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Schutz für deutsche Handelsschiffe

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl, hat bestätigt, dass die Regierung den Einsatz privater Sicherheitskräfte auf deutschen Schiffen am Horn von Afrika prüft. Diese müssten dann auch so bewaffnet werden, dass sie bewaffnete Piraten abwehren könnten.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Sie attackieren immer öfter, gehen immer brutaler vor und setzen immer größere Waffen ein: Piraten, die zum Beispiel vor der Küste Somalias Frachtschiffe kapern und damit oft Millionen an Lösegeld erpressen. Auch der internationale Marineeinsatz im Indischen Ozean und dem Golf von Aden konnte die Entwicklung bisher nicht stoppen - im Gegenteil. Die Zahl der Überfälle steigt, auch an Bord deutscher Handelsschiffe. Schon länger fordern die Reeder deshalb Begleitkommandos deutscher Soldaten oder Polizisten. Doch die Koalition in Berlin scheint einen anderen Weg zu bevorzugen. Demnach sollen private Sicherheitsunternehmen den Schutz vor Piratenüberfällen übernehmen; schon ist darüber eine Debatte im Gang. Mit angestoßen hat sie Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

    Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Herr Uhl, öffentliche Äußerungen aus der Koalition sorgen derzeit ein wenig für Verwirrung. Sie haben in einem Zeitungsinterview von einer Einigung in der Koalition gesprochen, von einer Festlegung, dass eben private Sicherheitsunternehmen die Erlaubnis bekommen sollen, auf diesen Handelsschiffen den Schutz zu organisieren, davon will aber die FDP jetzt nichts wissen. Was gilt denn nun?

    Uhl: Wir hatten uns in mehreren Gesprächen - zuletzt kurz vor der Sommerpause - unter Abgeordneten unter Teilnahme des Bundesverteidigungs- und Bundesinnenministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums verständigt, grundsätzlich politisch, dass wir rechtlich prüfen wollen, ob wir private Sicherheitsunternehmen beauftragen, zertifizieren können, zusätzlich neben dem Atalanta-Mandat dafür zu sorgen, dass unsere Handelsschiffe geschützt werden. Sie wissen, dass Deutschland als größte Exportnation besonders abhängig ist von sicheren Handelswegen, deswegen müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir in diesem unendlich großen Gebiet am Horn von Afrika neben dem Atalanta-Mandat noch für zusätzlichen Schutz und Sicherheit sorgen können.

    Barenberg: Ist denn weiter auch der Einsatz von Bundespolizisten oder von Soldaten der Bundeswehr im Gespräch?

    Uhl: Auch dieses ist weiterhin im Gespräch, denn das Atalanta-Mandat wird so verstanden, dass man versucht, durch Bestreifung dieses riesigen Gebietes - das etwa so groß ist wie Europa - Übergriffe von Piraten zu verhindern. Wenn es denen aber gelungen ist, ein Schiff zu kapern, wird eine Rückeroberung sozusagen des Schiffes durch Atalanta-Kräfte nicht erfolgen. Dann brauchen wir nationale Kräfte, und da haben wir ja die grundrechtliche Problematik, dass die Polizei zwar darf weltweit tätig werden zum Schutz deutscher Rechtsgüter, aber nicht kann, das Militär zwar könnte, aber nicht darf. Deswegen werden wir da diese beiden Dinge, das Können und das Dürfen, zusammenführen.

    Barenberg: Der Einsatz von Bundespolizisten auf Handelsschiffen selber, das ist aber vom Tisch, aus Ihrer Sicht?

    Uhl: Vom Tisch ist bei dem Thema gar nichts, es geht darum, pragmatische Lösungen zu finden: Die Überfälle nehmen zu, die Lösegelder steigern sich in Millionenhöhe, deswegen sind die Reeder auch mittlerweile anderer Ansicht als früher. Die Reeder haben bisher gesagt: Wir zahlen lieber Lösegeld, als dass wir viel Geld ausgeben für die Sicherheit unserer Handelsschiffe. Sie müssen wissen, dass die Handelsschiffe deutscher Reeder zum großen Teil auch ausgeflaggt sind, also nicht nur unter deutscher Flagge fahren. Auch dieses gilt es zu prüfen. Deswegen brauchen wir pragmatische Ansätze, und dabei ist auch die Zertifizierung und der Einsatz privater Sicherheitsunternehmen zu prüfen, und diese Prüfung nehmen wir derzeit vor.

