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Schützenhilfe für Draghi

Für ihr Anleihekaufprogramm musste die Europäische Zentralbank heftige Kritik einstecken. Nun erhält sie aber Beistand. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat 200 Unterschriften von Professoren gesammelt, die das Programm unterstützen.

Von Michael Braun | 06.08.2013
    Sie kommen von der Zentralbank Brasilien, von Universitäten aus Adelaide, Houston, Wisconsin und ganz überwiegend von Hochschulen und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen aus Europa. Stand gestern - 197 Ökonomen, die einen Aufruf zur Unterstützung der Europäischen Zentralbank unterzeichnet haben. Morgen wird er hier veröffentlicht.

    Was sie umtreibt, ist die oft heftige Kritik an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Doch hätte es die so nicht gegeben, sagt einer der Initiatoren des Aufrufs, der neue Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, dann sähe es sehr viel düsterer aus in Europa:

    "Wenn es dieses Programm oder die Ankündigung nicht gegeben hätte, stände Europa heute sicherlich sehr viel schlechter da. Die Krise wäre sehr viel tiefer."

    OMT – da steht für das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank, also jene Versicherung des EZB-Präsidenten Mario Draghi vom Juli vorigen Jahres, die EZB werde im Rahmen ihres Mandates den Euro verteidigen, auch Anleihen reformwilliger Staaten kaufen, dies notfalls in unbegrenztem Umfang. Und glauben Sie mir, hatte Draghi hinzugefügt, Geld sei genug dafür vorhaben:

    "And believe me, it will be enough.”"

    Die EZB werde Europa in die Inflation führen, hatte vor allem der Präsident des Ifo-Instituts, Hans Werner Sinn, argumentiert. In Deutschland hat sich mit der AfD eine ganze Partei dem Kampf gegen eine solche Eurorettung verschrieben. Doch DIW-Präsident Fratzscher und seine rund 200 Mitstreiter sind gänzlich anderer Meinung. Die Angriffe auf die EZB seien inhaltlich falsch, in der Absicht fehlgeleitet und schädlich für Europa und die Weltwirtschaft, heißt es in dem Aufruf. Fratzscher sagte gestern im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten, die EZB-Politik habe viel Gutes bewirkt. Zugleich gestand er zu, dass einige Aufgaben verzögert worden seien:

    ""Das Vertrauen, das zurückgekommen ist, hat geholfen. Die Liquidität, die an diese Länder gegangen ist, hat auch geholfen, damit Unternehmen langsam, aber stetig wieder besseren Zugang zu Liquidität haben. So gesehen ist das OMT-Programm ein Erfolg, den Ländern dazu zu helfen, diese Reformen umzusetzen. Gleichzeitig ist es natürlich auch richtig, dass wichtige Reformen auf europäischer Ebene, wie zum Beispiel die Bankenunion, leider weniger Fortschritt gemacht hat, als ich mir das gewünscht hätte."

    Dass die Bankenunion verzögert wurde, sehen die EZB-Gegner vermutlich als Vorteil an, vermuten sie hinter dem Begriff doch die Absicht, dass gesunde deutsche Sparkassen, Volks- und anderer Banken für die Risiken südeuropäischer Institute eintreten sollten. Dass die wegen des vielen billigen EZB-Geldes am Leben erhalten bleiben, gilt in der Tat als Nachteil der Rettungspolitik. Fratzscher sagt für die Zukunft gerade in Griechenland kräftige Einschnitte voraus:

    "Die Schulden müssen reduziert werden, entweder durch eine Umschuldung oder einen Schuldenschnitt. Also Umschuldung heißt eine Verlängerung der Laufzeit, sehr viel niedrigere Zinsen. Oder durch einen Schuldenschnitt, also einen partiellen Erlass der Schulden. Wie das gemacht wird? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aber es muss gemacht werden. Es sollte sobald wie möglich auch angegangen werden, damit die griechische Wirtschaft wieder eine Perspektive hat."

    Einen Schuldenstand von 170 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung könne Griechenland niemals tragen. Selbst das angestrebte Niveau von 124 Prozent sei alles andere als nachhaltig. Dabei müsse jede Hilfe mit anhaltendem Reformdruck verbunden bleiben. Denn Griechenland habe zwar gespart, aber etwa bei Steuereintreibung oder Privatisierung so wenig institutionelle Reformen umgesetzt wie kein anderes Krisenland. An der Krisenpolitik der EZB zweifeln die 200 Ökonomen dennoch nicht. Diese Politik habe die Risiken für alle Mitgliedstaaten gesenkt, auch für Deutschland.