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Schulzes CO2-Gutachten
"Brauchen Marktsignal für klimafreundliche Technologien"

Der von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorgeschlagenen CO2-Preis sei richtig, sagte CDU-Fraktionsvize Andreas Jung im Dlf. Anstelle weiterer Steuern sei aber eine Steuerung nötig, zum Beispiel über Zertifikate. Auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land müssten berücksichtigt werden.

Andreas Jung im Gespräch mit Sandra Schulz | 05.07.2019
Andreas Jung (CDU) kommt zur Fraktionssitzung der Union im Deutschen Bundestag.
Umweltministerin Schulze plant eine finanzielle Belastung bestimmter Gruppen, das will CDU-Fraktionsvize Andreas Jung nicht (dpa)
Sandra Schulz: Klimafreundliches Verhalten soll belohnt werden. Gleichzeitig soll aber schrittweise ein Preis für CO2-Emissionen im Verkehr und beim Heizen eingeführt werden. Seit heute Vormittag wissen wir ein bisschen mehr darüber, wie sich Umweltministerin Svenja Schulze den Einstieg vorstellt in eine Bepreisung von CO2-Emissionen.
Ich konnte darüber vor der Sendung mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung sprechen. Er ist stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender und war viele Jahre Mitglied im Bundestags-Umweltausschuss. Als erstes habe ich ihn gefragt, wie er das findet, was er heute von der Ministerin gehört hat.
Andreas Jung: Das ist ein Beitrag zu der Debatte, wie wir die Klimaziele erreichen. Die Ministerin Schulze hat selber davon gesprochen, das sei jetzt ein Wettbewerb der Ideen. An diesem Wettbewerb wird sich selbstverständlich die Union auch beteiligen. Wir erarbeiten gerade unser eigenes Konzept zur Erreichung der Klimaziele für die Bepreisung von CO2, und dann werden wir gemeinsam mit der SPD ein Ergebnis suchen.
"Durch ein Preissignal Lenkungswirkung bekommen"
Schulz: Ist es ein guter Beitrag zur Debatte um eine CO2-Bepreisung?
Jung: Ich denke, jeder Beitrag ist da richtig. Trotzdem muss man genau hinschauen. Zunächst einmal halten wir es für richtig, dass CO2 einen Preis bekommen soll. Wir brauchen ein Marktsignal für klimafreundliche Technologien, und das haben wir bisher nicht. Wir haben ja im Energiebereich Abgaben, Entgelte, Umlagen, Steuern in einem Volumen von über 80 Milliarden Euro im Jahr. Das heißt, wir haben nicht zu wenig Steuern, aber wir haben zu wenig Steuerung. Dass wir jetzt eine Lenkungswirkung bekommen, durch ein Preissignal Lenkungswirkung für Effizienz, Innovation, Klimaschutz, das ist richtig und deshalb teilen wir diesen Ansatz.
"Mit einem Zertifikatehandel zielgenau die Klimaziele erreichen"
Schulz: Sagen Sie uns noch mal, woran man das bisher gemerkt hat, dass Sie diesen Ansatz teilen. Wir haben zuletzt gehört die Äußerung von Ihrer Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die hat im Zusammenhang mit einer CO2-Bepreisung vor zu einfachen Lösungen gewarnt.
