
Nicușor Dan hat die Stichwahl zur Präsidentschaft in Rumänien mit rund 54 Prozent vor seinem Kontrahenten George Simion (46 Prozent) gewonnen. Der 55-jährige Mathematiker Dan war zuvor parteiloser Bürgermeister von Bukarest, er folgt damit Klaus Johannis, der nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten durfte.
Wer ist bzw. für welche Politik steht Nicușor Dan?
Dan bekräftigte nach der Wahl, dass er die europäische und westliche Ausrichtung beibehalten möchte; es wird davon ausgegangen, dass er den Kurs der Vorgängerregierung fortsetzen wird. Sein Sieg wird als Zeichen dafür gesehen, dass Rumänien nicht den Weg Ungarns einschlagen wird.
Wichtiges Thema Korruption
Ein zentrales Thema der Politik Dans ist die Bekämpfung der Korruption. Er gilt als liberaler Reformer, der im Gegensatz zu vielen rumänischen Politikern nicht durch Bestechlichkeit aufgefallen ist – was viele Wähler an ihm schätzen. Zu Dans Wahlversprechen gehörten Reformen der Verwaltung und Justiz, um die Korruption zu bekämpfen.
Der neue Präsident wurde von vielen Wählern aber auch als Kandidat des Protests wahrgenommen, weil er in ihren Augen nicht zum "System" gehört. Dan gilt als pragmatisch, aber nicht als großer Charismatiker oder Kommunikator.
Nach seinem Sieg kündigte Dan an, den "Wiederaufbau Rumäniens" und ein „neues Kapital“ zu beginnen. Außerdem setzt er sich für eine Kultur des Dialogs im öffentlichen Raum ein, im Gegensatz zur "Kultur des Hasses", die Kritiker seinem Kontrahenten George Simion zuschreiben.
Was bedeutet der Wahlausgang für Rumänien und Europa?
Der Wahlsieg von Nicușor Dan hat für Rumänien eine große Bedeutung. Die Abstimmung galt als Richtungswahl; Beobachter nannten sie "die wichtigste Wahl in der Geschichte des Landes". Damit war vor allem die Ausrichtung zur EU und NATO gemeint. Mit dem Sieg Dans wird dieser Kurs voraussichtlich fortgesetzt.
Die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang war mit 65 Prozent um rund zwölf Prozentpunkte höher als in der ersten Runde und eine der höchsten seit Jahrzehnten. Das lag auch daran, dass viele Wähler den extrem rechten Kandidaten George Simion verhindern wollten. Er lag im ersten Wahlgang am 4. Mai 2025 noch mit rund 41 Prozent deutlich in Führung.
Auswirkungen auf internationale Beziehungen
Vor der Wahl am Sonntag gab es Befürchtungen, dass sich Rumänien mit einem Sieg des unterlegenen Simion von der rechtsnationalistischen „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ hin zu einem autoritären System entwickeln könnte. Das hätte das Verhältnis zur Europäischen Union, aber auch zu den Nachbarländern Ukraine und Moldau betroffen. So hatte Simion angekündigt, "gegen Brüssel aufzustehen". Zudem hatte er Waffenlieferungen an Kiew infrage gestellt.
Dan erbt nun eine tief gespaltene Nation, die es zu einen gilt. Er äußerte sich nach seinem Sieg "sehr versöhnlich" und betonte, jeder, der Wandel wolle, habe gewonnen. Nach der Wahl Dans feierten in der Hauptstadt Bukarest junge Menschen auf der Straße mit EU-Fahnen.
Erleichterung in Europa
In Europas Hauptstädten wurde der Wahlausgang mit Erleichterung aufgenommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gratulierten Dan und betonten, dass sich das rumänische Volk für "Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Europäische Union" entschieden habe.
Der Wahlausgang war nach der vorausgegangenen Präsidentschaftswahl vom November 2024 mit einiger Sorge erwartet worden. Damals hatte der parteilose Kandidat Călin Georgescu in der ersten Runde gewonnen. Doch soll Russland erheblich Einfluss auf die Wahl genommen haben, weswegen das Verfassungsgericht das Ergebnis wenige Wochen nach der Abstimmung annullierte und Neuwahlen anordnete. Beobachter hatten die Manipulationen als "Alarmsignal für ganz Europa" gewertet.
Zwar gab es auch diesmal Berichte über hybride Angriffe und Fake News. Nach Ansicht von Beobachtern waren diese aber nicht wahlentscheiden.
Rumänien gilt als strategisch entscheidender NATO-Partner, insbesondere seit dem russischen Angriff gegen die Ukraine.
Welche Macht hat der rumänische Präsident?
Im Gegensatz zu Deutschland hat der Präsident von Rumänien keine rein zeremonielle Rolle. Er hat wichtige Zuständigkeiten in den Bereichen Verteidigung, Justiz und den Geheimdiensten. Außerdem vertritt er Rumänien im Europäischen Rat der EU.
Innenpolitisch spielt der Präsident ebenfalls eine wichtige Rolle, denn er ernennt den Ministerpräsidenten. Eine der ersten Amtshandlungen von Nicușor Dan wird die Ernennung eines neuen Regierungschefs sein.
Der bisherige Premier, der Sozialdemokrat Marcel Ciolacu, trat am 5. Mai zurück, nachdem der von ihm unterstützte Präsidentschaftskandidat bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden war. Seitdem führt eine Übergangsregierung das Land.
Wie ist die politische und gesellschaftliche Situation in Rumänien?
Unzufriedenheit und Frustration sind in der Bevölkerung Rumäniens weit verbreitet. Dies rührt unter anderem von der Inflation, den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten infolge der Coronapandemie und des Ukraine-Kriegs sowie der erheblichen Abwanderung von Arbeitskräften. Rund fünf Millionen Rumänen haben in den vergangenen drei Jahrzehnten das Land verlassen. Viele arbeiten als Gelegenheitsarbeiter oder Pflegehelfer im Ausland, auch in Deutschland.
Ein zentrales Problem ist die weitverbreitete Korruption. Rumänien wird nach Ungarn und Bulgarien als das drittkorrupteste Land der EU bezeichnet. In den Augen vieler Rumänen gilt unter anderem die Politik als bestechlich, nicht zuletzt die zurückgetretene Regierungskoalition aus der sozialdemokratischen PSD und der nationalliberalen PNL. Doch viele Bürger erleben Korruption auch im Alltag, zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo Schmiergeld gezahlt werden muss, um behandelt zu werden.
Wegen der Abwanderung, Korruption und des Misstrauens in staatliche Institutionen gilt die Gesellschaft als verwundbar und leicht manipulierbar für Einflüsse von außen. Außerdem gilt das Land als tief gespalten.
Auf der einen Seite steht ein proeuropäisches und prowestliches Lager, das für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Europäische Union eintritt. Auf der anderen Seite existiert ein starker christlich-orthodoxer Nationalismus, der anti-demokratisch, anti-westlich oder sogar pro-russische und anti-liberal ausgerichtet ist.
rzr, tan