreich fest etabliert hat, eine rechtspopulistische Partei. Parteichef Strache, der hat auch eine Neonazi-Vergangenheit, also eine Partei, die man durchaus kritisch sehen kann. Nun haben wir hier in Deutschland eine ähnliche Diskussion mit Blick auf die AfD. Kann Deutschland aus dem, was in Österreich passiert ist, über den Umgang mit der AfD irgendwas lernen?
    Swoboda: Schwer! Weil man kann gegen gewisse Entwicklungen – das betrifft ja nicht nur Österreich, in anderen Ländern ist es ja ähnlich, denken Sie an die Niederlande oder auch an Frankreich -, die zu dieser Unzufriedenheit führen, kaum etwas tun. Was man tun kann ist sicherlich, dass den Menschen vermittelt wird, dass diese Scheinlösungen keine Lösungen bringen. Wir haben ja schon einmal die FPÖ in der Koalition gehabt, mit der Österreichischen Volkspartei, und das hat dazu geführt, dass die Freiheitliche Partei entzaubert worden ist. Das heißt, eine gewisse Machtbeteiligung wird vielleicht zu einer Entzauberung führen, dass diese großen Erwartungen, die man da hat, dann nicht erfüllt werden.
    Aber es gibt kein Heilmittel. Es gibt kein Zaubermittel. Man muss sich einerseits abgrenzen, was die Inhalte betrifft, aber man soll versuchen, nicht sie permanent anzugreifen und sie eigentlich als die große Gefahr zu sehen. Das stärkt sie nur. Das gibt ihnen nur die Möglichkeit zu sagen, seht her, wir sind die, die dieses Land ändern können, wir sind die, die die Bedingungen für die Menschen in diesem Land verbessern können. Abgrenzung ja, aber nicht sie permanent als Buhmann hinzustellen, weil das hilft ihnen nur, in der Öffentlichkeit als "die Starken" dazustehen.
    Büüsker: Wenn Sie so argumentieren, dann könnte man ja sagen, dass auch einiges dafür spricht, dass die SPÖ sich jetzt auf ein Bündnis mit der FPÖ einlässt. Ist ja theoretisch möglich.
    Swoboda: Das ist theoretisch möglich. Wir hätten sogar die rechnerische Mehrheit dafür. Ich warne aber davor, weil dann unsere Werte, unsere Vorstellungen, unsere Zielvorstellungen untergehen werden. Das können nicht wir leisten, das kann nur die ÖVP leisten. Da gibt es ja gewissermaßen eine Deckungsgleichheit in vielen Fragen. Aber ich sehe die Koalition zwischen den Sozialdemokraten und den Rechtsnationalisten der FPÖ als einen sehr gefährlichen Weg für die SPÖ an. Es würde auch die Partei spalten. Ich glaube nicht, dass das in die Zukunft führen würde.
    "Die SPÖ gewinnt vor allem im urbanen Bereich, wenn sie sich klar abgrenzt"
    Büüsker: Aber grundsätzlich muss man ja schon sagen, dass im Moment die Ansichten der FPÖ und auch der ÖVP, also dieser tendenziell rechte Kurs eine Mehrheit hätte. Die SPÖ könnte jetzt ja sagen, wir klinken uns da ein und versuchen, das ein bisschen abzumildern vielleicht.
    Swoboda: Natürlich ist das eine Möglichkeit. Aber nochmals: Ich glaube, dass gerade in Wien, wo man auch wieder klar gesagt hat, mit der FPÖ machen wir keine gemeinsame Sache, dass dort die SPÖ sogar Stimmen gewonnen hat. Zum Teil kamen die Stimmen von den Grünen. Aber die SPÖ vor allem im urbanen Bereich gewinnt, wenn sie sich klar abgrenzt, und würde verlieren, wenn sie ihre eigenen Ziele verwaschen würde durch eine Koalition mit der rechtsnationalen FPÖ.
    Büüsker: So die Einschätzung von Hannes Swoboda, Parlamentarier der SPÖ, bis 2014 im Europaparlament. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen hier im Deutschlandfunk.
    Swoboda: Bitte, sehr gerne. Alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.