Jung: Genau. Wir möchten deshalb genau hinschauen, wie die Lösung ausschaut. Es gibt einen Beschluss des CDU-Bundesvorstandes für einen Weg der Bepreisung von CO2, der jetzt über den Sommer erarbeitet werden soll. Wir wollen aber schon genau hingucken. Die Frau Kemfert, die ja für die Ministerin heute das Gutachten vorgestellt hat, sagt selber, die Ökosteuer war umweltpolitisch ein Flopp. Die habe Geld in die Rentenkasse gebracht, die ökologischen Ziele aber verfehlt. Deshalb wollen wir darüber diskutieren, ob nicht ein Zertifikatehandel der bessere Weg ist, weil wir mit einem Zertifikatehandel zielgenau die Klimaziele erreichen können. Es kann nur so viel CO2 ausgestoßen werden, wie Zertifikate im Markt sind. Das kann man steuern, die kann man jedes Jahr reduzieren. Dann macht nicht der Staat den Preis, sondern der Markt macht den Preis und die effizienteste Maßnahme setzt sich durch. Das halten wir für einen guten Weg, den wir auch diskutieren wollen. Es wird in der nächsten Woche die Gutachten geben, die die Bundesregierung gemeinsam in Auftrag gegeben hat bei dem Klimaforscher Professor Edenhofer, bei dem Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen Professor Schmidt, und auf dieser Grundlage werden wir dann die Debatte führen um den besten Weg.
"Die Menschen mitnehmen"
Schulz: Wir haben ja jetzt schon einige Erfahrungen aus diesem Modell der Lizenzen. Da hat sich gezeigt, wenn man es in die Hände des Marktes gibt, dass dann die Preise für CO2, dass die Bepreisung dann einfach so niedrig ausfällt, dass die Steuerungswirkung dann wegfällt. Anderer Ansatz wäre, die Lizenzen so teuer zu vergeben, dass es dann wirklich eine Wirkung hätte. Das wäre aber doch unterm Strich viel härter als das, was Svenja Schulze jetzt vorschlägt. Erklären Sie uns da noch mal Ihren Kurs.
Jung: Deshalb geht es ja darum, da ganz genau hinzugucken bei beiden Maßnahmen. Auch bei dem, was jetzt Frau Schulze vorschlägt, stellt sich ja die Frage, wird die Lenkungswirkung dadurch erreicht, die sie sich davon verspricht. Diese Frage muss man natürlich auch an jedes andere Modell stellen. Aber grundsätzlich ist ein Zertifikatehandel dazu geeignet, Ziele zu erreichen, die auf einem effizienten Weg zu erreichen. Das ist ja denkbar, dass man so etwas verknüpft auch mit einem Mindestpreis einerseits, um die Lenkungswirkung sicherzustellen, mit einem Höchstpreis andererseits, um zu hohe Belastungen auszuschließen. Das ist alles möglich und das sollte jetzt mit den Experten diskutiert werden. Deshalb halte ich es auch für richtig, dass wir jetzt abwarten, bis die von der Bundesregierung gemeinsam beauftragten Gutachter in der nächsten Woche ihre Gutachten vorlegen, die Diskussion im Klimakabinett dann stattfinden kann, und auf dieser Debatte sollten wir dann um den besten Weg ringen. Für uns ist nur klar: Uns geht es nicht darum, dann eine Steuer oben draufzusetzen.
Uns geht es darum, für bessere Steuerung zu sorgen. Und uns ist in besonderer Weise wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen. Deshalb muss das Modell sozialverträglich sein. Deshalb muss es wirtschaftlich verträglich sein. Deshalb müssen wir auch die Situation von Stadt und Land berücksichtigen. Da ist mir die Antwort von Ministerin Schulze noch nicht ausreichend, wenn sie sagt, die soziale Komponente soll so funktionieren, dass jeder genau gleich viel an Kompensation bekommt, egal ob der in Berlin lebt, arbeitet und ÖPNV hat, oder im ländlichen Raum lebt und auf das Auto beim Pendeln angewiesen ist. Das alles darf keine Ausrede sein, um am Ende keine Lenkungswirkung zu erreichen. Wir brauchen einen namhaften Beitrag dieses Instruments für die Erreichung der Klimaziele. Aber man muss es berücksichtigen und deshalb müssen wir jetzt in der Diskussion in die Tiefe gehen.
