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Richtfest am Humboldtforum in Berlin
Hinter dem Bauzaun ist ein Schloss gewachsen

Eben noch schien der Streit um die Rekonstruktion des Hohenzollernschlosses mitten in Berlin in vollem Gange, da wird schon Richtfest gefeiert. Der Neubau bleibt tatsächlich im Kosten- und Zeitplan. Einziehen soll das neue Humboldtforum, ein Kunst- und Kulturzentrum.

Von Christiane Habermalz | 12.06.2015
    Baukräne ragen am neuen Berliner Stadtschloss in den blauen Himmel. Das Gebäude an der Spree nimmt immer konkretere Formen an. Das Richtfest soll am 12.06.2015 gefeiert werden.
    Baukräne ragen am neuen Berliner Stadtschloss in den blauen Himmel. (dpa / picture alliance / Paul Zinken)
    Man reibt sich ein wenig die Augen: Nicht nur, dass in Berlin eine Großbaustelle tatsächlich im Kosten- und Zeitplan bleibt. Sondern dass da auf einmal wirklich so etwas wie ein Schloss steht, mit echter Kuppel und ersten barocken Dekoelementen an der Fassade. Dabei war der Streit doch eben noch in vollem Gange: Pro und Contra Abriss der Republik, Für und Wider historische Rekonstruktion.
    Und während die Republik noch dabei ist, zu verstehen, was denn genau hinein soll ins künftige Humboldtforum, ist hinter dem Bauzaun, bestaunt von Touristen, ein Betonmonstrum unaufhörlich gewachsen. Und siehe: Es ist ein Schloss.
    Zuvor mussten mehrere Vorgängerbauten weichen - jede neue Zeit fordert ihren Tribut. Das alte Hohenzollernschloss, im Krieg schwer beschädigt, doch durchaus noch brauchbar, wurde 1950 auf Geheiß Walter Ulbrichts gesprengt. Der Verleger und Schriftsteller Wolf Jobst Siedler:
    "Ich erinnere mich, dass Scharoun, der legendäre Erbauer der Philharmonie und Präsident der Akademie der Künste, der sagte eines Tages, als ich protestierte gegen die Abrisswut im Osten wie im Westen: Wir bauen hier eine neue Gesellschaft auf, warum sollen wir in die alten Gemäuer gehen. Es war ein weitgehender Konsens nach dem Motto: Diese alten Kästen brauchen wir nicht mehr."
    Nachfolgebau des Hohenzollernschlosses war der Palast der Republik
    Auch der Nachfolgebau der DDR, der Palast der Republik, noch dazu asbestverseucht, wurde nach der Wende nicht mehr gebraucht. Dabei hatten viele Ostberliner durchaus schöne Erinnerung an "Erichs Lampenladen", wie er aufgrund seiner zahlreichen Beleuchtungskörper genannt wurde. Parteitage fanden hier statt, Jugendweihen und Fernsehshows. Der frühere Hausmeister des Palastes, Bernd Wolfgang:
    "Also ich sage mal von der Sache her: Dieses Haus musste weg. Weil man vermutet hat, hier wurde regiert. Und regiert wurde hier nicht. Und hier hat auch kein Honecker drin gewohnt. Dieses Haus musste eben weg, es war ein politischer Hintergrund. Ein Symbol."
    Doch die Wessis hatten das Sagen, es wurde also "rückgebaut". Was nun? Während der Berliner Senat noch über eine Grüne Wiese nachdachte – auch das ein Statement - zog ein Herr Boddien geschickt die Fäden, hängte zum richtigen Zeitpunkt bedruckte Planen mit dem Schlosskonterfei auf - und gewann Unterstützung in der Politik. Mit Erfolg: 2002 sprach sich eine Kommission von Bund und Land Berlin mit knapper Mehrheit für die Rekonstruktion des Hohenzollernschlosses aus.
    Ethnologische Sammlung kommt nach Berlin Mitte
    Vorsichtshalber gab man dann den Zuschlag aber lieber dem Architekturentwurf von Franco Stella, der nur ein Dreiviertelschloss vorsah: Drei Seiten barock, eine modern. Spät erst kam die Frage auf, was denn hinein solle in das Schloss. Ein Kongresszentrum mit Hotel war die erste Idee, das geht immer. Doch dann kam die rettende Idee, die Ethnologischen Sammlungen aus dem fernen Dahlem, wo sie ein nahezu besucherfreies Dasein führen, in die Mitte der Stadt zu holen. Dort könnten sie in Dialog treten mit der Restkultur auf der Museumsinsel, ganz im Sinne der Gebrüder Humboldt: Das Humboldtforum war geboren.
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters erläuterte kürzlich noch einmal, worum es geht:
    " Wir stellen uns auch vor, dass die ganz großen Themen der Menschheit vom Anfang bis Ende des Lebens über Fragen der Religion bis hin zum Menschheitsphänomen Migration und Wanderung, und dass wir am Ende alle erleben, es verbindet uns Menschen durch alle Kulturen hindurch mehr als uns trennt"
    Humboldt-Tagebücher bekommen Ehrenplatz
    Der Rest ist schnell erzählt: Drei Nutzer teilen sich die gigantische Fläche. Neben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren außereuropäischen Sammlungen will die Humboldtuniversität Wissenschaftshistorie ausstellen. Die Humboldt-Tagebücher, die zwischenzeitlich vor dem Verkauf ins Ausland gerettet wurden, bekommen natürlich einen Ehrenplatz.
    Berlin plante lange lustlos eine Welt der Sprachen, stieg mehrfach ein und wieder aus. Der aktuelle Stand: Eine Art fröhliche Selbstdarstellung der Stadt als Metropole und Partymeile für die globale Jugend, unter dem modisch interpunktierten Titel "Welt.Stadt.Berlin."

    Ach ja: Und Neil MacGregor, bis dato Direktor des British Museum in London, wird daraus ein großes Gesamtkonzept schnüren: Die Geschichte der Welt in vermutlich 10.000 Objekten.