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Weltcup in Oberhof
Bremsen für den Sieg? Rodelsport könnte Startregeln ändern

Es geht beim Rennrodeln um Sekundenbruchteile: Wer am schnellsten durch die Eisrinne flitzt, gewinnt. Beim Weltcup in Oberhof bremsten aber viele Sportler absichtlich. Ulli Schäfer, Sportjournalist und Rodel-Experte der ARD, erklärt diese zunächst absurd wirkende Taktik – und was sich nun ändern könnte.

Ulli Schäfer im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Der deutsche Rennrodler Max Langenhan im Eiskanal
Max Langenhan ist der beste deutsche Rennrodler. Und bremst für gewöhnlich erst im Ziel ab – doch beim Weltcup in Oberhof nahmen er und seine Kollegen im ersten Durchgang extra Tempo raus. (picture alliance / EXPA / APA / picturedesk.com / EXPA)
Am Ende musste Max Langenhan ein bisschen schmunzeln. Der Zweitplatzierte des Weltcups in Oberhof und viele seiner Rodel-Kollegen, auch der österreichische Europameister Wolfgang Kindl, hatten im ersten Lauf absichtlich gebremst. Eine ungewohnte Taktik, jagen die Piloten doch sonst jedem Tausendstel hinterher. "Der Felix [Loch, d. Red.] hat hochgefunkt: 'Nimm doch mal die Füße runter'", sagte Langenhan am Sonntag im ARD-Interview.
Sportschau-Rodel-Experte Ulli Schäfer erklärte später im Deutschlandfunk-Gespräch: "Die haben taktiert, weil die Bahn in Oberhof wegen des warmen Wetters mit jedem Fahrer immer weicher, immer langsamer wurde. Und der Weltmeister, Max Langenhan, wollte im ersten Lauf extra nicht weit vorne landen, hat in der Schlussphase absichtlich gebremst, um im zweiten Lauf früh an den Start gehen zu können."
Im Rennrodeln gehen die Besten des ersten Durchgangs im zweiten zuletzt in die Eisrinne. Die Startreihenfolge im ersten Durchgang wird nach Startergruppen ausgelost, die besten Athleten starten in der mittleren Gruppe.

Bremsmanöver schaden Image der Sportart

Und so kam es, dass Langenhan in Oberhof nach Platz sieben im ersten Lauf noch Zweiter wurde, der Lette Kristers Aparjodas fuhr sogar von Rang 17 auf eins. Ist das bewusste Bremsen eine faire Taktik?
Nach dem Wettkampf sah Langenhan in der ARD die Maßnahme pragmatisch: "Eigentlich ist es, glaube ich, nicht fair. Aber man kann immer behaupten, der Schlitten ist ausgebrochen oder das Eis war rutschig. Ist ein bisschen schade für den Sport, aber am Ende stehen immer die Gleichen oben. Und das muss man auch einfach sagen: Es ist jetzt nicht so, dass eine der kleineren Nationen hier den Sieg holt."
Die Bremsmanöver sind nicht verboten. Doch für den Sieg absichtlich Tempo rauszunehmen, schadet dem Image des auf Hochgeschwindigkeit ausgerichteten Wintersports. Der internationale Rodel-Verband (FIL) wollte deshalb nicht, dass detaillierte Zeitlupen von den Bremsmanövern im TV gezeigt werden.

Top-Rennrodler fordern Veränderungen von der FIL

Kritik an der Startreihenfolge im zweiten Durchgang gibt es schon länger, auch von den Deutschen. Felix Loch, der in Oberhof im ersten Durchgang – zu seinem Nachteil – eine quasi fehlerfreie Fahrt hinlegte und später Langenhan den Bremstipp funkte, stellte nach dem Wettkampf in der ARD heraus:

Der Weltverband soll sich was überlegen. Das wäre relativ einfach, das Reglement würde es hergeben, dass die Gesetzten bei sehr schlechten Witterungsbedingungen vorneweg fahren. Wir haben es letzte Woche in Altenberg erlebt, nächste Woche schaut es wieder so aus – also ich hoffe, dass sie was lernen und drauf reagieren.

Rennrodler Felix Loch
Die Top-Fahrer im ersten Durchgang zuerst starten zu lassen, lautet die Forderung. "Das ist dann allerdings den schlechteren Fahrern gegenüber auch nicht wirklich fair", bemerkt Journalist Schäfer. "Auf jeden Fall bräuchte man dann keine Taktikspielchen."
Zumindest wird sich der Weltverband mit dem Thema befassen. FIL-Sportdirektor Matthias Böhmer räumte ein: "Jetzt haben wir schon die zweite Woche mit so Wetterkapriolen. Und es sieht langfristig nicht so aus, als ob wir minus 20 Grad haben. Es steht auf der Agenda und wird definitiv behandelt." Man sei sich einig, "dass wir was machen müssen".