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Sagen & Meinen
Warum Medien nicht über "Selbstmord" schreiben sollten

Nur in Ausnahmefällen sind Suizide Medienthema - zu groß ist die Gefahr, dass die Taten Nachahmer finden. Die Begriffe "Selbstmord" und "Freitod" müssten in jedem Fall vermieden werden, warnt Stefan Fries.

Von Stefan Fries | 20.09.2021
Ein brennendes Streichholz symbolisiert einen Menschen, der niedergeschlagen auf einer Kante sitzt.
Der Pressekodex schreibt vor, nur zurückhaltend über Suizide zu berichten (Imago/Shotshop)
Gelegentlich berichten Medien darüber, dass sich ein Mensch das Leben genommen hat - vor allem, wenn dieser Mensch prominent ist. Denn es ist wichtig, zu erfahren, wie es dazu gekommen ist, um so etwas zu verhindern. Es kommt aber darauf an, wie Medien darüber berichten – über welche Details und mit welcher Wortwahl.
Grafik zeigt Silhouette eines Menschen, in dessen Gehirn ein Knoten sitzt
Warum eine Depression nichts mit schlechter Laune zu tun hat
Rund fünf Millionen Erwachsene in Deutschland haben Depressionen. Sie sind nicht einfach schlecht drauf, sondern psychisch krank. Ratschläge wie "Reiß dich zusammen" sind fehl am Platz – professionelle Hilfe und ein empathisches Umfeld umso wichtiger.
Oft hört man zum Beispiel einen Begriff:
"Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass die beiden Anführer hier Selbstmord begangen haben."
"Gab es Konflikte, die einen Selbstmord erklären können?"
"Sie posten Bilder zu traurigen Sprüchen, auch zum Thema Selbstmord."
Doch ein Selbst-Mord ist so eine Tat nie. Es ist keine kriminelle Handlung, und schon gar kein "Mord". Der Begriff stigmatisiert und ist vor allem für Angehörige belastend.
07.05.2019, Berlin: Ein Schild mit der Aufschrift "BlaBla Ende" steht auf der Tincon, dem Festival für Jugendkultur, im Rahmen der Internetkonferenz "re:publica". Die Konferenz der Netzszene findet noch bis zum 08.05.2019 statt. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Sagen & Meinen - Der Sprachcheck
Viel zu oft setzen sich fragwürdige Begriffe und Euphemismen in Medien fest, zum Beispiel das "Gute-Kita-Gesetz", das "Familiendrama" oder der "Lockdown". Solche Formulierungen hinterfragen wir in der Reihe "Sagen & Meinen – der Sprachcheck"
Es ist auch kein "Freitod", denn ein Suizid ist meistens der Endpunkt einer psychischen Krise und großer innerer Not, sagt die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention. In so einer Situation sei niemand frei. Wer einen Suizid versucht, will nicht unbedingt sterben, weiß aber nicht, wie das Leben weitergehen könne. Statt von Selbstmord oder Freitod sollte man lieber von "Suizid" oder "Selbsttötung" sprechen.

Suizid-Berichterstattung führt zu mehr Suiziden

Studien haben gezeigt, dass falsche Berichterstattung Nachahmer anregt, die bereits suizidgefährdet sind. Dann steigt die Zahl der Suizide – oft wird der gleiche Ort gewählt oder die gleiche Methode angewendet. Deswegen schreibt auch der Pressekodex vor, zurückhaltend zu berichten.
Journalistinnen und Journalisten sollten den Suizid auch nicht als nachvollziehbar oder erlösend darstellen - und sie sollten einfache Erklärungen genauso vermeiden wie Schuldzuweisungen. Im Gegenteil: Wenn sie die richtigen Worte wählen, können sie sogar Suizide verhindern und die Suche nach Hilfe auslösen. Auch damit, dass sie Ansprechpartner nennen, wenn jemand Hilfe sucht.
Wer das Gefühl hat, an einer Depression zu leiden oder sich in einer scheinbar ausweglosen Lebenssituation zu befinden, sollte nicht zögern, Hilfe anzunehmen. Hilfe bieten zum Beispiel auch die Telefonseelsorge in Deutschland unter 0800 111 0 111, das Info-Telefon Depression unter 0800 3344533 oder die Stiftung Deutsche Depressionshilfe auf ihrer Website.