Rezession in Deutschland
Die Gründe für die Wirtschaftsflaute

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise, die weiteren Aussichten für das Jahr sind gedämpft. Warum schwächelt die Wirtschaft und wie will die Bundesregierung gegensteuern?

    Ein Radfahrer fährt an einem leerstehenden Schnellimbiss vorbei.
    Wirtschaftlicher Abschwung: Wenn die Verbraucher nicht genügend Geld haben, müssen auch kleine Unternehmen wie Imbissbuden schließen. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Wirtschaftswissenschaftler und Politik sind alarmiert: Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise. Nachdem sie zu Beginn des Jahres in eine Rezession gerutscht war, stagnierte sie im zweiten Quartal des Jahres. Nicht nur die Inflation drückt auf die Konsumlaune der Deutschen, auch andere Indikatoren deuten drauf hin, dass die Wirtschaft erheblich schwächelt. Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht.
    Im 2. Quartal 2023 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem ersten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt stagniert, das heißt, die Wirtschaftsleistung ist nahezu unverändert geblieben. In den vorangegangenen zwei Quartalen ging die Wirtschaftsleistung Deutschlands zurück.
    Im 2. Quartal 2023 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem ersten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt stagniert (statista / Statistisches Bundesamt)

    Inhaltsverzeichnis

    Was ist eine Rezession?

    Basierend auf dem lateinischen Substantiv „recessio“ (das Zurückweichen) beschreibt der Begriff Rezession das Schrumpfen der Wirtschaft. Wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgeht, ist von einer sogenannten technischen Rezession die Rede.
    Ein solcher Abschwung ist in einer wachstumsorientierten Wirtschaft in der Regel mit vielen Problemen verbunden: Die Unternehmen investieren weniger und stellen weniger Arbeitskräfte ein oder entlassen sie, Insolvenzen nehmen zu, der Konsum der Verbraucher geht zurück. Es droht eine Abwärtsspirale. Eine Antwort darauf können staatliche Konjunkturprogramme und Investitionsanreize für Unternehmen sein.
    Die Konsumstimmung in Deutschland liegt laut GfK weiter auf niedrigem Niveau. Der GFK-Konsumklima-Index lag im Juli 2023 bei einen Indexwert von -25,2 Punkten. Für August prognostiziert die GfK für das Konsumklima einen Wert von -24,4 Punkten und damit insgesamt eine leichte Verbesserung bei der Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten.
    Die Konsumstimmung in Deutschland liegt laut GfK weiter auf niedrigem Niveau. (statista / gfk)

    Wodurch wurde die aktuelle Krise ausgelöst?

    Gebremst von gesunkenen Konsumausgaben der Verbraucher ist das Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent geschrumpft. Zum Ende des Jahres 2022 war die Wirtschaftsleistung preis-, saison- und kalenderbereinigt bereits um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte die Wirtschaft dann.
    „Die massiv gestiegenen Energiepreise haben im Winterhalbjahr ihren Tribut gefordert“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer im Mai 2023. Ähnlich äußerte sich der Ökonom Aloys Prinz von der Universität Münster. Hinzu komme die Leitzinspolitik der Europäischen Zentralbank: „So notwendig sie ist, um die Inflation zu bekämpfen, hat sie eben starke Nebenwirkungen“, sagte Prinz im Mai 2023. Durch die höheren Zinsen könne die Konjunktur gedämpft oder sogar zum Absturz gebracht werden.

    Wie sind die weiteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft?

    Prognosen gehen inzwischen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 insgesamt schrumpft. So rechnet das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. (ifo-Institut) in seiner Prognose vom 21. Juni 2023 mit einem Rückgang um 0,4 Prozent, der Internationale Währungsfonds (IWF) im Juli mit einem Minus von 0,3 Prozent. Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht, der ifo-Geschäftsklima-Index sank im Juli das dritte Mal in Folge.
    Der ifo-Geschäftsklimaindex lag im Juli 2023 bei 87,3 Punkten. Im Vergleich zum Vormonat fiel das Geschäftsklima um 1,3 Punkte, dies ist bereits der dritte Rückgang in Folge. Laut ifo-Institut waren die Unternehmen insbesondere mit den laufenden Geschäften unzufriedener, aber auch die Erwartungen haben sich verschlechtert.
    Der ifo-Geschäftsklimaindex lag im Juli 2023 bei 87,3 Punkten. Im Vergleich zum Vormonat fiel das Geschäftsklima um 1,3 Punkte, dies ist bereits der dritte Rückgang in Folge. (statista / ifo)
    „Wir haben eine Mischung aus kurzfristigen Problemen und längerfristigen Herausforderungen, die Deutschland in besonderer Weise treffen“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am 31. Juli 2023. „Kurzfristig haben wir steigende Zinsen“, wodurch weniger Geld für den Konsum oder für Kredite ausgegeben werde.
    Hinzu komme, dass Deutschland unter steigenden Energiepreisen leide. „Wir waren in besonderer Weise abhängig von den Gasimporten aus Russland. Die fallen jetzt weg. Wir haben außerdem hohe Strompreise in Deutschland. Das hat damit zu tun, dass wir seit Jahren Energie eher verknappen. Wir sind außerdem ein Land, das in besonderer Weise durch Fachkräfteknappheit betroffen ist.“
    Der Ökonom Aloys Prinz von der Universität Münster erklärte am 28. Juli 2023, jetzt zeige sich, „wo wir ganz große Schwächen haben“. So seien die energieintensiven Industriezweige eingebrochen. Wenn vor allem der Strompreis nicht sinke, „ist es um diese Industrie nicht gut bestellt. Das hat weitere Auswirkungen auf andere Industrien.“

