Samstag, 18. Mai 2024

Saudi-Arabiens Transferoffensive
Das Financial Fairplay und die Petrodollars

Saudi-arabische Investoren haben im Sommer für fast 700 Millionen Euro Stars aus dem europäischen Fußball in die heimische Pro League gelockt. Manch ein europäischer Klub konnte dadurch seine finanzielle Bilanz aufpolieren, die saudische Transferoffensive stellt aber auch das Financial Fairplay vor neue Herausforderungen.

Von Constantin Eckner | 20.08.2023
Der Brasilianische Fußballstar Neymar (l.) und Al-Hilals Präsident Fahad bin Nafel (re.) posieren für ein Foto, als Neymar seinen Zweijahresvertrag unterschreibt.
Für etwa 90 Millionen Euro verließ Neymar Paris Saint-Germain und schloß sich Al-Hilal in Saudi-Arabien an. Bis zu 160 Millionen Euro kann der brasilianische Nationalspieler verdienen - pro Saison. (dpa / picture alliance / Al-Hilal Saudi Club )
Eine Transferoffensive, die ihresgleichen sucht: Seit Start der Transferperiode Anfang Juli haben Vereine aus Saudi-Arabien fast 700 Millionen Euro für Spieler aus Europa ausgegeben. Darunter prominente Namen wie Real Madrids langjähriger Stürmerstar Karim Benzema und der Brasilianer Neymar. Dem Ruf des Geldes sind aber auch Fußballer gefolgt, die bei ihren vorherigen Klubs keine Rolle mehr gespielt haben.
Karim Benzema mit Trikot bei der Vorstellung bei Al-Ittihad
Einer von vielen neuen Stars in der saudi-arabischen Liga: Ballon D'Or-Gewinner Karim Benzema (imago / Balkis Press / ABACA)
"Wir haben Spieler, die sich meist am Ende ihrer Karriere befinden, nach Saudi-Arabien gehen sehen. Sie kassieren noch ein letztes Mal ab. Was dadurch geschehen ist: Ein neuer Player befindet sich nun im Markt", sagt Martyn Ziegler, Journalist für die britische Tageszeitung "The Times".

Mendy, Koulibaly, Kanté - drei Chelsea-Stars in der Wüste

Dieser neue Player könnte die Architektur des hiesigen Transfermarktes deutlich beeinflussen. Denn Klubs haben unter Umständen die Möglichkeit, teure Altstars zu lukrativen Preisen zu verkaufen. Allein der FC Chelsea konnte bislang drei Spieler – Edouard Mendy, Kalidou Koulibaly und N'Golo Kanté – für insgesamt 45 Millionen Euro an saudi-arabische Vereine veräußern.
Ein anderes Beispiel ist Newcastle United. Der Traditionsklub befindet sich im Besitz des Public Investment Fund (PIF) aus Saudi-Arabien. Newcastle hat kürzlich Allan Saint-Maximin für fast 30 Millionen Euro an Al-Ahli verkauft. Al-Ahli gehört ebenfalls dem PIF. Ziegler sieht das kritisch: "Die Premier League hat Regularien. Und diese Transaktion wird dahingehend untersucht, ob es sich um einen fairen Marktpreis handelt. Aber es gibt definitiv Bedenken unter den anderen Premier-League-Klubs."

