Der Vater des deutschen Rundfunks war – wie sollte es auch anders sein – ein Elektrotechniker. Hans Bredow war aber noch mehr als das: Er war Erfinder, Unternehmer, Organisator und Vordenker.
Schon vor dem Ersten Weltkrieg machte Bredow eine rasante Karriere, die ihn um den ganzen Erdball führte. Großbritannien, Australien, die USA: Bredow war vor Ort, um mit den unterschiedlichsten Firmen die drahtlose Telegraphie, den Schiffs- und Überseefunk zu entwickeln und auszubauen. Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges konnte Bredows Forscher- und Organisationsdrang nicht stoppen, allenfalls umlenken.
Selbsternannter Programmdirektor
Bredow, nun Leutnant in der Funkertruppe, experimentierte mit der neu entwickelten Röhrentechnologie und richtete an der französischen Front einen Soldatensender ein:
"Einer von meinen Funkern, der sang sehr nett. Ein anderer spielte Geige, einer spielte gefühlvoll Mundharmonika. Und so legte ich damit los und verbreitete Programme. Ich bin auf diese Weise der erste Ansager geworden und der erste Programmdirektor, denn ich stellte diese Programme zusammen, sagt sie an. Ich las aus Zeitungen vor, las ein Roman in Fortsetzung, täglich ein Stück, und so machten wir Musik, und alles Mögliche, und freuten uns ungeheuer über den Beifall, der wir bei den Frontsoldaten hatten, die in großer Menge über Empfänger verfügten zur Aufnahme der Heeresnachrichten und so weiter."
Die Heeresleitung war nicht amüsiert über die Ablenkung der Männer in den Schützengräben und verbot den Sender. Bredow jedoch hatte eine wichtige Erfahrung gemacht: Mit Übertragungen dieser Art konnte man Menschen erheitern und aufbauen. Doch seine Vision eines Massenmediums wurde von den Zeitgenossen mehr als skeptisch aufgenommen.
Erste deutsche Rundfunkübertragung in Königs Wusterhausen
Im November 1919 berichtete der Berliner Lokal-Anzeiger über eine Rede Bredows, inzwischen Ministerialdirektor des Reichspostministeriums und beauftragt mit der Einrichtung eines "Reichsfunknetzes":
"Wenn auch der Vortragende auf dem Boden der Sachlichkeit blieb, entwickelte er doch zuweilen Gedanken von geradezu Jules Verne-scher Kühnheit. So wie er beispielsweise den zukünftigen Redner schilderte, der seine Rede in einen drahtlosen Apparat spricht und sie für Millionen von Menschen hörbar macht."
Doch es dauerte nur wenige Jahre bis aus Bredows Vision Wirklichkeit wurde. Am 22. Dezember 1920 übertrugen Techniker der Deutschen Reichspost ein erstes Weihnachtskonzert aus dem Funkerberg in Königs Wusterhausen. Und drei Jahre später ging der erste deutsche Radiosender an den Start.
Radio als "Kulturfaktor" und "befreiendes Wunder"
Inflation, Besetzung des Ruhrgebiets, Hitler-Putsch: Die Menschen der krisengeschüttelten deutschen Gesellschaft suchten Ablenkung durch das neue Medium. Hans Bredow resümierte 1924: "Radio ist in Deutschland gerade in einer Zeit der tiefsten seelischen und wirtschaftlichen Not wie ein befreiendes Wunder begrüßt worden und wird hier als ein Kulturfaktor betrachtet, dessen Auswirkungen auf das kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben nicht hoch genug angeschlagen werden kann."
Man kann darüber streiten, ob der hohe Anspruch Bredows auch der der immer zahlreicher werdenden Rundfunkteilnehmer war. Die Politik jedenfalls versuchte er, seit 1926 Reichsrundfunkkommissar, aus dem Sendebetrieb herauszuhalten - was allerdings nicht verhinderte, dass die Nationalsozialisten dem "Systemrundfunk", wie sie ihn nannten, schon vor 1933 den Kampf ansagten.
Ende der Rundfunkvielfalt in der NS-Zeit
Bredow hatte beim Aufbau des deutschen Rundfunks darauf geachtet, regionale Befindlichkeiten zu berücksichtigen – so dass es im ganzen Reichsgebiet Sender gab, die ihr Programm autonom gestalteten. Dieser Vielfalt wurde mit der so genannten Machtergreifung ein Ende bereitet. Bredow reichte seinen Rücktritt ein. In einem Telegramm an Hitler protestierte er gegen die Verhaftung seiner engsten Mitarbeiter und bot an, ihr Schicksal zu teilen.
Eugen Hadamovsky, neu ernannter Reichssendeleiter, spottete: "Wünschen soll man sich nicht immer verschließen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Herr Dr. Bredow hat telegraphiert. Er möchte auch in ein Konzentrationslager. Der Mann will Urlaub haben."
16 Monate verbrachte Bredow im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit, eine Ausreise in die USA wurde ihm verweigert. Der Vater des deutschen Radios begab sich in die innere Emigration. Nach dem Krieg kehrte Bredow noch einmal kurz zu dem Medium zurück, das ihm so viel verdankte. Er wurde Verwaltungsratsvorsitzender des Hessischen Rundfunks. 1959 starb er im Alter von fast 80 Jahren.