Kommentar
Russlands Atomwaffenübung ist auch ein Test für Scholz

Russlands angekündigtes Manöver der Nuklearstreitkräfte dient primär der Einschüchterung. Diese Taktik geht bei Bundeskanzler Olaf Scholz auf, kommentiert Sabine Adler: Scholz zeige seine Angst, statt Putin selbstbewusst entgegenzutreten.

Ein Kommentar von Sabine Adler |
Portraitfoto von Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzler Scholz will die SPD als Friedenspartei ausgeben. Einen wirklichen Beitrag zum Frieden leiste sie aber nur, wenn sie Putin auf seinem Eroberungszug Einhalt gebiete, kommentiert Sabine Adler. (picture alliance / SvenSimon / FrankHoermann / SVEN SIMON)
Russland testet. Nicht nur taktische Atomwaffen, keine 500 Kilometer von der Ukraine entfernt. Russland testet, wo und wie weit Grenzen verschoben werden können. Als nächstes möglicherweise in der Ostsee, wie im russischen Verteidigungsministerium überlegt wird.
Auf der Krim blieb das fast folgenlos. Ebenso in der Ostukraine acht Jahre lang. Der Westen wachte erst bei der russischen Großinvasion auf. Und auch dann kam die Hilfe für den geschundenen Nachbarn langsam und ängstlich. Vor allem in Deutschland aus Sorge, bei welche Art von Unterstützung für die Ukraine der tobende Kriegsherr im Kreml wohl den roten Knopf drücken würde.

Nukleare Provokationen als Machtspiel

Gut zwei Jahre später beantwortet er immer noch jedes neue Hilfsangebot des Westens für die Ukraine mit einem Verweis auf die schlimmste aller Waffen. Passiert ist von alledem nichts. Was vor allem daran liegt, dass Putin fürchtet, China als Schutzmacht zu verlieren. Nun wurde mit großem Getöse ein Manöver der Nuklearstreitkräfte angekündigt, das in der Vergangenheit regelmäßig stattfand, zur Routine gehörte, ohne dass alle Welt davon erfuhr.

Neu ist, dass sich auch Putins Vasall Lukaschenko, jetzt da russische Nuklearwaffen in seinem Land stationiert sein sollen, an der atomaren Einschüchterung beteiligt. Vermutlich fühlt er sich dann ebenso mächtig wie Putin. Wenn zum Beispiel viele anfangen zu zittern. Allen voran Bundeskanzler Scholz. Er schmetterte schon die Erwägung von Frankreichs Präsident Macron, auch NATO-Bodentruppen nicht auszuschließen, sofort ab. Genau wie die Idee, Kiew bei der Luftüberwachung zu unterstützen. Und ging sogar noch einen Schritt weiter.

Scholz' falsche Prioritäten: Kritik an Rasmussen statt Putin

Bei Scholz ist es nicht der Imperialist und Diktator Putin, der seine Ziele mit Schaum vor dem Mund vorantreibt. Schaum vor dem Mund sieht der Kanzler bei Ex-NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und dessen Vorschlag, zum Beispiel von Polen aus den ukrainischen Luftraum mit zu schützen.    

Das alles soll dieser Tage vermutlich unter Wahlkampf verbucht werden, in dem sich die SPD als Friedenspartei gibt. Das ist sie größtenteils auch, aber nicht, wenn sie solche Vorschläge abwehrt, als seien sie Teufelswerk, sondern dann, wenn sie den wirklich wichtigen Beitrag zum Frieden leistet, nämlich Putin auf seinem Eroberungszug Einhalt zu gebieten.

Warum lobt Scholz nicht vielmehr Rasmussen? Der sammelt schon seit Monaten in der ganzen Welt Sicherheitszusagen der Länder ein, die einen später ausgehandelten Frieden für die Ukraine auch bewahren und schützen wollen. Diese Anstrengung für eine politische Lösung anzuerkennen, würde vermutlich mehr Wähler überzeugen, als die Angst des Kanzlers, der sich wieder und wieder von Putin testen lässt.
Sabine Adler, Journalistin und Buchautorin. Journalistik-Studium Universität Leipzig, danach Sender Magdeburg, radio ffn, Deutsche Welle. Seit 1997 beim Deutschlandradio, u.a. als Russland-Korrespondentin, Leiterin des Hauptstadtstudios. 2011-2012 Leiterin Presse und Kommunikation Deutscher Bundestag. Danach Osteuropakorrespondentin, derzeit Leiterin des Reporterpools.