Auf einmal strahlende Transferbilanzen - dank der Saudi-Millionen

Dazu muss man wissen: Sowohl die Premier League als auch der europäische Fußballverband UEFA haben Financial-Fairplay-Regularien, die sicherstellen sollen, dass die englischen Erstligisten beziehungsweise alle Europapokal-Teilnehmer nachhaltig wirtschaften und nicht exorbitant mehr ausgeben, als sie einnehmen. In der Vergangenheit haben manche Vereine versucht zu tricksen. So wurden beispielsweise unüblich hohe Sponsorenverträge vorgelegt, um die Bilanz auszugleichen. Zahlt jetzt Saudi-Arabien für eigentlich ausgemusterte Spieler hohe Transfersummen, könnten auf diese Weise Transferbilanzen ebenfalls geschönt werden.
Eine Überprüfung dieser Transfers kann auch die UEFA vornehmen, sagt der langjährige Sportrechtsexperte Martin Stopper: "Es ist ein schwieriges Thema. Und es ist wirklich das Hauptthema, dem sich die UEFA zuwenden muss. In der Fassung der Regeln, wie sie vorher waren, waren Transfererlöse gar nicht drin. Jetzt sind sie drin. Zwar nicht explizit genannt, aber man kann es so lesen. Wenn man genau in diese Regularien reinschaut, sieht man, dass eine Bewertung, also eine Zeitwert-Evaluierung durch die Finanzkommission für Transfererlöse möglich ist. Wir haben jetzt gehört: Chelsea, vier Transfers, angeblich doppelter Marktwert in Bezug auf die Transferlöse. Das war eine ganz gute Idee, weil eine indirekte Verbindung der saudi-arabischen Klubs, die diese Spieler übernommen haben, gab es dann auch wieder zu Chelsea."

Weitreichende Verbindungen Saudi-Arabiens in die Premier League

Denn der PIF ist ein Anteilseigner der Investmentgesellschaft Clearlake Capital. Clearlake wiederum gehört zu jener Gruppe, die vor einiger Zeit den FC Chelsea vom russischen Oligarchen Roman Abramovich übernahm.
Die Premier League hat sich bereits mit dem Sachverhalt beschäftigt, sagt Martyn Ziegler: "Es wird nicht bestritten, dass der saudi-arabische PIF in Clearlake investiert hat. Aber es ist nicht signifikant, es sind definitiv weniger als fünf Prozent. Dies wurde bereits als mögliches Problem während des Verkaufs von Chelsea angesprochen. Die Premier League hat das Ganze untersucht und man war zufrieden damit, dass der PIF nicht genügend Anteile an Clearlake besitzt, um Kontrolle über Clearlake sowie über Chelsea auszuüben."
Bleibt aber die Frage, ob man Transfererlöse überhaupt bewerten kann. Martin Stopper dazu: "Das ist eine spannende Frage. Denn man denke mal darüber nach: Wie soll es denn möglich sein, tatsächlich einen Zeitwert festzustellen für die richtige Höhe einer Ablösesumme? Also da geht mir die Fantasie ein bisschen durch. Bei einer Sponsoringvereinbarung gibt es gute Vergleichswerte, wo man sagt: Für eine Bandenwerbung oder eine Trikotwerbung nehme ich mir mal 100 raus in Bezug auf die jeweiligen Klubs und Reichweiten. Das können die großen Agenturen alles ausrechnen."

Herausforderungen fürs Financial Fairplay

Transfers jedoch sind speziell. Zahlt beispielsweise Bayern München für Harry Kane bei einem kolportierten Preis von 90 Millionen Britischen Pfund zu viel für den englischen Stürmer? "Das ist natürlich ein sehr subjektiver, individueller, auf Nachfrage bezogener Transferwert für den FC Bayern München, weil die sagen: 'Wir brauchen jetzt unbedingt einen Stürmer.' Also wie will man das jetzt objektivieren? Das ist schon die entscheidende Stelle für das Financial Fairplay, um zu sagen: 'Moment, Saudi-Arabien, ihr versucht hier Geld reinzupumpen auf eine Art und Weise, die das Financial Fairplay eigentlich verbietet."
Obwohl das Financial Fairplay zuletzt überarbeitet wurde und nun wirkungsvoller als zuvor das Wirtschaften der europäischen Spitzenklubs regulieren soll, werden dem Regelwerk momentan aufgrund des Treibens von Saudi-Arabien seine Grenzen wieder einmal aufgezeigt.