    Welche Maßnahmen helfen gegen die Krise?

    In Politik und Wirtschaft wird intensiv diskutiert, was getan werden kann, um wieder für Wirtschaftswachstum zu sorgen. Mit einem Konjunkturprogramm sei es nicht getan, sagte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, am 3. August 2023. Es brauche eine Art "Agenda 2030", weil es so viele unterschiedliche Probleme in der Wirtschaft gebe, dass ein Konjunkturpaket allein nicht reichen werde. Bei den vielen strukturellen Problemen brauche es unterschiedliche Maßnahmen, „um in fünf oder zehn Jahren vielleicht wieder Wirtschaftsmotor Europas zu werden“.
    In Deutschland ist das BIP 2022 um rund 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen, nachdem es 2021 um rund 2,6 Prozent gestiegen war. Für 2023 prognostiziert der IWF für Deutschland eine leichte Rezession. Das BIP Deutschlands wird laut den Prognosen um 0,3 Prozent sinken, im April lag die Prognose noch bei 0,1 Prozent Wirtschaftsverlust.
    Das BIP Deutschlands wird laut den IWF-Prognosen in diesem Jahr um 0,3 Prozent sinken, im April lag die Prognose noch bei 0,1 Prozent Wirtschaftsverlust. (statista / iwf)
    Im Fokus vieler Vorschläge stehen die Energiepreise. Noch im Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Zuversicht geworben. Seine Regierung sei etwa mit dem Ausbau des Ökostroms dabei, „die Kräfte der Wirtschaft zu entfesseln“. Nun bringt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Subvention für Industriestrom ins Spiel, um den Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu helfen.
    Die Meinungen zu dieser Idee gehen in Politik und bei Wirtschaftsexperten auseinander. Ifo-Präsident Clemens Fuest etwa hält nichts davon: „Das ist kein guter Weg. Das hat einfach damit zu tun, dass bei uns Strom knapp ist. Dann hilft es auch nicht, wenn der Staat die Nachfrage einiger großer Unternehmen subventioniert.“
    Auch FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer nennt den Vorschlag „ökonomisch unklug“, denn das wäre eine Subvention. Wenn es einen Rabatt für einen Teil der Wirtschaft gebe, dann müsse das von anderen bezahlt werden. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich schon dagegen ausgesprochen.
    Unterstützung bekommt Habeck für seine Idee unter anderem von ING-Chefvolkswirt Brzeski. Die Industrie bräuchte Planungssicherheit: “Genau das würde ein Industriepreis für Energie machen. Wenn Unternehmen über fünf oder zehn Jahre Planungssicherheit haben, dann brauchen sie sich nicht zu überlegen, aus dem Land wegzugehen, sondern bleiben in Deutschland oder kommen sogar nach Deutschland.“
    Abgesehen von einer Senkung des Strompreises fordern Experten wie der Münsteraner Wirtschaftswissenschaftler Prinz vor allem einen Bürokratieabbau, beschleunigte Genehmigungsverfahren und Steuersenkungen. Der Ökonom verweist darauf, dass Deutschland „bei der Steuerbelastung der Arbeitseinkommen an zweiter Stelle in Europa noch hinter Belgien“ liegt. Das sei zu hoch. Außerdem gebe es „im Unternehmensbereich eine zu hohe Steuerbelastung im internationalen Vergleich“.
    Für den „richtigen Ansatz“ hält Ifo-Chef Fuest die von der Ampelkoalition vereinbarte „breite Steuerreform mit beschleunigten Abschreibungen, um es für Unternehmen interessanter zu machen, in Deutschland zu investieren, um dem Mittelstand zu helfen“. Diesen Ansatz müsste die Koalition noch verstärken. So müsse es „interessanter“ gemacht werden, „wieder mehr zu arbeiten“, zudem nennt er den „Bereich Bürokratieabbau“ wichtig, um die Wirtschaft zu beleben.

    gue, ahe, pto, dpa, rtr