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Schottland und die Unabhängigkeit
"Die Tage des britischen Empire sind vorbei"

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat Großbritanniens Premierministerin Theresa May den Kampf angesagt und plant ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit ihres Landes. Doch der Rest der Schottischen Nationalpartei muss mitziehen. Unterstützung findet Sturgeon in Parteikollege Alex Salmond.

Von Friedbert Meurer | 17.03.2017
    Der ehemalige Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei und die aktuelle Chefin: Alex Salmond und Nicola Sturgeon
    Der ehemalige Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei und die aktuelle Chefin: Alex Salmond und Nicola Sturgeon (picture alliance/ dpa/ Robert Perry)
    Schottland hat mit "Nein" gestimmt, sangen die Gegner der Unabhängigkeit in der Nacht nach dem Referendum in Glasgow. Das Ergebnis der Volksabstimmung sollte zum Trauma der Schottischen Nationalpartei werden. 1,6 Millionen Schotten stimmten für die Unabhängigkeit, aber 2,2 Millionen dagegen.
    Alex Salmond, der Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei und damals Erster Minister, sah sich um sein Lebenswerk gebracht. Schon Stunden nach der Schlappe habe er den Vorsatz gefasst, heißt es, ein zweites Referendum herbeiführen zu wollen. Am gestrigen Donnerstag sitzt Alex Salmond der internationalen Presse in London gegenüber. Formal ist er nur noch außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Unterhaus in Westminster.
    "Nicola Sturgeon und ich, wir sind augenscheinlich unterschiedliche Personen. Sie ist jetzt die Erste Ministerin."
    Salmond war gerade gefragt worden, ob er in Wahrheit Sturgeon zur Kampfansage getrieben habe.
    "Nicola Sturgeon hat ihre eigene Entscheidung getroffen, das Manifest ihrer Partei umzusetzen. Am Ende des Tages kam Nicola richtigerweise zu dem Ergebnis, dass das ihre Verpflichtung war gegenüber den Schotten, die sie so überwältigend gewählt haben."
    Lange sah es so aus, als zögere Sturgeon, ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit auszurufen. Sie drohte, kündigte an – es hieß, sie bluffe nur. Salmond liest jetzt aus der Wahlplattform vor, mit der Nicola Sturgeon die schottischen Regionalwahlen gewann:
    "Wir glauben, dass das schottische Parlament das Recht hat, ein neues Referendum anzusetzen, wenn es eine signifikante und materielle Veränderung der Umstände gibt. Also etwa wenn Schottland aus der Europäischen Union heraus gezogen wird gegen seinen Willen."
    Jetzt oder nie
    Jetzt oder nie, das war wohl jetzt die Wahl für Nicola Sturgeon. Salmond ist der impulsivere der beiden, in England wird er als nationalistischer Hitzkopf gesehen. Sturgeon tritt diplomatischer auf, gilt als überlegter. Beide werden jetzt in Aberdeen sehen, wie sehr ihre Partei bei dem neuen Referendum mitzieht. Routiniert spulen Salmond und Tasmina Ahmed-Sheikh, die handelspolitische Sprecherin der Partei, ihre Antworten auf die skeptischen Fragen der internationalen Presse ab. Es sind die gleichen wie vor zweieinhalb Jahren:
    "Ja, wir haben ein gutes handelspolitisches Verhältnis zum Rest des Vereinigten Königreichs", entgegnet sie auf den Einwand, zwei Drittel der schottischen Güter gingen nach England, Wales und Nordirland. "Der Rest des Landes handelt ja umgekehrt auch mit uns. Es ist lächerlich anzunehmen, dass die andere Seite jetzt nur noch auf den Handel mit den USA setzt oder mit allen anderen in der Welt, nur nicht mit Schottland."
    Kampfansage an Theresa May
    Schottland muss sich im Fall der Fälle bei der EU als neues Mitglied bewerben? Salmond kontert, die EU unterstützt doch Demokratie. Die Schotten seien arm? Beim Pro-Kopf-Sozialprodukt stehe man doch zwei Plätze über den Engländern. Dann die Frage: Theresa May werde darauf bestehen, dass das Referendum erst nach dem Brexit abgehalten wird, also 2019 oder 2020. Nicola Sturgeon aber will doch vorher abstimmen, wenn die britische Premierministerin politisch voll unter Druck steht.
    "Die Tage des britischen Empire sind vorbei", greift Salmond Theresa May jetzt voll an. Überhaupt, sie sei ja nicht einmal demokratisch gewählt worden, sondern nur ernannt. "Die Regierung in Westminster wird uns kein Diktat auferlegen können, wann wir zu wählen haben. Theresa May wird den Termin wie damals David Cameron auch akzeptieren müssen."