Freitag, 19. April 2024

Archiv

Rentenversicherung
Versteckte Klauseln in Riester-Verträgen

Das Oberlandesgericht Stuttgart muss darüber entscheiden, wie viel Kleingedrucktes in einem Riester-Rentenvertrag stehen darf. Konkret klagt die Verbraucherzentrale Hamburg gegen die Allianz, weil deren Verträge Klauseln enthalten, die Familien und Ältere von der Beteiligung an Kostenüberschüssen ausschließen.

Von Michael Braun | 23.01.2014
    Aus drei Quellen speisen sich die Überschüsse von Versicherungen: Die Kapitalerträge könnten höher als kalkuliert ausfallen. Die Risiken könnten niedriger sein als gedacht. Und die meist üppig kalkulierten Kosten auch. Um die Beteiligung der Versicherten an Überschüssen, die aus niedrigeren Kosten herrühren, geht es im aktuellen Fall: Gibt es diese Überschüsse, müssen sie zu 50 Prozent an die Versicherten ausgeschüttet werden. Doch die Allianz-Lebensversicherung, so der Vorwurf von Verbraucherzentrale Hamburg und Bund der Versicherten, habe einen Weg gefunden, einkommensschwache und kinderreiche Inhaber eines staatlich geförderten Riester-Vertrages die Beteiligung an Kostenüberschüssen vorzuenthalten. Rechtsanwalt Joachim Bluhm arbeitet für die Verbraucherzentrale Hamburg:
    "Die Älteren, die Ärmeren und die Kinderreichen machen mindestens 50 Prozent aller Riesterrente-Versicherten de Allianz aus. Und die sind von einer Beteiligung an den Kostenüberschüssen ausgenommen nach bisheriger Vertragslage. Und das greifen wir an."
    Denn die Allianz hat festgelegt, nur der werde an Kostenüberschüssen beteiligt, der ein sogenanntes "Garantiekapital" von 40.000 Euro erreicht hat. Dieses Kapital erwächst nur aus den Sparleistungen der Kunden, nicht aus Zinsen und Zuschüssen. Wer wenig verdiene, also nur kleine Beiträge zahle, könne diese Summe nie erreichen, argumentieren die Kläger. Kinderreiche, die nur wegen der staatlichen Kinderzulage riesterten, auch nicht. Und Ältere, die spät einen Vertrag abschlössen, kämen auch nicht auf dieses "Garantiekapital". Warum die Allianz diese Grenze eingeführt hat, erklärt Allianz-Sprecher Udo Rössler so:
    "Wir sind nach den gesetzlichen Anforderungen gehalten, die Beteiligung nach einem verursachungsorientierten Verfahren zu machen. Und da die Verträge mit niedrigen Beiträgen nicht oder nur unwesentlich zu den Kostenüberschüssen beitragen, ist es verursachungsorientiert, diese Verträge nicht an den Kostenüberschüssen zu beteiligen."
    Verbraucherzentrale rechnet damit, Recht zu bekommen
    Die Kläger, Bund der Versicherten und Verbraucherzentrale Hamburg, rechnen nach dem bisherigen Prozessverlauf damit, heute Recht zu bekommen. Sie wollen eine uneingeschränkte Überschussbeteiligung. Zumindest müssten die umworbenen Versicherten vollständig informiert werden. Man dürfe ihnen nicht an einer Stelle des Versicherungsvertrages etwas versprechen, was an anderer Stelle wieder einkassiert werde. Das halten sie der Allianz nämlich auch vor: Sie verspreche etwas, was nach mehreren Verweisen in den Tiefen der Versicherungsbedingungen und des Geschäftsberichts wieder zurückgeholt werde. Zur Größenordnung der Kostenüberschussbeteiligung sagt Allianz-Sprecher Rössler:
    "Die Kostenüberschussbeteiligung trägt nur geringfügig zur gesamten Überschussbeteiligung eines Vertrags bei. Bei einem 20-jährigen Vertrag mit einem Garantiekapital von 40.000 Euro erhöht sich die Ablaufleistung in etwa um 500 Euro."
    Was tun, wenn das Urteil heute so kommt, wie es die Verbraucherschützer erwarten? Rechtsanwalt Joachim Bluhm:
    "Diejenigen, die nun aber bereits einen Vertrag bei der Allianz haben, sind gut beraten, die Allianz auf das Thema anzusprechen und zu sagen, sie erwarten eine uneingeschränkte Beteiligung auch an den Kostenüberschüssen. Dies auch dann, wenn das sogenannte Garantiekapital ihres Vertrags unter 40.000 Euro liegt."
    Die rechtliche Vertragslage ändere sich mit dem Urteil zunächst nicht. Dazu müsse es erst Rechtskraft erlangen.