    Barenberg: Warum sollte der Staat sein Gewaltmonopol aufgeben?

    Uhl: Das Gewaltmonopol gibt er ja weder auf dem Festland auf, noch auf hoher See. Auch auf dem Festland gibt es genügend Fälle, wo Einrichtungen von privaten Unternehmen geschützt werden. Dennoch gibt es daneben die Polizei und das Gewaltmonopol der Polizei. Wir müssen dafür sorgen, dass auf den Handelsschiffen für Sicherheit gesorgt wird, deswegen können wir durchaus ein Nebeneinander von hoheitlicher Gewalt und von privater Gewalt, die allerdings vom Staat kontrolliert werden muss natürlich, vorsehen.

    Barenberg: Nicht nur die Reeder, Herr Uhl, sondern auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann von der CDU sagt ja, dass der Schutz der Handelswege und auch der Schutz der Schiffe eine vordringliche, hoheitliche Aufgabe des Staates ist!

    Uhl: Das ist richtig, es ist eine vordringliche hoheitliche Aufgabe. Aber der Staat kann bei der Erfüllung dieser Aufgabe mehrere Wege einschlagen. Ich halte es für nicht notwendig, dass wir jedes Handelsschiff, das womöglich auch noch ausgeflaggt ist - das heißt, wo der Reeder Steuern spart an deutsche Finanzämter -, dass wir auch diese noch bestücken mit Soldaten der Bundeswehr oder mit Polizisten, die uns an anderer Stelle überall fehlen werden.

    Barenberg: Das heißt, das eigene Unvermögen sorgt jetzt dafür, dass es die privaten Unternehmen übernehmen sollen?

    Uhl: Es geht nicht um das eigene Unvermögen, sondern es geht darum, um den sinnvollen Einsatz von unseren qualifizierten Polizisten und Soldaten, die - wie Sie wissen - überall benötigt werden und wir nach Aussetzung der Wehrpflicht nicht mehr, sondern eher weniger Soldaten zur Verfügung haben.

    Barenberg: Sollen private Sicherheitsunternehmen zum Einsatz kommen, muss das Waffenrecht verändert werden. Es muss gelockert werden. Experten sagen, dass großkalibrige automatische Waffen nötig sind, um solche Schiffe zu schützen. Keine Kriegswaffen in Privathände - was ist falsch an diesem Einwand vonseiten der Grünen?

    Uhl: Ja, die Grünen mögen auf Piratenjagd gehen auf See, indem sie auf dem Schiff mit Palmwedeln winken, das mag ja schon sein, dass das ihr konkreter Vorschlag ist. Wir brauchen natürlich eine Bewaffnung dieser Sicherheitskräfte, die geeignet ist, Piratenangriffe, die ihrerseits bewaffnet sind, abzuwehren. Daran ist die Bewaffnung zu messen, daran ist die Zertifizierung auszurichten. Das heißt, der Staat überwacht alles, was dort zum Einsatz kommt; sowohl an Waffen wie vor allem auch an Menschen. Die müssen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die müssen in der Waffenkunde ausgebildet werden, die müssen geschult werden, die müssen ein polizeiliches Führungszeugnis haben. Das sind Dinge, die wir alle kennen vom Einsatz von privaten Sicherheitskräften an Land, wenn es darum geht, gefährliche oder gefährdete Gebäude zu sichern. Das ist alles nichts Neues. Da wird die Bundespolizei bei der Schulung dabei sein müssen. Zuständig wird in der Tat, weil das ein Gewerbeunternehmen ist, das Wirtschaftsministerium sein.

    Barenberg: Aber Herr Uhl, gibt es nicht einen Unterschied, ob eine Großveranstaltung geschützt wird oder ob private Sicherheitsleute mit Maschinenpistolen an Bord stehen.

    Uhl: Das ist prinzipiell kein Unterschied.

    Barenberg: Das heißt, in diese Richtung wollen Sie das Waffenrecht auch lockern, dass so etwas möglich ist?

    Uhl: Wenn es nötig ist, dann werden wir auch dafür sorgen können, dass man den Einsatz von Maschinenpistolen auf einem solchen Schiff rechtlich möglich macht.

    Barenberg: Die Einschätzung von Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Uhl!

    Uhl: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.