"Wir wollen nicht belasten"
Schulz: Wenn wir jetzt noch mal konkret schauen auf den Vorschlag von heute Vormittag. Da ist die Idee, im Jahr 2020 einzusteigen mit einer Bepreisung von 35 Euro und sich dann im Laufe der Jahre, im Laufe des Jahrzehnts zu steigern auf 180 Euro. Svenja Schulze betont, genau diese soziale Verträglichkeit ist auch ihr Ansatz. Teuer wird es für die sogenannten DINK’s, für die "double income no kids", für die Paare, die ohne Kinder leben. Traut die Union sich das?
Jung: Ich glaube gar nicht, dass man so eine Debatte jetzt aufmachen sollte. Wir sind wie gesagt der Meinung, dass man jetzt über einen Zertifikatehandel einen Weg prüfen sollte, bei dem nicht der Staat den Preis macht. Was ich im Grundsatz für richtig halte ist ein Ansatz, wo wir mit einem Modell einsteigen und dann schrittweise zu einer stärkeren Preiswirkung kommen, damit die Menschen die Möglichkeit haben, sich darauf einzustellen. Weil klar ist: So wie es ist kann es nicht bleiben. Wir brauchen Anreize für klimafreundliches Verhalten.
Schulz: Herr Jung! Geben Sie mir die Chance, da einzuhaken mit der konkreten Nachfrage, dass die Hörer das auch besser verstehen können. Wenn ich Sie gerade verstehe, dass Sie sagen, wir brauchen auch wirklich eine Steuerungswirkung, müsste die Union dann nicht langsam mal sagen, wen sie belasten will?
Jung: Ich bin dagegen, in die Debatte mit der Frage einzusteigen, wen wir belasten wollen. Ich bin dafür, dass wir erst mal sagen, was wir erreichen wollen. Wir wollen eine Klimaschutzwirkung erreichen. Das steht vor der Klammer.
Schulz: Wenn Sie steuern wollen, müssen Sie ja jemanden belasten, und ergibt es da nicht Sinn, eine Prioritätensetzung ganz transparent zu machen?
Jung: Wir wollen nicht belasten, sondern wir wollen erreichen, dass sich klimafreundliche Technologien durchsetzen. Das ist das Signal, das es geben soll, wenn sich zum Beispiel jemand für ein neues Auto entscheidet, dass er sich für das effizientere Auto entscheidet. Das soll die Lenkungswirkung sein. Und dann wird die Frage sein, wie gleichen wir das, was an möglichen Belastungen ein solches Modell mit sich bringt, aus. Da gibt es Vorschläge dazu. Es gibt zum Beispiel den Vorschlag, die EEG-Umlage abzuschmelzen oder abzuschaffen. Das ist auch ein Weg, der die Bürger entlasten würde, der auch Unternehmen entlasten würde, der Ungerechtigkeiten zwischen den Unternehmen, die privilegiert sind bei der EEG-Umlage, und bei denen, die es nicht sind, abschmelzen würde. Das ist ein Weg, aber ich finde, man muss schon auch die Frage stellen, was bedeutet es im ländlichen Raum, was bedeutet es für Menschen, gerade häufig solche mit geringem Einkommen, die aufs Auto angewiesen sind, und haben wir für die auch Antworten.
Schulz: Das haben Sie gerade schon gesagt. – Ich habe jetzt mehrfach in dem Interview gehört, wir gucken uns das in Ruhe an, wir müssen jetzt auch noch mal abwarten, was nächste Woche die Wirtschaftsweisen sagen. Das Klimakabinett hat sich jetzt ja auch noch mal vertagt auf September. Haben Sie die Zeit?
Jung: Wir gucken uns das nicht in Ruhe an; wir gucken es uns mit Hochdruck an. Es muss im September im Klimakabinett eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Wir müssen in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz machen. Mit dem müssen wir glaubwürdig darstellen, dass wir die Ziele erreichen. Da gibt es kein Vertun, da gibt es keine Ausreden, das ist unsere Aufgabe in Verantwortung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.