Montag, 29. April 2024

Karriereende der Olympiaheldin
Rennrodlerin Geisenberger: „Mein Leben war perfekt“

Die sechsmalige Olympiasiegerin Natalie Geisenberger hat ihr Karriereende angekündigt. Im Dlf-Sportgespräch spricht die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin und zweifache Mutter über die Vereinbarkeit von Familie und Leistungssport, kindliche Freude an der Bewegung sowie nötige Veränderungen im Sport.

Natalie Geisenberger im Gespräch mit Matthias Friebe | 29.09.2023
Rennrodlerin Natalie Geisenberger jubelt nach einem Wettbewerb.
Rennrodlerin Natalie Geisenberger hört auf (Archivbild). (dpa / picture alliance / Caroline Seidel)
Nachdem Natalie Geisenberger ihr Karriereende bekanntgegeben hat, beginnt für die 35-Jährige nun ein neues Leben fernab des Eiskanals. Die Entscheidung, ihre erfolgreiche Laufbahn zu beenden, ist lange in ihr gereift: „Der Doppel-Olympiasieg in Peking war ein perfektes Ende und da hatte ich mir die ersten Gedanken gemacht“, sagte Geisenberger nun im Dlf-Sportgespräch.

"Das Gänsehaut-Gefühl hört nicht auf"

Anfang 2022 hatte sie nach der Geburt ihres Sohnes ein Comeback gegeben und bei den Olympischen Winterspielen in der chinesischen Hauptstadt zwei Gold-Medaillen geholt. „Als Mutter Olympiasiegerin zu werden, dieses Gänsehaut-Gefühl, wenn ich darüber rede, das hört nicht auf“, sagte Geisenberger und blickte trotzdem befreit zurück: „Ich hatte eine mega coole Zeit und ich habe den Sport wahnsinnig gern gemacht. Mein Leben war perfekt.“

Kinder ausschlaggebend für Karriereende

Ausschlaggebend für das Karriereende waren aber auch ihre Kinder. Anfang Januar hat Geisenberger auch noch eine Tochter bekommen. Ihr älterer Sohn, der sie in Peking noch begleitet hatte, ist gerade zudem in den Kindergarten gekommen.
„Ich will nicht den ganzen Winter ohne mein Kind unterwegs sein und ihn auch nicht aus der gewohnten Umgebung rausreißen“, betonte Geisenberger im Dlf-Sportgespräch. Auch körperlich könne sie nach zwei Geburten nicht mehr 100-prozentig mithalten: „Und das waren einfach mehrere Punkte, wo ich gedacht habe, es ist Zeit für ein neues Kapitel. Das war’s mit dem Leistungssport.“

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Ihrer Meinung nach müsste sich die Sportlandschaft allerdings noch mehr der Herausforderung stellen, Familie und Spitzensport gerade für Mütter vereinbar zu machen: „Es wäre begrüßenswert, wenn sich mehr Frauen den Schritt trauen würden und dass der Wunsch nach Familie und Kindern nicht gleichbedeutend ist mit dem Ende des Leistungssports. Da müssten sich die Voraussetzungen ändern.“

Sohn bei Wettkämpfen dabei

Ihren Sohn hat Geisenberger anfangs zu ihren Wettkämpfen mitgenommen. Sie habe dabei zwar Unterstützung vom Deutschen Bob- und Schlittenverband (BSD) angeboten bekommen. Die Organisation für das Familiäre habe sie aber fast allein gestemmt und bezahlt: „Ich hatte dadurch wahnsinnig viel zu tun nebenbei.“
Genauso wie ihr Vater, der mitgereist ist und während der Wettkämpfe auf seinen Enkel aufpassen konnte. Der Verband gestand Geisenberger allerdings zu, dass sie mit ihrer Familie in anderen Hotels schlafen durfte und in den Genuss separater Trainingseinheiten kam.

Mehr Fokus im Leistungssport auf individuelle Förderung

Ohne die Unterstützung ihrer Eltern hätte sie es jedenfalls nie so weit gebracht, sagte die gebürtige Münchnerin. Aufgewachsen ist sie in Miesbach, 120 Kilometer von der nächsten Rodelbahn am Königssee entfernt: „Das war nicht normal und gerade mein Vater hat da sehr viel investiert.“ Viel Bedarf, an den Strukturen etwas zu verändern, sieht sie aber trotzdem nicht.

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Deutschland sei im Rodelsport so erfolgreich, weil es vier Bahnen gebe und das System nicht zentralisiert sei. „Leistungssport ist individuell“, sagt Geisenberger: „Es wird nicht besser, wenn alle Rodler jeden Tag zusammen trainieren. Bei der individuellen Förderung muss mehr passieren.“

"Ich will im Sport bleiben, weil ich ihn liebe"

Was Geisenberger zukünftig macht? Das steht nocht nicht fest. Sie wolle in jedem Fall bei der Bundespolizei bleiben. 2006 hatte sie eine Ausbildung an der Bundespolizeisportschule in Bad Endorf begonnen und knapp fünf Jahre später ihre Prüfung abgelegt. Anschließend wurde die Oberbayerin erst Polizeimeisterin und anschließend -obermeisterin und bezog auch ihr Gehalt über die Spitzensportförderung der Bundespolizei.
Rennrodel-Bundestrainer Norbert Loch hat kurz nach Geisenbergers Ankündigung, ihre Karriere zu beenden, bereits kundgetan, dass er sie gerne als eine Art Rodelbotschafterin gewinnen würde. „Ich will was weitergeben an die nächste Generation und ich will im Sport bleiben, weil ich ihn liebe.“, sagte Geisenberger dazu: „In welche Richtung das genau geht, da müssen wir uns Gedanken drüber machen.“
In welche Richtung es einmal für ihre Kinder gehen wird, darüber ist sich Geisenberger alllerdings schon jetzt im Klaren. Sie sollen vor allem Spaß an der Bewegung haben: „Das muss nicht im Leistungssport enden.“